prozessuale Absprungbasis ist und welchen Grad der Digitalisierung Sie auf dieser Basis als sinnvoll und erreichbar ansehen. Und, Sie ahnen es, all das muss mit den weiteren Projekten des Hauses in Beziehung gesetzt werden.
Auch hier ein Beispiel: Neben der Medikation ist auch die Dokumentation medizinischer Leistungen Teil der Förderung durch das KHZG. Ihr Strategieprozess sollte nun differenzieren, ob sie die Medikation komplett digital abbilden möchten („closed loop medication“), was dann aber auch die digitale Dokumentation der Medikationsgabe am Bett einschließt. Gegebenenfalls hat Ihr Haus die Pflege schon digitalisiert, sodass Sie hier auf hohem Niveau ansetzen können. Oder aber Sie arbeiten in der Pflegedokumentation noch papierbasiert und sollten nun entscheiden, ob Sie in Ihrem Haus zunächst diesen Prozess angehen, da eine digitale Pflege die Basis für viele weitere digitale Vorhaben darstellt.
Der Markt der Healthcare-IT in Deutschland ist so dynamisch wie nie in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt durch die Anreize des KHZG. Das ist gut so, bedeutet aber auch, dass sich Kund:innen, Hersteller:innen und Berater:innen neu zusammenfinden müssen. Sicherlich gibt es Beratungsunternehmen unterschiedlichster Qualität im Markt, und es kann sehr sinnvoll sein, sich von außen Hilfe bei der Erstellung einer Digitalstrategie zu holen. Aber unabhängig von der Art der Entstehung sind einige Zielfragen zu beachten.
Zielfragen
Hat das Haus eine digitale Kultur in der Führung und an der Basis?
Wie ist der Grad der digitalen Reife des Hauses zum aktuellen Zeitpunkt – wie kann das Zielbild sein?
Welche der ab 2025 mit Strafen belegten „Must-Haves“ aus dem KHZG habe ich bereits/kann ich bis dahin umsetzen?
Wie kann das Thema IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich und sinnvoll im Unternehmen verankert werden?
Was ist darüber hinaus der Organisation noch zuzumuten?
Wer sorgt für einheitliche Prozesse? Kann die Einrichtung diesen Prozess allein steuern, oder benötigt Sie externe Unterstützung?
Wie kann eine Organisation gestaltet werden, damit die Veränderungen durch Digitalisierung mitgetragen und gefördert werden?
3.4 Fazit
Vergessen Sie auf dem Weg nicht die einmaligen Chancen der Digitalisierung. Einmalig, weil dieser disruptive Prozess sich nur einmal in dieser Dekade vollzieht und es nicht verziehen wird, wenn Sie ihn verschlafen. Diese Lehre aus vielen anderen Branchen, die mit Blick auf die Aktienmärkte leicht zu identifizieren sind, sollten allen Entscheidern klar vor Augen führen, dass nur noch jetzt die Zeit zum Handeln ist.
In den nächsten Jahren werden die Mitarbeiter:innen aber auch die Patient:innen mit den Füßen über den Erfolg des Krankenhauses abstimmen, und beide Gruppen werden ein rückständiges Haus meiden. Ergo ist es alternativlos, eine Digitalstrategie zu haben – und diese auch zu leben. Größer als der Druck sind aber die Chancen. Sie können sich vom Wettbewerb differenzieren, das Haus kann zum digitalen Leuchtturm werden, einem Magneten für medizinische Expertise, der Personal wie Patient:innen gleichermaßen an die Einrichtung bindet. Sie haben ein Werkzeug, um dem Fachkräftemangel aktiv etwas Wirksames entgegenzusetzen. Das benötigen Sie schon allein deshalb, weil auch die Menschen in der IT-Abteilung schwer in den Tarifen des öffentlichen Dienstes für die Aufgaben zu halten oder zu finden sind. Und schlussendlich verbessern Sie neben der medizinischen Qualität und der Zufriedenheit der Mitarbeiter: innen auch noch das finanzielle Ergebnis.
Die Finanzierung der IT und der Fachkräfte, die die Digitalisierung umsetzen, ist und bleibt eine Herausforderung der Krankenhausführung. Das KHZG ist eine Chance, ganz wesentliche Impulse durch eine Förderung setzen zu können, und die Themen des Gesetzes werden ohnehin die Inhalte des Healthcare-Marktes für viele Jahre prägen. Wenn Ihr Haus aktuell keine Strategie dazu hat, dann kann die dringende Empfehlung nur heißen, mit allen verfügbaren Mitteln diesen Zustand zu ändern. Haben sie bereits eine Digitalisierungsstrategie, dann muss diese jetzt mit den im KHZG beschriebenen Kann- und Muss-Kriterien abgeglichen werden.
Ich wiederhole mich am Schluss bewusst: Ihr Haus wird nicht digitalisiert.
Das Haus muss sich aktiv und überzeugt auf den Weg begeben und verstanden haben, dass Digitalisierung den Patient:innen, den Mitarbeiter:innen und dem Management gleichermaßen hilft. Hierzu bedarf es des Mutes und der Weitsicht, heute die richtigen Entscheidungen zu treffen.
III
Das Krankenhauszukunftsgesetz
1
Krankenhauszukunftsfonds – Digitales Upgrade für die deutsche Kliniklandschaft
Stephan Krumm, Daniel Petros und Thomas Süptitz
Der vorliegende Beitrag spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wider.
1.1 Die Geburtsstunde des Krankenhauszukunftsfonds
In nationalen und internationalen Rankings landet Deutschland im Bereich der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen, vor allem derjenigen von Krankenhäusern, regelmäßig im hinteren Feld. Dies gilt insbesondere auch für den Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission. Ziel von DESI ist es, verschiedene Indikatoren zusammenzubringen, um die digitale Performance der EU-Mitgliedstaaten zu bewerten. Dafür werden 30 Indikatoren aus 5 Dimensionen betrachtet. Im Bereich des öffentlichen Digitalservice, zu dem auch das Thema E-Health zählt, kommt Deutschland im aktuellen Ranking nur auf Platz 21. Ein ähnliches Ergebnis ergibt sich bei einer Betrachtung des EMRAM-Modells der HIMSS (Krankenhaus-Report 2019).
Solche Benchmarks können ganz grundsätzlich kritisch betrachtet werden. So berichtet Bannister (2004) von einem früheren Regierungsmitglied eines europäischen Staates, das sich darüber beklagt, dass entsprechende Rankings und Benchmarks nicht die wahren Anstrengungen eines Landes berücksichtigen würden. Bannister erläutert im selben Beitrag den Grund für diese Kritik: Allein die Frage, welchen Bereich ein Benchmark abbildet, ist kaum abgrenzbar. In anderen Worten: Konzentriert sich ein Benchmark beispielsweise nur auf das Vorhandensein einer digitalen Infrastruktur oder auch auf die administrativen Prozesse dahinter oder auch auf die Arbeitsabläufe der Nutzer:innen?
Ungeachtet dieser fundamentalen Kritik gegenüber Benchmarks werden diese von Entscheidungsträger:innen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung aufmerksam betrachtet – nicht zuletzt aus Gründen der Governance (Schellong 2010).
Daher beeinflussen Benchmarks und deren Ergebnisse die öffentliche Wahrnehmung und Debatte und werden sehr häufig als Ausgangsbasis für Planungs- und Entscheidungsprozesse