Eberhard Fohrer

Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag


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      Ins Licht der Geschichte rückt Iráklion 842, als die Sarazenen des Abu Hafs Omar (→ Ost­kreta/Palmenstrand von Váï) die Siedlung erobern. Sie um­ge­ben die Stadt mit Mau­ern und Was­sergraben - Rabd el Chandak, die „Burg mit dem Gra­ben“, nen­nen sie die neue Festung. Bis ins 10. Jh. gilt die Stadt als ge­fürch­te­tes Pira­ten­nest.

      961 erobern die Byzantiner unter Nikephóros Phokás Rabd el Chandak und zer­stö­ren es völlig. Aber der Plan, die Stadt aufzugeben und stattdessen ein gut befes­tig­tes Kastell auf einem Berg in der Nähe zu errichten, scheitert an dem Wi­derstand der Einwohner und byzantinischen Kolonisten. So bleibt ih­nen nichts übrig, als die Stadt wieder aufzubauen und neu zu befestigen. Sie nennen sie, in Anlehnung an den sara­zenischen Namen, kurz Chandax.

Der venezianische Morosini-Brunnen im Herzen der Altstadt

      Der venezianische Morosini-Brunnen im Herzen der Altstadt

      Ab 1462 werden die Mauern von Cándia in einem gewaltigen Kraftakt ver­stärkt und um 1550/60 nochmals ausgebaut, denn die osmanische Inva­sion steht dro­hend am Ho­rizont. Die Befestigungen Cándias gehören jetzt zu den stärk­sten im Mit­tel­meer­raum. Trotz­dem beginnt nach dem Fall Chaniás und Réthim­nons im Mai 1648 die Belagerung - über 21 Jahre wird sie dauern, damit ist sie bis heute die längste Belagerung der Geschichte! Die Osmanen errichten südlich der Stadt ein riesiges Heerlager, von den Vene­zia­nern „Candia Nova“ genannt. Im­mer wieder rennen die osmanischen Türken an, treiben Gänge unter die Festung, belegen die meterdicken Mau­ern mit Dauer­feuer. Die Bela­ger­ten antworten mit Gegenminen, es kommt zu grauen­haften Kämpfen unter der Erde. Die gewonnenen Erkenntnisse über den Minenkrieg werden 1683 den Ver­tei­di­gern bei der türkischen Belagerung Wiens von Nutzen sein.

      Beim Entsatzversuch einer franzö­si­schen Hilfsflotte explodiert am 24. Juli 1669 das Pulvermagazin des Admirals­schiffs „La Thérèse“, das Schiff sinkt (und liegt seitdem in 17 m Tiefe vor dem Hafen), der französische Groß­admiral Beaufort kommt ums Leben. Daraufhin ziehen die Franzosen wieder ab und andere Hilfstruppen, die vom aussichtslosen Kampf genug haben, meutern. Am 16. Sep­tember 1669 muss der venezianische Statthal­ter Fran­ces­co Moro­sini kapitulieren. Er er­reicht den freien Abzug sei­ner spärli­chen Trup­penreste, doch von den ehe­mals stolzen Mauern und Basti­onen sind nur noch Trüm­mer üb­rig. Die längste Stadt­belagerung der Neuzeit ist zu Ende, 30.000 Venezianer und über 137.000 Tür­ken haben sie mit dem Leben bezahlt, die getöteten Kreter wurden nicht gezählt.

      Kre­ta steht damit unter osmanischer Herrschaft. Iráklion wird von den Kre­tern im Folgenden zwar Me­ga­ló­kastro (große Festung) genannt, verliert aber im­mer mehr an Bedeu­tung, da die Osma­nen Chaniá zur Verwaltungs­hauptstadt erheben.

      Mit dem Abzug der Osmanen und der Unabhängigkeit Kretas 1898 erhält die Stadt zwar ihren ursprünglichen Na­men Heráklion (= Iráklion) zurück, aber erst 1913 mit dem An­schluss Kre­tas an Griechenland ihre frühere Be­deutung. Der Zustrom der grie­chischen Um­sied­ler aus der Türkei (→ Link) lässt ihre Bevölkerungszahl sprunghaft in die Hö­he schnel­len.

      Im Zweiten Weltkrieg wird Iráklion durch deutsche und britische Bomber schwer zer­stört, die deutschen Trup­pen besetzen 1941 die Stadt und zie­hen erst 1944 wie­der ab (Chaniá bleibt bis Kriegs­ende 1945 in deutscher Hand). Nach dem Krieg las­sen Touris­mus, Indus­trie und Handel Iráklion schnell zur wichtigsten Stadt der In­sel wer­den. 1971 wird Iráklion wieder Haupt­stadt Kre­tas.

      Iráklion ist eine Stadt mit reicher Ge­schich­te. Byzan­ti­ner, Venezianer, Tür­ken haben an ihr gebaut, zerstört und wieder aufge­baut. Viel davon blieb jedoch nicht erhalten, denn die Altstadt wurde im letzten Krieg durch Flie­gerbomben weitgehend verwüstet. Aus venezianischer Zeit ste­hen aber noch einige, z. T. aufwändig restaurierte Reprä­sentations­bauten und Kir­chen, be­son­ders reizvoll ist außerdem der Besuch des Ha­fen­kas­tells. Imposant zeigt sich auch die fast vollständig erhaltene veneziani­sche Stadt­mau­er, auf der Níkos Ka­zan­tzá­kis, der Schöp­fer des „Aléxis Zorbás“, begra­ben ist. Un­ter der Stadt liegen die Ruinen des antiken Heraklea, bei Neu­bauvorha­ben ist man immer wieder auf Grund­mauern gestoßen, doch wur­den sie bis­her fast alle überbaut.

      Ab­gesehen vom Hafenkastell und der Stadtmauer liegen die meisten vene­zia­ni­schen Relikte Iráklions nur einige Arm­längen von der zentralen Pla­tia Venizelou mit ihrem markanten Brun­nen entfernt. In den Cafés am Platz trifft man sich zu je­der Tages- und Nachtzeit.

      Morosini-Brunnen (Löwenbrunnen): Was­ser zu beschaffen war immer eins der größ­ten Pro­bleme der Stadt. 1628 ließ der Statthalter Francesco Morosini des­halb ei­nen 15 km langen Aquä­dukt vom Berg Joúchtas (→ Link) in die Stadt bauen, End­stück war die­ser Brun­nen am zent­ralsten Platz Irák­lions. Doch die Ve­nezianer hat­ten nicht lange Freude daran, denn schon 40 Jahre nach der Fertigstellung muss­ten sie die Stadt den Osmanen über­geben, Kom­man­deur der letzten ve­ne­zia­ni­schen Truppen war der Neffe des Aquä­dukt­erbauers. Nach der Macht­über­nahme bausch­ten die Osmanen den zierlich-eleganten Was­ser­spender mit mächti­gen Auf­bau­ten zu einem gro­ßen Brun­nenhaus auf. Heute ist die ur­sprüng­liche ve­ne­zia­ni­sche Gestal­tung wie­derher­ge­stellt und eine zu den Olympi­schen Spielen von 2004 er­folgte Res­tau­rie­rung hat die Schönheit des Brun­nens wieder zur Geltung ge­bracht. Löwen stemmen eine große Scha­le, aus ihren Mäulern sprudelt Wasser dekora­tiv in Wasserbecken, deren Um­fas­sungs­mauern mit Re­liefs von Meer­jung­frauen und Meeresgöttern ge­schmückt sind, auch Euro­pa auf dem Stier ist mehrmals zu sehen.

      Fußgängerzonen, Parks und Ruheräume in Iráklion

      Weite Teile des Zentrums sind als Fußgän­ger­zonen ausgewiesen, so dass man in Ruhe bummeln und sich entspannen kann.

      Fußgängerzonen: Die repräsentative 25 Avgoustou Str. vom vene­zia­nischen Ha­fen zum Morosini-Brunnen ist vollständig für den Ver­kehr ge­sperrt. Wei­ter­hin gibt es die Shoppingzeile Dedalou Str., die am Mo­rosini-Brun­nen beginnt und schnurgerade zum gro­ßen Eleftherias-Platz hin­über führt. Pa­ral­lel dazu ver­läuft die breite Dikeossinis Str., die erst kürzlich teilweise zur Fuß­gängerzone gemacht wurde, sowie die Adam Korai Str. mit Nachbarstraßen, die von zahlreichen Ca­fés ge­säumt sind. Weitere für den motori­sier­ten Ver­kehr gesperrte Bereiche sind die Marktgasse und ihre Sei­ten­wege, die Chandakos Str. mit der Kan­da­no­leon Str., die zum El-Greco-Park hin­über führt, natürlich der Platz am Mo­ro­si­ni-Brunnen selbst sowie Teile des großen Eleftherias-Platzes und der Ekaterini-Platz mit einigen Seiten­gassen.

      Grünanlagen: Zentralste Grünanlage ist der El-Greco-Park, weiter­hin gibt es den Stadtpark Párko Georgiádi unterhalb der Vitouri-Bastion und auch die großen grü­nen Bereiche des Mauergrabens unterhalb des Eleftherias-Platzes bieten sich für einen Spa­zier­gang an.

      Sonstige