kann, die sie vielmehr allein durch die Gnade erhält. Erst durch die Gnade erlangt die Natur ihre eigentliche Bestimmung. Wo sie sich dagegen sündhaft gegen die Gnade versperrt, da gerät sie in Widerspruch mit sich selbst, da wird sie zutiefst verkehrt.“8 Somit ist der Zusammenhang zwischen Schöpfungs- und Heilsordnung bzw. zwischen allen drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses gegeben. Entgegen der linear trennenden Stufenordnung von natürlicher (De Deo uno) und übernatürlicher Gotteserkenntnis (De Deo trino) besteht eine trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung. In ihr kommt sowohl das jeweils spezifische Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist in den drei heilsgeschichtlichen Phasen zum Ausdruck als auch deren gemeinsames Handeln in jeder dieser Phasen. Die Trinitätslehre lässt so im Kontext von Gesetz und Evangelium den hermeneutisch relevanten Zusammenhang von Schöpfungs- und Heilsordnung erkennen. In der dynamischen Zuordnung von natürlichen Erkenntnisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung ist neben den natürlichen Anknüpfungspunkten der Selbsterschließung auch die mit der Kreuzestheologie hervortretende Krisis zu beachten, welche die sündhafte Verkehrung und Ambivalenz der natürlichen Grundlagen offenlegt. „Die Schöpfung muß daher so interpretiert werden, daß sie von Anfang an auf die Verwirklichung der vollendeten Gemeinschaft des trinitarischen Gottes mit seiner Schöpfung abzielt, die angesichts des Widerspruchs der Sünde nur durch die von Gott gewirkte Versöhnung verwirklicht werden kann. Die Versöhnung muß in dieser Weise als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und in dieser Weise als erneute Einbeziehung des Gott widersprechenden Menschen in die ursprüngliche Zielsetzung der Schöpfung verstanden werden. Die Vollendung der Welt darf darum nicht nach apokalyptischer Manier als radikale Neuschöpfung verstanden werden, sondern muß als Vollendung der versöhnten Schöpfung interpretiert werden, also als neuschöpferisches Handeln Gottes an der ursprünglichen Schöpfung.“9
Als Schöpfung des dreieinigen Gottes enthält die Schöpfung naturgemäß Spuren der Trinität (lat. vestigia trinitatis). Denn das „Geschaffene ist auf Grund seines Ursprungs und seiner Entfaltung vom dreieinen Gott durchwirkt und deshalb dessen Abbild“10. Die vielen Spuren analoger Einheit in Vielfalt im Kosmos und im Menschen haben zwar unter anderem in der Gottebenbildlichkeit des Menschen (imago Dei, Gen 1,26f.) ihre Berechtigung, aber es bleiben aufgrund des Unterschieds zwischen Gott und seiner Schöpfung analoge Spuren. So ist Gott zum Beispiel die Gleichzeitigkeit von inner- und zwischenpersonaler Struktur (ein Gott und zugleich die Gemeinschaft dreier Personen), während der Mensch beide Aspekte auch hat, aber nur in Gemeinschaft mit anderen Menschen oder mit Gott (siehe Kap. IX,2). Durch die Analogie zwischen geschöpflicher und göttlicher Wirklichkeit ist es allerdings überhaupt erst möglich, die Offenbarung Gottes verstehen zu können und die Universalität der speziellen Offenbarung wahrzunehmen, was durch den Zusammenhang der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses gewährleistet wird. Der integrale Zusammenhang von „Schöpfungs- und Heilswirklichkeit“ sowie von „Vernunft und Geist“ besteht, weil die Inkarnation (Zweiter Artikel) sowohl auf die mit der Schöpfungswirklichkeit gegebenen Voraussetzungen (Erster Artikel) verweist als auch auf die eschatologische Vollendung durch den Heiligen Geist (Dritter Artikel). Dieser ist wiederum nicht nur an der Schöpfung beteiligt, sondern vollzieht neben der Vollendung auch die Erhaltung der Schöpfung und die Erlösung in Christus.11
Vor dem gezeigten Hintergrund verbietet sich eine oft zu beobachtende anthropozentrische oder existentialistische Reduktion der Glaubenswirklichkeit, was der Erste Artikel mit seiner Bezugnahme auf den gesamten Kosmos (Glaube an Gott den Schöpfer) ebenso belegt wie der Dritte Artikel mit seiner kosmischen Perspektive der eschatologischen Vollendung. Der neuzeitliche Anthropozentrismus, der sich etwa in rein sittlicher Religiosität neukantianischer Prägung oder in existentialistischer Ausblendung der kosmologischen Dimension äußert, wird der ganzheitlichen Selbsttranszendenz des Menschen und seiner Einbindung in Welt und Geschichte nicht gerecht. Deshalb „würde ein völlig akosmisches Gottesbild, Wirklichkeits- und Selbstverständnis des Menschen […] eine bedenkliche Ausfallerscheinung darstellen“12. Davor bewahrt das trinitarische Bekenntnis, indem es Schöpfung und Erlösung umschließt und sich „für den umfassenden Horizont des Wirklichen“13 öffnet. Es bedarf also der Wahrnehmung der Dimension natürlich-metaphysischer Transzendenz in ihrer ganzheitlichen Perspektive, weil man Gott die Wirklichkeit von Welt und Kosmos nicht entziehen kann und der universale Wahrheitsanspruch der Offenbarung im Erfahrungskontext der Menschen gewährleistet bleiben muss, um zu verhindern, „daß der Glaube auf den Standpunkt eines ‚credo, quia absurdum‘ verwiesen wird“14. Denn der Glaube wird absurd, wenn die Wirklichkeit des Glaubens und die Wirklichkeit der Welt nicht in Übereinstimmung kommen. (Siehe dazu Kap. X,1.2: „Theologie und Naturwissenschaft“.)
Insgesamt behält die natürlich-metaphysische Dimension den Charakter der Ahnung von Gott und des natürlichen Anknüpfungspunktes seiner Selbsterschließung, auf welche die Ahnung wiederum angewiesen bleibt. So verweist die Transzendenz von Welt und Kosmos nicht nur auf die Ahnung von Gott, sondern auch auf die Notwendigkeit seiner Selbsterschließung – und damit zugleich auf die anthropologischen Voraussetzungen der Gotteserkenntnis im Kontext dieser Welt.
3. Die Transzendenz des Menschen
Da der Mensch letztlich weder seine Herkunft noch seine Zukunft selbst in der Hand hat, erfährt er sich als Frage und Geheimnis und weist so über sich selbst hinaus. Diese Transzendenz verbindet sich mit der personalen und sprachlichen Konstitution des Menschen, durch die sich der Mensch als personales Geheimnis selbst mitteilen kann und durch die er auf Anrede angewiesen ist. Indem sich der dreieinige Gott ebenfalls als personal und sprachlich konstituiertes Wesen erschlossen hat, wird der Mensch als Ebenbild Gottes transparent. Lässt sich der Mensch glaubend auf die Anrede Gottes ein, entspricht er also sowohl dem Wesen Gottes als auch seinem eigenen Wesen.
Wie es bereits aus der Transzendenz von Welt und Kosmos hervorging, spürt der Mensch, der die Begrenztheit seines Lebens ernst nimmt, dass er zum einen von Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst geschaffen hat. So ist er nicht aufgrund eigener Entscheidung in dieser Welt, sondern er wurde sozusagen „in das Leben hineingeworfen“. Der Mensch hat also keine Verfügungs- und Begründungsmacht im Blick auf seine Herkunft. Zum anderen kann er zwar seine Zukunft im Leben planen und beeinflussen, doch sie bleibt letztlich nicht vorhersehbar. Erst recht steht die Zukunft über das Lebensende hinaus nicht in der Verfügbarkeit des Menschen. Dadurch erfährt sich der Mensch als Frage und als Geheimnis, es existiert eine Unruhe der Unabschließbarkeit und somit das Gefühl, aus sich herausgerufen zu sein. Die sich in solcher „Frag-Würdigkeit des Geheimnisses“15 und im existentiellen Verwiesensein dokumentierende Selbsttranszendenz des Menschen erwartet eine „Antwort auf die mit dem Menschen als Person gegebene Frage nach dem Ganzen der Wirklichkeit“16 und nach deren universalem Sinn. In diesem „Gefordertsein der menschlichen Existenz“17 existiert sowohl das mit menschlicher Personalität und Liebeserfahrung gegebene Grundvertrauen als auch eine unauslotbare Verborgenheit: „Insofern die Erfahrung des Geheimnisses ein unerreichbarer Horizont aller unserer Erfahrung ist, begegnet es uns als das ganz Andere […]. Insofern es uns in allen Dingen nahe ist, erscheint es uns als bergender Grund“18. Durch die Erfahrung beider Dimensionen des Geheimnisses, welche die Frage nach dem universalen Sinn beinhalten, wird das Denken über sich selbst hinausgewiesen. Bereits im antiken griechischen Begriff „Anthropos“ (Mensch) ist das über sich hinausweisende