Iris Böschen

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik


Скачать книгу

konstant bleiben. Neben den genannten Annahmen liegen dem Modell von Hicks Verhaltensannahmen zugrunde:

       So hängt der private Konsum CH wie bei Samuelson vom Einkommen der Vorperiode ab. Der Konsum ist sogar ausschließlich vom Einkommen abhängig, d.h. eine autonome Konsumkomponente wird – anders als bei John M. Keynes – nicht berücksichtigt, weil eine kurzfristige Entwicklung erklärt werden soll.

       Die Investitionen haben zwei Facetten.

      1 Sie sind teils unabhängig vom Einkommen. Ausgehend von einer anfänglichen Investitionsnachfrage wächst die Investitionstätigkeit mit einer konstanten Rate. (Samuelson ging nicht von einer konstanten Wachstumsrate der einkommensabhängigen Investitionen aus.) Es kann für jede Folgeperiode das Volumen der einkommensunabhängigen Investitionen bestimmt werden. Als Begründung für die Autonomie der Investitionen und deren konstanter Wachstumsrate werden der laufende technische Fortschritt, eine veränderte Konsumnachfrage sowie staatliche Ausgaben aufgeführt.

      2 Die bedeutsamere Komponente der Investitionen besteht in der nachfrageabhängigen Kapitalstockänderung, d.h. die Investoren orientieren sich bei der Planung ihrer Investitionen an den Einkommen der Vergangenheit. Sie gehen davon aus, dass die Einkommensdifferenzen der vergangenen Perioden in die Zukunft fortgeschrieben werden können. (Samuelson ging davon aus, dass eine Abhängigkeit vom Konsum besteht.) Zudem wird die Investitionshöhe durch den konstant angenommenen Akzelerator festgelegt. Hierin kann berechnet werden, welche Kapitalausstattung notwendig ist, um die erwartete Nachfragezunahme in der Folge der Einkommenserhöhung zu befriedigen.

      Die genannten Verhaltenshypothesen bestimmen die Entwicklung des BIP Y, wenn von einem Gütermarktgleichgewicht ausgegangen wird. Das bedeutet, dass das BIP dem privaten Konsum zuzüglich der Investitionen entspricht und damit, dass die Entwicklung des BIP um einen Wachstumspfad herum schwankt. Im Gegensatz zu Samuelson betrachtete Hicks einen in Abbildung 11 dargestellten Gleichgewichtspfad und nicht einen Gleichgewichtswert. Dies hängt mit den beiden Modifikationen der Investitionsnachfrage zusammen (Heubes 1991, 39). Der natürliche Wachstumspfad des BIP liegt theoretisch bei einer Normalauslastung der Kapazitäten vor. Dieses stetige Wachstum beinhaltet jedoch keinerlei Konjunkturschwankungen, d.h. das BIP beläuft sich in der Periode t=1 auf das BIP in der Periode t=0 zuzüglich des Produktes aus dem BIP und der konstanten Wachstumsrate der einkommensunabhängigen Investitionen. Diese letztgenannte Wachstumsrate wird durch den technischen Fortschritt bestimmt. Da aber Konjunkturschwankungen beobachtet werden, ist davon auszugehen, dass dieses dynamische Gleichgewicht nicht bzw. nur zeitweise besteht. D.h. es liegt ein gleichgewichtiger Wachstumspfad vor, um den herum die Konjunktur schwankt. Der Multiplikator weicht bei Hicks von dem Samuelsons ab. Hicks’ Multiplikator kann als |46|‚Supermultiplikator‘ bezeichnet werden, da neben der Konsumneigung c der Akzelerator k einen unmittelbaren Einfluss auf die Investitionen sowie das BIP Y hat. Die Folge dieses ‚Supermultiplikators‘ ist, dass Störungen des Gleichgewichtspfades zu starken Schwankungen des Einkommens führen können. Die Störungen können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Beobachtet wurde, dass Energiepreisänderungen sich gravierend auf die wirtschaftlichen Aktivitäten und auf die einkommensunabhängige Nachfrage auswirken. Derartige Störungen des Gleichgewichts sorgen für Schwankungen, deren Amplituden aber begrenzt sind, so die These von Hicks. Die obere Grenze besteht bei Maximalauslastung der Produktionsfaktoren (Produktionspotenzial). Aufgrund der Kapazitätswirkungen der autonomen Investitionen wächst diese obere Grenze mit der Wachstumsrate, die vom technischen Fortschritt beeinflusst wird. Die untere Grenze ergibt sich aus der Höhe der Abschreibungen. Unter der Annahme, dass es sich bei den einkommensabhängigen Investitionen um Nettoinvestitionen und nicht nur um Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen handelt, müsste ein Kapitalabbau bei sinkender Nachfrage durch eine Verschrottung von Maschinen erfolgen. Weil dies in der Realität nicht beobachtbar ist, sind die Nettoinvestitionen im Konjunkturabschwung betragsmäßig auf die Höhe der Abschreibungen D beschränkt (Teichmann 1997, 13). Die Amplitude der Schwankung kann nicht weiter nach unten ‚ausbrechen‘: Die Abschreibungen nehmen mit der gleichen Wachstumsrate wie das Volkseinkommen zu. Übersteigen die einkommensabhängigen Investitionen im Konjunkturabschwung die Höhe der Abschreibungen, so sinkt die gesamte Investitionsnachfrage.

      Abbildung 11 veranschaulicht, dass die dargestellte Wirtschaft im Aufschwung so stark wächst, dass das Produktionspotenzial gänzlich ausgenutzt wird. Ab diesem Zeitpunkt kann die Wirtschaft nur noch mit der Wachstumsrate zunehmen. Diese ist niedriger als die im Aufschwung realisierte Wachstumsrate. Da somit die Differenz zwischen den Volkseinkommen in den Perioden t=1 und t=0 kleiner wird, gehen auch die einkommensabhängigen Investitionen zurück, so dass das Einkommen schließlich sinkt. Mit sinkendem Einkommen tritt nun ein negativer Multiplikator-Akzelerator-Prozess in Kraft. Dieser kumulative Prozess wird jedoch gebremst, sobald die einkommensabhängigen Investitionen die Höhe der Abschreibungen erreicht haben. Die Wirtschaft befindet sich kurzfristig genau auf dem Wachstumspfad. Ab diesem Zeitpunkt wird der Akzelerator-Mechanismus außer Kraft gesetzt, so dass die Entwicklung des Einkommens durch den Multiplikator bestimmt wird. Die Wirtschaft nähert sich nun der ansteigenden unteren Grenze an. Schließlich kann – nach Durchschreiten der Depression – ein neuer positiver Akzelerator-Prozess gestartet werden und die Wirtschaft in einen Aufschwung gelangen. Keine der Entwicklungen führt dem Modell von Hicks zufolge zu einem ‚explodierenden‘ Verlauf der Konjunktur. Kritisiert wird allerdings, dass im Modell nicht erläutert wird, warum und wann die Wendepunkte im wellenförmigen Konjunkturverlauf erreicht werden. Damit wird zudem nicht deutlich gemacht, warum der Akzelerator ab diesen Wendepunkten wirksam bzw. nicht wirksam ist. Darüber hinaus berücksichtigt auch dieses Modell keine monetären Größen. Die Annahme des stabilen Preisniveaus erscheint zudem wenig realitätsnah.

      |47|Die keynesianischen Modelle zur Erklärung von Konjunkturphänomenen weisen die nachfrageabhängige Investitionsfunktion als gemeinsames Merkmal auf. In beiden vorgestellten Modellen löst ein exogener Anstoß die Konjunkturschwankungen aus. Diese werden durch den Multiplikator-Akzelerator-Prozess verstärkt. Erwartungen finden keine Berücksichtigung. Besonders hervorzuheben ist, dass die Keynesianer davon ausgehen, dass die modellhaft betrachtete Volkswirtschaft in sich instabil ist, weil die Nachfrage phasenweise zu gering ist, um das gesamte Angebot zu aufzunehmen.

      2.4.3 Neoklassisches Konjunkturmodell

      Milton Friedman (1912–2006) gilt gemeinsam mit John M. Keynes als der einflussreichste Ökonom des 20. Jahrhundert und entwickelte einen monetaristischen Ansatz zur Erklärung von Konjunkturschwankungen (Heubes 1991, 84–86). Im Jahr 1963 wurde sein gemeinsam mit Anna J. Schwartz (1915–2012) geschriebenes Hauptwerk „A Monetary History of the United States, 1867–1960“ (Friedman 1971 [1963]) veröffentlicht, in dem die Auswirkungen von Geldmengenänderungen auf Konjunkturzyklen beschrieben werden. Mit diesem Werk haben Friedman und Schwartz die – oben aufgeführten – nachfrageorientierten keynesianischen Erklärungen von Konjunkturzyklen bestritten.

      Friedman und Schwartz legen ihrem Modell den Markträumungsansatz zu Grunde. Das bedeutet, dass angenommen wird, dass die Volkswirtschaft auch bei flexiblen Preisen in einem stabilen Gleichgewicht ist. Dieses walrasianische Gleichgewicht, benannt nach Léon Walras (1834–1910) liegt augenblicklich vor, wenn nur einer der Märkte (Gütermarkt, Geldmarkt etc.) im Gleichgewicht ist, da sich dann automatisch alle anderen Märkte ebenfalls im Gleichgewicht befinden müssen. Unabhängig davon können gemäß Friedman und Schwartz die nominalen Einkommen schwanken, wenn die Zentralbank die Geldmengenpolitik verändert. Dies wiederum erzeugt Konjunkturwellen. Friedman und Schwartz stellen die These auf, dass exogene monetäre Schocks Konjunkturschwankungen verursachen können. Hinzu kommt der Gedanke, dass diese in Verbindung mit nicht angemessenen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte entstehen. Um zu zeigen, dass Einkommensschwankungen auf Geldmengenänderungen zurückgeführt werden können, führen Friedman und Schwartz die Erwartungshaltung der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich der Inflation ein.

      Geld ist diesem Ansatz zufolge ein Vermögensobjekt unter vielen. Die Nachfrage nach Geld ist von dem Kalkül der Wirtschaftssubjekte bestimmt, das Vermögen optimal unter verschiedenen Anlageformen aufzuteilen. Durch dieses Verhalten wird das Risiko der Vermögenshaltung gestreut und damit ein möglicher Verlust minimiert. Die optimale Aufteilung des