Lili B. Wilms

Luft an Land


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nicht über einen One-Night-Stand hinaus. So sehr er sich auch bemühte, diese zu genießen, sie hinterließen oft einen schalen Beigeschmack. Oder er interpretierte etwas in diese kurzen Begegnungen hinein, was einfach nicht da war. Auf was er eigentlich wartete, wusste er schon längst nicht mehr. Auf ein Wunder? Auf einen Kerl, der ihm in den Schoß fiel?

      Somit würde er zunächst weiter beobachten und genießen. Er legte seinen Kopf schräg und beugte sich weiter über den Tresen, um in den hinteren Bereich sehen zu können. Ah … da war er. Izaak sah ihn nur teilweise und immer nur dann, wenn er das Dings über sich zu seinem Brustkorb zog. Innerlich seufzte Izaak. Selbst der Anblick dieses halben Rückens, der sich unter der Anstrengung immer wieder spannte, versetzte ihn in eine mittelschwere Ekstase. Und er spannte sich wieder. Huch. Da war ihm tatsächlich ein Seufzer entwichen.

      »Sag mal, Verena, wie heißt eigentlich der Kerl, den Izi gerade mit seinen Augen auszieht?«

      »Nadine!«, zischte Izaak sie an und Verena lachte.

      »Das dürfte Fabian sein.«

      »Woher willst du das wissen? Du hast dich nicht mal umgedreht, um zu sehen, wen ich angesehen hab.«

      Verena senkte das Kinn und ihre Lippen zuckten, bevor sie sich zu einem breiten Grinsen verzogen. »Ist es derselbe blonde Typ, den du immer beobachtest, wenn du hier bist? Derjenige, nachdem du dir den Hals verrenkst, sobald du durch die Eingangstür trittst? Derjenige …«

      »Schon gut, schon gut«, unterbrach Izaak sie. Seine Wangen wurden wärmer und er schaute angestrengt auf sein Glas. »So offensichtlich bin ich nun auch nicht.«

      Tobi legte ihm die Hand auf den Rücken und zog ihn zu sich. »Überhaupt nicht.«

      »Dein Sarkasmus erstickt dich noch mal«, erwiderte Izaak ohne jeglichen Biss in der Stimme.

      Verena nahm Izaaks Hand, die neben seinem Getränk lag, bis er zu ihr aufschaute. »Er heißt Fabian.«

      »Darfst du mir das überhaupt sagen? Datenschutz und so?«

      »Wenn du seine Nummer und Anschrift willst, muss ich passen.«

      »Nein, nein, das wollte ich doch gar nicht sagen. Argh. Ihr seid alle furchtbar. Huch, wie die Zeit vergeht, ich wollte eh gerade los.« Unter dem gackernden Gelächter seiner sogenannten Freunde trank er mit dem Papierstrohhalm die Reste seines Saftes aus. Mit eingesogenen Wangen sah er auf, um direkt in die Augen von Fabian zu blicken, der die Theke ansteuerte. Gottverdammt, natürlich. Izaak entspannte seine Lippen und ließ den Strohhalm dazwischen hervorgleiten. Sehr elegant. So als würde er wie Schliemann die Überreste der griechischen Antike aus der Erdoberfläche kratzen müssen, stierte er angestrengt auf den Boden seines Glases. Auf dem sich nichts befand. Vielleicht ein paar Kiwipartikelchen. Konzentriert rührte er mit dem Halm darauf herum, bis sich dieser am Ende immer mehr weitete.

      »Hi, Verena, kannst du mir noch ein Handtuch geben?«

      »Sicher.« Verena kramte aus einer Schublade unter der Theke eines der flauschigen Schönheiten mit dem Studiologo darauf hervor. Aus dem Augenwinkel konnte Izaak sehen, wie sie es Fabian reichte.

      »Ah, brauchst du sonst was? Ein Getränk?«, fragte sie hastig hinterher, bevor Fabian sich abwenden und verschwinden konnte. Izaak sah den beiden aus dem Augenwinkel – gar nicht creepy – zu.

      Irritiert schaute Fabian sie an. »Ich, äh, nein, danke.« Er schwenkte seine Wasserflasche und hielt sie ihr hin. »Du kannst aber meine Flasche auffüllen?«

      »Selbstverständlich!« Verena schnappte sich die Flasche. Ging zum Becken und spülte sie ausgiebig, ließ sie volllaufen, verschraubte sie, als müsste sie einen Genie in einer Flasche für hundert Jahre einsperren, um sie schließlich mit einem Tuch trocken zu reiben. Und zu reiben. Und zu reiben. Ihr kurzer blonder Pferdeschwanz wippte im Rhythmus hin und her. Angestrengt sah sie auf die Flasche. Neben Izaak fing Tobi zu kichern an.

      »Und du bist sicher, dass du nichts trinken magst? Ich könnte dir eine Probe von dem Kiwi-Smoothie geben, den Izi gerade hatte.«

      Ohne zu zögern, drehte sich Fabian zu Izaak und sah ihn an. Izaak hatte das Gefühl, sein Herz würde für einen Moment aussetzen, um dann den verpassten Schlag nachzuholen und ihm in den Hals zu springen. Wusste Fabian, wer er war, oder war das einfach Zufall gewesen, dass er ihn angeschaut hatte? Wie von Sinnen streckte Izaak ihm sein Glas hin. »Ist wirklich lecker.«

      Fabian sah von Izaaks Gesicht zurück zum Glas und mittlerweile hörte Izaak auch Nadine vor sich hinglucksen. Fabians Miene schien einen Kampf auszutragen, zwischen seinen Wangen, die ein Lachen zurückhalten wollten, und den Lippen, die sich krampfhaft dagegen wehrten. Letztendlich gewann Fabians sinnlicher Mund, der Izaak samt weißer, daraus hervorblitzender Zähne, anstrahlte.

      Auch Izaak konnte zwischenzeitlich ein Grinsen nicht mehr vermeiden. Die Situation war zu absurd. Also lieber in Würde untergehen als …? Vor sich hinzugrummeln brachte ja auch nichts.

      Aber Fabian schüttelte den Kopf. »So verlockend das auch ist, ich muss mein Set fertig machen und dann los.«

      Obwohl Izaak keine konkreten Vorstellungen darüber gehabt hatte, was Fabian auf seine Annäherung hin machen würde, versetzte ihm die Abfuhr einen nicht gerade kleinen Dämpfer. Tapfer lächelte er gegen die Wärme an, die sich aus seinem Nacken über die Wangen zog. »Kein Problem. Lass dich nicht aufhalten.«

      Noch bevor Fabian im Durchgang zu den Gewichten verschwinden konnte, hörte Izaak Tobi schon laut und deutlich. »Uuuh …«

      Schnell legte er seine Hand auf den Mund seines Freundes. »Halt bloß die Klappe.« Unter seinen Fingern nuschelte Tobi etwas, das sich nach »mhm grmm gnmn« anhörte. Was auch immer das bedeuten sollte. »Bäh! Igitt.« Izaak riss seine Hand zurück und wischte sich Tobis Spucke auf seinen Leggings ab. »Musste das sein? Ablecken? Sind wir im Kindergarten?«

      »Das frag ich dich. Wirklich? Den Mund zuhalten?«

      »Es musste doch nicht sein, dass er dich auch noch hört.«

      »Pfff. Kann er ruhig. Der weiß nicht, was ihm entgeht.«

      Izaak zuckte mit den Schultern. Und wenn schon. Gegen ein paar Blicke aus der Ferne würde Fabian hoffentlich auch in Zukunft nichts haben. Er hatte ihn abblitzen lassen, aber er schien nicht verärgert oder wütend über seine Aufmerksamkeit zu sein.

      »Vielleicht ist er ’ne Hete und wollte dich nicht irgendwie … hinhalten oder so«, überlegte Nadine laut vor sich hin.

      »Nö. Soweit ich weiß, hat er einen Exfreund«, gab Verena ihren Senf dazu. »Ich hab zufällig ein Gespräch von ihm mitgekriegt.«

      »Leute! Leute, bitte. Er hat zu tun oder kein Interesse oder was auch immer, und das ist völlig in Ordnung. Ich bin höchst zufrieden, wenn ich hier sitzen und ihn beobachten kann. Solange er mir das nicht untersagt, ist alles gut.«

      Fabian machte seine Übungen an den Geräten weiter, die deutlich günstiger in Izaaks Blickfeld lagen als zuvor. Nachdenklich beobachtete Izaak ihn. Das amüsierte Lächeln von soeben war verschwunden und anstelle dessen war diese große Konzentriertheit getreten, die er fast immer vor sich hintrug. Nahezu stoisch absolvierte er seine Einheiten. Hinzu kam eine Ernsthaftigkeit, die Izaak überzeugte, dass sie nicht nur daher rührte, sich an den schweren Gewichten nicht zu verletzen. Die freundlichen Züge wurden durch eine Last getrübt, die Fabian mit sich herum zu tragen schien.

      Das war auch das Erste gewesen, was Izaak an ihm aufgefallen war. Nicht die kurzen Haare, die oben am Kopf etwas länger waren als die kurz geschorenen Seiten. Nicht das markante Gesicht, mit dem starken Kinn und der geraden Nase, die sich symmetrisch einfügte und an eine griechische Marmorstatue erinnerte. Auch nicht sein muskulöser Körper. Er stach in diesem Studio weder als übermäßig bepackt noch als sonderlich mickrig hervor. Im Verhältnis zu Izaak war er enorm. Und das war nichts, was Izaak normalerweise sonderlich anziehend fand.

      Aber diese Gewissheit und Konzentration, die Fabian umgab, in allem, was er im Studio tat, hatte Izaak vom ersten Moment an fasziniert. Er war nicht überrascht, dass diese Albernheit