sich im Begriff Heiliger Geist widerspiegelt. Weil der Geist das innergöttliche Leben auf die freie Gemeinschaft der Liebe hin öffnet und vollendet, kommt ihm seinem Wesen entsprechend in der Heilsgeschichte die Aufgabe zu, die Gemeinschaft freier personaler Liebe zwischen Gott und Mensch sowie zwischen den Menschen untereinander zu eröffnen und zu vollenden. Die der menschlichen Transzendenz eingepflanzte Hoffnung auf Vollendung gelangt im Heiligen Geist zum Ziel. Insofern als der Heilige Geist der Vollzug der innergöttlichen Gemeinschaft der Liebe in Person ist, verkörpert er nicht nur die Gabe göttlichen Lebens und göttlicher Liebe, sondern auch den personalen Geber dieser Gabe. So wird der Heilige Geist den Menschen einerseits als Gabe zuteil, indem die Menschen die von ihm verliehenen Charismen (Gnadengaben) erhalten, während er andererseits als Geber das personale Gegenüber der Menschen zu bleiben vermag und so die Gleichzeitigkeit von „Gegenüber und Nähe“ Gottes garantiert. Damit realisiert der Heilige Geist selbst noch einmal, was das trinitarische Wesen Gottes ohnehin schon ermöglicht, wenn etwa der unsichtbare Vater als ble i ben des Gegenüber den Menschen in der Inkarnation seines Sohnes ganz nahe kommt. Durch diese Struktur von „Gegenüber und Nähe“ Gottes kann eine freie personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch entstehen, die die Personalität der Gottheit Gottes ebenso zulässt wie die Personalität der Menschlichkeit des Menschen („wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ – II Kor 3,17). Auf diese Weise wird die pneumatologische Selbsterschließung Gottes sowohl dem Wesen Gottes als auch dem Wesen des Menschen gerecht, was nicht zuletzt darin begründet liegt, dass der Geist in der Schöpfung waltet (Schöpfergeist), die er in Vergegenwärtigung des Christusheils heiligt, um sie zur eschatologischen Vollendung zu führen.
Soll die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes nicht der Gefahr einer spekulativen Konstruktion des innertrinitarischen Wesens ausgesetzt werden, bedarf es der Orientierung an der biblisch bezeugten heilsgeschichtlichen Selbstmitteilung der trinitarischen Personen. Von daher ist die immanente (Wesens-) Trinität nur durch die ökonomische (heilsgeschichtlich erschlossene) Trinität zu erkennen. Diese Erkenntnisordnung (ökonomisch→immanent) ist allerdings von der das göttliche Wesen betreffenden Seins ordnung (immanent→ökonomisch) zu unterscheiden: Zwar bilden die heilsgeschichtlichen Sendungen erkenntnistheoretisch die Voraussetzung für die Wahrnehmung der ewigen innertrinitarischen Hervorgänge, aber umgekehrt liegt in der innertrinitarischen Seinsstruktur die ontologische Voraussetzung für die heilsgeschichtliche Selbsterschließung: „Gott wird als dreieiniger Gott in der Heilsgeschichte im Glauben erfahren und erkannt, aber er wird nicht erst in dieser Geschichte zum dreieinen Gott. Er ist dieser vielmehr immer schon, ja seine lebendige dreieinige Lebensgemeinschaft ist seinsmäßige Voraussetzung dafür, daß Gott als er selbst über sich selbst hinaustreten und sich uns als er selbst in der Geschichte offenbaren will und kann“45, und zwar in freier und ungeschuldeter Selbsterschließung für das Heil der Menschen, um diesen Anteil an seiner in sich selbst schon vollkommenen Liebe zu geben.
Dabei ist es für die Gottes- und Heilsgewissheit maßgeblich, dass es Gott selbst ist, der sich im Sohn und im Geist erschließt, da sonst keine definitive Gotteserkenntnis und keine definitive Heilszueignung gegeben wären. Entgegen der Annahme Immanuel Kants (1724–1804), die Trinitätslehre enthalte keinerlei praktische Bedeutung,46 erweist sich somit die zentrale hermeneutische Relevanz der trinitarischen Selbsterschließung Gottes. Denn allein die heilsgeschichtlich gewährte Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott entspricht wahrer göttlicher und menschlicher Personalität und offenbart diese, woraus letztgültige Heilsgewissheit erwächst: „Heil ist intensive Gemeinschaft mit Gott […]. Mit dem Kommen des Heiligen Geistes und des Glaubens kommt der dreieinige Gott selbst zum Menschen, um in ihm Wohnung zu nehmen.“47 Selbstgewissheit sowie Gottes- und Heilsgewissheit kann der Mensch aufgrund seiner ambivalenten Selbsttranszendenz nicht aus sich erlangen, sondern nur durch den empfangenden Glauben. Weil der Mensch noch unter den Bedingungen der von Gott entfremdeten Welt erkennen darf, dass Gott und Mensch in der Liebe dasselbe Geheimnis teilen, erweist sich die trinitarische Selbsterschließung Gottes als das Heilsmysterium des Menschen. Dieses wird sowohl im Kontext der natürlichen Anknüpfungspunkte (vestigia trinitatis) als auch in Überwindung der natürlichen Entfremdungen (Krisis) erfahrbar: „Die [trinitarische] Offenbarung ist also die Bestimmung des unbestimmtoffenen Geheimnisses des Menschen, seiner Welt und Geschichte.“48 Um die im Heiligen Geist ermöglichte Gewissheit über die in Christus offenbarte Wahrheit der von Gott geschenkten Schöpfungs- und Heilswirklichkeit zu erlangen, öffnet sich der Glaube der Liebe Gottes und nimmt sie an. Da der – Gottes Heilshandeln gegenüber – passive Glaube sich so zugleich als aktive Glaubensantwort erweist49, ist er weder mit synergistischen Vorstellungen (z.B. Werkgerechtigkeit) noch mit deterministischen Vorstellungen (z.B. doppelte Prädestination) zu vereinbaren (siehe Kap. X,2.3).
Die durch die Offenbarungserkenntnis zuteil gewordene Gewissheit wird erst dann zu einem daseinsbestimmenden Vertrauen, wenn sich der Mensch im Glauben existentiell darauf einlässt.50 Insofern als die Erkenntnisbedingungen dem Erkenntnisgegen stand zu entsprechen haben, verlangt die im Wort vollzogene und sich im Heiligen Geist vergegenwärtigende Selbsterschließung Gottes mit ihrer Heils-Anrede eine empfangende Hermeneutik, welche die Glau bensantwort als personale Selbstübereignung des Menschen an Gott beinhaltet. Denn die men schliche Freiheit der Ansprechbarkeit ist ausgerichtet auf die Freiheit der Antwort auf Gottes Heilszusage, in der die Menschen zu ihrer eigentlichen Entsprechung finden, weil Liebe, Gemeinschaft und Glaube die zerstörerische Selbstbegründung bzw. -behauptung des Menschen überwinden. Auf diese Weise wird das Wesen der auf Gottes Liebe angewiesenen menschlichen Existenz ebenso ernst genommen wie das Wesen Gottes, den man in der Offenheit für seine Selbsterschließung Gott sein lässt.
Weil der Mensch in seiner Kreatürlichkeit aus Gottes Liebe lebt und Gott ihm diese Liebe immer wieder zusagt, ist der Glaube als vernünftig zu bezeichnen. Denn er kann in empfangender Öffnung die vom verborgenen Gott gegebene Heilszusage als Heilsgewissheit erlangen. Die Vernunft ist vernünftig, wenn sie dem geschenkten Heil „nach-denkt“, in der Einsicht, dass sie Gott aus sich selbst nicht ergreifen bzw. konstruieren kann. Glaube und Vernunft sind aufeinander angewiesen, da nur der Glaube die natürlichen Voraussetzungen auf ihre eigentliche Bestimmung hin befragen kann, während die Vernunft die nachvollziehbare Universalität des Glaubens ermöglicht. So ist weder eine Trennung noch eine Identifizierung von Glaube und Vernunft angemessen.
Es wurde deutlich, dass der empfangende Glaube die einzig angemessene und ursprüngliche Weise ist, auf die der Mensch die im göttlichen Wort angebotene Heilsgemeinschaft annehmen kann. Denn aufgrund der menschlichen Selbsttranszendenz, die den Aspekt des Geheimnisses und die Grenzen menschlicher Erkenntnis beinhaltet, ist der sprachlich und personal konstituierte Mensch auf die Heils-Anrede Gottes angewiesen, der er sich vertrauensvoll im Glauben überlassen darf. Damit entspricht der Mensch sowohl seiner kreatürlichen Angewiesenheit auf die Liebe des Schöpfers als auch dem Angebot der hingebungsvollen Liebe Gottes, der sich als vollkommene Liebesgemeinschaft offenbart. So erkennt die „vernünftige Vernunft“ die Vernünftigkeit des Glaubens, dessen Wesen der trinitarisch erschlossenen Gleichzeitigkeit von Verborgenheit und Sichtbarkeit Gottes entspricht („Ge gen über und Nähe“). Denn nur der Glaube vermag in empfangender Öffnung die vom verborgenen Gott (Gegenüber) definitiv zugesagte Gottes- und Heilsgewissheit (Nähe) zu erlangen.51
Eine dem Glauben entsprechende Vernunft ist vernünftig, wenn sie dem Ergriffen-Sein von dieser Gemeinschaft mit Gott auf reflexe Weise nach-denkt, zumal wenn sie sich eingesteht, dass sie aufgrund der kosmologischen und anthropologischen Selbsttranszendenz und der Verborgenheit Gottes nicht in der Lage ist, Gott selbst