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Digitalisierung im Krankenhaus


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lange Zeit hinterherhinkte.

      Die Abschaffung des „Fernbehandlungsverbots“ durch den deutschen Ärztetag 2017 war eine erste Zäsur, die digitale Telemedizinanwendungen in Deutschland zunächst einmal legalisierte. Es folgte mit Beginn der ablaufenden Legislatur eine vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn forcierte umfassende Anpassung der regulatorischen Grundlagen zur Unterstützung digitaler Anwendungen in der gesetzlichen Regelversorgung. Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) mit dem Fast Track für die „App auf Rezept“, die Neuausrichtung der gematik, die Ausweitung der Telematikinfrastruktur, die Einführung von SNOMED CT, die Einrichtung eines nationalen Forschungsdatenzentrums sowie die Vorlage des Patientendaten-Schutz-Gesetzes (PDSG) mit seinen Festlegungen zur Ausgestaltung der Cloud-basierten elektronischen Patientenakte (ePA) mit eAU sowie dem digitalen Rezept – so viel Fortschritt und Innovation in 36 Monaten war bis dato gar nicht vorstellbar. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit klaren Vorgaben zu Formaten und Konventionen die Grundlagen für Vernetzung und Interoperabilität medizinischer Daten gelegt.

      Und dann kam Corona – und die damit verbundene Erkenntnis, dass digitale Lösungen für die Bewältigung der Pandemie eine essenzielle Rolle einnehmen. Die Videosprechstunde, bis Anfang 2020 eine eher exotische Ausnahme in der Interaktion zwischen Arzt bzw. Ärztin und Patient:in, wurde auf einmal zur gern genutzten Alternative. Über 100.000 Ärzt:innen kommen inzwischen regelmäßig virtuell in das Wohnzimmer ihrer Patient:innen. So erfolgreich und beliebt ist die Videosprechstunde, dass der Gesetzgeber die Möglichkeiten der telemedizinischen Interaktion vor wenigen Monaten auch auf andere Leistungserbringer wie Hebammen und Physiotherapeut:innen ausgeweitet hat.

      Mit der Corona-Pandemie traten auch die digitalen Defizite in deutschen Krankenhäusern deutlich zutage. Die Politik reagierte in Rekordzeit! Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) haben Bund und Länder für die Jahre 2021 bis 2023 zusätzliche Mittel in Höhe von 4,3 Mrd. Euro für die Digitalisierung der Krankenhäuser bereitgestellt. Ausgestattet mit klaren Vorgaben in 10 Handlungsfeldern schafft das KHZG die finanzielle und inhaltliche Grundlage dafür, bestehende digitale Defizite bei den deutschen Krankenhäusern zu beheben. Vom Patientenportal über Unit-Dose-Medikamentierung bis zur Pflegedokumentation: Die Förderrichtlinie kombiniert klare Vorgaben bezüglich Interoperabilität und Datensicherheit mit anwendungsbezogenen Muss-Kriterien. Ergänzt wird der Pflichtkatalog durch „Kann-Kriterien“, die auf weitere Entwicklungspotenziale verweisen. Im Vordergrund steht erfreulicherweise die strukturierte Digitalisierung patientennaher Arbeitsabläufe.

      Somit profitiert die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser von einem einzigartigen zeitlichen Zusammentreffen von erkennbarem medizinischem Nutzen, artikuliertem Patientenwillen, ausgereiften technologischen Möglichkeiten, notwendigen regulatorischen Anpassungen und befristeter finanzieller Unterstützung. Ganz nach dem Motto: Jetzt oder Nie!

      1.4 Gestalten statt gestaltet werden!

      Die Voraussetzungen für eine aktive Gestaltung der digitalen Zukunft der Krankenhäuser waren noch nie so umfassend gegeben wie heute. Das Erreichen des Tipping-Point hin zu einer digital geprägten Gesundheitsversorgung in Deutschland muss als Weckruf für alle Manager:innen, Ärzt:innen, Pflegende, und Träger von Krankenhäusern verstanden werden. Dieses Buch unterstützt alle Entscheider:innen und Nutzer: innen bei der Umsetzung der Digitalisierung in allen relevanten Handlungsfeldern. Kurzgefasst, wird in einfacher Sprache die Digitalisierung mit verständlichen Beschreibungen und klaren Aussagen aus einer Welt der IT-Nerds in den Planungs- und Entscheidungsalltag von Manager:innen, Ärzt:innen und Pflegenden überführt. Ein Muss für alle Gestalter:innen, die auch in Zukunft noch Verantwortung für ihr Krankenhaus tragen wollen.

       II

       Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen

       1

       Die Medizin der Zukunft ist datengetrieben

       Peter Gocke

      Die Digitalisierung hat längst alle beruflichen wie privaten Lebensbereiche erfasst und macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Damit einher geht eine zunehmende Generierung und Aggregierung von Daten, deren Nutzung wir auch persönlich in beiden Bereichen erfahren: Wo in Logistikunternehmen Algorithmen zukünftige Bestellungen immer präziser vorhersagen können, so erleben wir im privaten Umfeld, wie, basierend auf unserem Surfverhalten, konkrete Vorschläge zu Inhalten und Themen in unseren Webbrowsern auftauchen.

      Digitalisierung generiert und nutzt Daten.

      Die Vorteile, die sich aus einer konsequenten Nutzung von Daten insbesondere für eine bessere Gesundheitsversorgung ergeben können, sind leicht aufzeigbar: ein Algorithmus, der beispielsweise im Krankenhaus kontinuierlich die Nierenwerte von Patienten überprüft, kann dem medizinischen Personal rechtzeitig wertvolle Hinweise auf Befundkonstellationen geben, die einer weiteren Abklärung bedürfen, und damit die medizinische Versorgung von Patient:innen deutlich verbessern. Abbildung 1 zeigt als Beispiel einen Algorithmus, der Nierenfunktionsstörungen (AKI = Acute Kidney Injury) entdecken kann – eine solche AKI findet sich nach Literaturangaben bei 8–22% aller Krankenhauspatient:innen (Khadzhynov et al. 2019) und ist somit ein durchaus relevantes klinisches Ereignis.

      Im Prinzip bringt ein solcher Algorithmus nierenärztliches Fachwissen an jedes Krankenbett – und das ist etwas, was die (sofern im Krankenhaus überhaupt verfügbaren) Nierenfachärzte so nie leisten könnten. Im englischen NHS (National Health Service) ist dieser Algorithmus daher sogar landesweit einheitlich zur Implementierung empfohlen (NHS 2021).

      Abb. 1 Algorithmus zur Auslösung eines elektronischen Alarms bei AKI (Acute Kidney Injury; NHS 2021)

      Der beschriebene Algorithmus ist sehr einfach aufgebaut und stellt nur geringe Anforderungen an die Datenerhebungsqualität, im Prinzip genügen bereits zwei Serum-Kreatinin-Messungen an zwei verschiedenen Tagen, sodass er sich direkt im Laborinformationssystem eines Krankenhauses abbilden lässt – zu regeln ist dann noch der elektronische Alarmierungsweg. Dennoch zeigt sich hier ein Problem, welches die datengetriebene Medizin in Deutschland hat: Algorithmen verlangen nach eindeutigen, qualitativ gesicherten strukturierten Daten. Die Fähigkeit des deutschen Gesundheitswesens, solche hochwertigen klinischen Daten flächendeckend zu generieren und zu verarbeiten, ist im internationalen Vergleich gering ausgeprägt. Vielfach existieren auch innerhalb eines Krankenhauses unterschiedliche Systeme für die Erfassung und Speicherung von Daten, die dann eine gemeinsame Auswertung durch einen Algorithmus verhindern. Ganz zu schweigen davon, dass vielfach Daten nur in Form von PDF-Dateien archiviert werden, die nicht die von Algorithmen benötigten strukturierten Daten in einem genormten Standard enthalten.

      Digitale Medizin ist die gemeinsame Nutzung hochwertiger strukturierter Daten in Echtzeit.

      Das PDF-Dilemma wird uns noch in einem anderen Zusammenhang beeinträchtigen: Das Gesundheitssystem in Deutschland unternimmt derzeit große Anstrengungen, auf Basis der Telematikinfrastruktur für jede versicherte Person eine elektronische Patientenakte bereitzustellen. In der ersten Ausbaustufe wird diese Akte noch überwiegend PDF-Dokumente und wenige strukturierte Daten enthalten. Eine solche elektronische Akte wird bei manchen Krankheitsbildern schon