Iris Böschen

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik


Скачать книгу

auf der Grundlage keynesianischer Erklärungsansätze

      Das Instrument zum Ausgleichen konjunktureller Verwerfungen, das in keynesianischen Konjunkturmodellen vielfach propagiert wird, ist die Fiskalpolitik. Als Fiskalpolitik wird diejenige Finanzpolitik bezeichnet, die darauf setzt, mittels der Gestaltung der Staatseinnahmen- und Staatsausgabenpolitik den Konjunkturzyklus bzw. dessen Schwankungen zu dämpfen. In Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern gingen die Politiker beispielsweise davon aus, dass die konjunkturelle Delle in den Jahren 2008 und 2009 Ursachen hatte, die in der keynesianischen Theorie auffindbar sind: Nachfragerückgang, Unsicherheit über die Zukunft etc. Das politische Instrument, das in einer konzertierten Aktion angewendet wurde, waren schuldenfinanzierte Konjunkturpakete. Der Staatskonsum und die staatlichen Investitionen wurden mit dem Ziel erhöht, die realen Einkommen zu steigern und damit die Kaufkraft, um schlussendlich die Nachfrage zu beleben. In Deutschland beliefen sich die im Dezember 2008 und Anfang 2009 lancierten Konjunkturprogramme auf ein Niveau von rund 50 Milliarden Euro.[38] Die erste Frage ist, ob die inländische Nachfrage aufgrund binnenwirtschaftlicher Faktoren zurückgegangen ist oder ob die inländische Depression Folge eines Nachfrageeinbruches im Ausland war und damit die inländische Exportwirtschaft betraf. Im ersten Fall kann der Staat gemäß der keynesianischen Theorie, seinen Konsum ausweiten, um die Binnennachfrage zu steigern. Im zweiten Fall kann der Staat, obschon die Theorie nach Keynes von einer geschlossenen Volkswirtschaft ausgeht, zum Ausgleich der rückläufigen Exporte Subventionen an Unternehmen bzw. Transfers zur Kaufkraftbelebung an die privaten Haushalte geben. Der Staat kann diese Maßnahmen über Steuereinnahmen finanzieren oder über eine zusätzliche Staatsverschuldung. Finanziert der Staat zusätzliche Staatsausgaben über Kredite, tritt er am Kapitalmarkt als zusätzlicher Nachfrager auf. Weil Kapital knapper wird, steigen in der Folge die Zinsen. Eine Zunahme der Staatsausgaben wirkt über den Multiplikator demnach positiv auf das Einkommen. Die Investitionen gehen allerdings wegen der höheren Kapitalmarktzinsen zurück (Akzeleratoreffekt). Einige Projekte sind nicht mehr profitabel und werden von den Unternehmen nicht umgesetzt (vgl. Abbildung 10). Da der Staat jedoch als zusätzlicher Nachfrager auch am Gütermarkt auftritt (bei |59|den Konjunkturpaketen wurde insbesondere der Infrastrukturausbau gefördert und damit die Nachfrage nach Bauleistungen angekurbelt), nimmt das gesamtwirtschaftliche Einkommen zu. Steigt das Einkommen, nimmt auch die Konsumnachfrage der Wirtschaftssubjekte zu und deren Kassenhaltung. Die zusätzliche Nachfrage auf dem Gütermarkt bewirkt steigende Preise, da das Güterangebot (zunächst) unverändert ist und die Produkte knapper werden. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigt aufgrund der Preissteigerungen. Der Zins steigt bei knapper werdendem Geld weiter. Folglich gehen die privaten Investitionen weiter zurück. Das Einkommen nimmt erneut ab und damit der Konsum etc. Ist schließlich nach den Anpassungsprozessen ein neues Gleichgewicht auf dem Gütermarkt erreicht, stabilisieren sich auch die Preise. Letztlich wird deutlich, dass die kreditfinanzierten Ausgaben des Staates die privaten Investitionen zurückgedrängt haben bzw. ersetzt haben („crowding out“). Das reale Einkommen und die Konsumnachfrage sind konstant geblieben. Ein Überbrückungseffekt hat sich gemäß der Theorie jedoch eingestellt. Finanziert der Staat zusätzliche Ausgaben im Wege der Steuerfinanzierung, müssen die Steuersätze naturgemäß angehoben oder neue Steuern erhoben werden. Dies mindert die verfügbaren Einkommen der Wirtschaftssubjekte und damit deren Konsummöglichkeiten. Die Haushalte sparen weniger, um einen Teil ihrer Konsumnachfrage weiterhin decken zu können. Der Konsumrückgang ist nicht so groß wie der Anstieg der Güternachfrage des Staates. Es kommt zu einer Überschussnachfrage und damit zu neuen Knappheitsverhältnissen mit der Folge eines steigenden Preisniveaus. Auf dem Kapitalmarkt kommt es wegen des Rückgangs der Ersparnisbildung zu einem geringeren Kapitalangebot. Unter der Annahme, dass die Unternehmen von der zusätzlichen Besteuerung nicht betroffen sind, gibt es keine weiteren Einflüsse auf den Kapitalmarkt. Gleichwohl nimmt der Zins aufgrund der Kapitalknappheit zu und die Investitionen gehen zurück. Die Anpassungsprozesse bewirken nun, dass aufgrund der Preiserhöhungen die Güternachfrage wieder zurückgeht bis sie auf das bestehende, unveränderte Güterangebot trifft. Hinsichtlich des Realeinkommens unterscheiden sich die Steuer- und die Schuldenfinanzierung nicht. Der Unterschied besteht darin, dass die Schuldenfinanzierung zu Lasten der Investitionstätigkeit der privaten Unternehmen geht, während die Steuerfinanzierung auch die Konsumnachfrage der privaten Haushalte beeinträchtigt. „Insgesamt betrachtet ist die Fiskalpolitik jedoch stabilisierungspolitisch unnötig [kursiv im Original] und (real) wirkungslos.“ (Felderer 2005, 172)

      Dieses Urteil beinhaltet auch, dass theoretisch weder die Inflationsrate gedämpft, noch die Arbeitslosenquote durch fiskalpolitische Maßnahmen verringert werden kann. Gleichwohl ist für Deutschland festzuhalten, dass sowohl die ‚Abwrackprämie‘ die Aufgabe des Vorziehens von Konsum erfüllt hat, als auch die Konjunkturpakete zu einer Erwartungsstabilisierung, wenn nicht gar Erwartungsumkehr beigetragen haben. Folgende Daten weisen darauf hin, dass die fiskalpolitischen Maßnahmen nicht völlig wirkungslos geblieben sind: Im Anschluss an die Depression im Jahr 2009 mit einer Wachstumsrate des BIP von -5,6 Prozent ist die deutsche Wirtschaft 2010 wieder um 4,1 Prozent gewachsen und 2011 um 3,6 Prozent. Die Arbeitslosenquote betrug 2010 8,6 Prozent und 6,7 Prozent im Jahr danach. Die Inflationsrate belief |60|sich 2010 auf 1,1 Prozent und 2011 auf 1,9 Prozent. (Statistisches Bundesamt 2015)[39] Möglicherweise sind die im internationalen Vergleich positiven Daten auch auf die wieder anziehende Exportgüternachfrage aus dem sich erholenden Ausland zurückzuführen. Hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass auch die wichtigsten Außenhandelspartner Deutschlands Konjunkturpakete lanciert haben.

      2.6.2 Konjunkturpolitik auf der Grundlage neoklassischer Theorien

      Ist der Ausgangspunkt der theoretischen Betrachtung die oben erwähnte Annahme von Friedman und Schwartz, dass eine Geldmengenexpansion im Ausland (z.B. in den USA) zu der konjunkturellen Verwerfung im Inland (z.B. Deutschland) geführt hat, dann scheinen geldpolitische Maßnahmen zur Behandlung der Symptome adäquat zu sein. Da das Inland aber die Geldmengenpolitik des Auslands nicht beeinflussen kann, ist zunächst zu schauen, was die expansive Geldmengenpolitik im Ausland bewirkt. Friedman und Schwartz haben in ihrem Modell gezeigt, dass die Folge ein Anstieg des ausländischen Einkommens ist. Im Ausland sinken darüber hinaus die Zinsen. Die Investitionen nehmen zu, so dass das Einkommen steigt, die Konsumnachfrage angereizt wird und die Preise bei zunächst konstantem Güterangebot zulegen. Die Geldmengenexpansion hat also ausschließlich Inflation im Ausland erzeugt. Realwirtschaftlich ist alles beim Alten geblieben. Nimmt man das Modell zum internationalen Konjunkturzusammenhang hinzu, so zeigt sich, dass die Inflation auch dazu geführt hat, dass die ausländische Währung gegenüber anderen Währungen abgewertet wird und das Ausland Wettbewerbsfähigkeit gewinnt. Im Inland müsste in dieser Situation die Wettbewerbsfähigkeit abnehmen. Die Exportmöglichkeiten sinken; das Einkommen, der Konsum und die Investitionen auch. Es kann im Inland zu einem Güterüberschuss mit der Folge eines sinkenden Preisniveaus kommen. Mittels einer expansiven Geldmengenpolitik der inländischen Zentralbank könnte die Erwartungsbildung stabilisiert werden. In der Krise war denn auch zu beobachten, dass die US-amerikanische Zentralbank und die EZB fast parallel die jeweiligen Geldmengen ausgeweitet haben. Allerdings befanden sich die Volkswirtschaften der USA und des Euroraumes in der Krise als die Geldmengenexpansionen von den Zentralbanken beschlossen und umgesetzt wurden. In den monetär orientierten Modellen wird jedoch davon ausgegangen, dass sich die Wirtschaften in der Ausgangslage in einem Gleichgewicht befinden. Erst die Geldmengenexpansion verhilft der Konjunktur zu einer initialen Bewegung bzw. bewirkt eine negative Konjunkturübertragung. In der depressiven Situation war es so herum betrachtet durchaus angezeigt, mittels expansiver Geldmengenpolitik die ‚traumatisierten‘ Volkswirtschaften wieder in Schwingungen zu versetzen. Bis dato zeigen sich Auswirkungen der Geldpolitik in den USA und in den Euro-Ländern: Die Inflationsrate betrug 2010 in der USA 2,4 Prozent und 2011 bereits 3,8 Prozent. In Deutschland lag die Teuerungsrate 2010 bei 1,1 Prozent und 2011 bei 2,5 Prozent.[40] Seither ist die Inflationsrate sowohl in den USA als auch in der Eurozone und in Deutschland trotz der expansiven Geldpolitik von Jahr zu Jahr mit einer Ausnahme |61|gesunken. Erst für das Jahr 2017 wird eine Zunahme der Inflationsrate auf 1,9 Prozent in Deutschland prognostiziert (SVR 2016a).

      Dennoch ist zu konstatieren, dass die expansive Geldpolitik die Erwartungen der am Geld- und Kapitalmarkt tätigen Wirtschaftssubjekte stabilisiert haben könnte. Die Investitionstätigkeit