Iris Böschen

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik


Скачать книгу

(Auswahlmöglichkeiten: verbessert, nicht verändert oder verschlechtert) sowie zur Zahl ihrer Beschäftigten (Auswahlmöglichkeiten: zunehmend, gleichbleibend, abnehmend) befragt. Der „Wert“ der gegenwärtigen Geschäftslage ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten „gut“ und „schlecht“. Der Saldo der Erwartungen ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten „günstiger“ und „ungünstiger“. Das Geschäftsklima ist ein geometrischer Mittelwert aus den Salden der Geschäftslage und der Erwartungen. Zur Berechnung des Indexwertes wird das Geschäftsklima auf den Durchschnitt des Jahres 2005 normiert (seit Mai 2011). Zu diesem Zeitpunkt wurde der Index auf 100 gesetzt. Der Index dient als Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Zudem ergänzt er Daten aus der amtlichen Statistik, denen gegenüber er den Vorteil hat, dass er häufiger erhoben wird und schnell verfügbar ist. Das BIP wird beispielsweise von den statistischen Ämtern nur quartalsweise erhoben und mit einer ‚Verspätung‘ von ca. zwei Quartalen unter Vorbehalt veröffentlicht.

      Die Entwicklung des aus den beiden Komponenten „Beurteilung der Geschäftssituation“ und der „Geschäftserwartungen“ bestehenden Geschäftsklimaindexes für die Periode zwischen Januar 2003 und März 2017 wird in Abbildung 8 dargestellt.

      

Abbildung 8:

      Der Ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland (Quelle: Eigene Darstellung mit Daten vom Ifo-Institut 2017).

      Nachdem weiter oben gezeigt wurde, dass in Deutschland im Jahr 2009 eine Depression vorlag, wird in Abbildung 8 deutlich, dass die Unternehmen die Folgen der Finanzmarktkrise bereits im Vorfeld abgeschätzt haben. Die Geschäftserwartungen, die in Abbildung 8 gestrichelt dargestellt sind, nahmen bereits 2007 ab. Auch die Bewertung der Geschäftssituation durch die Unternehmen, die gepunktet dargestellt ist, |33|nimmt die realwirtschaftliche Entwicklung des BIP quasi vorweg. Andersherum zeigen die Indikatoren bereits vor Eintreten der konjunkturellen Besserung einen deutlichen Positivtrend: Die Geschäftserwartungen waren bereits vor dem Eintreten des Wachstumstiefs im Aufwind begriffen. Besondere Bedeutung hat der Ifo-Geschäftsklimaindex. Der Geschäftsklimaindex ist das arithmetische Mittel aus den Geschäftserwartungen und der Beurteilung der Geschäftslage seitens der befragten Unternehmen. Das Geschäftsklima ist in der Grafik mit einer durchgehenden Kurve dargestellt und hilft bei der Prognose von Trendwenden im Konjunkturzyklus. Eine Trendwende bei der Konjunkturentwicklung ist mit hoher Sicherheit gemäß der so genannten Dreimal-Regel erst nach einem dreimaligen Ausschlagen des Geschäftsklima-Indikators in die betreffende Richtung zu erwarten (Heubes, 1991, 15 ff).

      Der Präsident des ifo-Institutes in München Clemens Fuest äußert sich folgendermaßen zur aktuellen Entwicklung: „Die Stimmung in den deutschen Chefetagen verbessert sich immer mehr. Der ifo Geschäftsklimaindex stieg im März von 111,1 (saisonbereinigt korrigiert) auf 112,3 Punkte. Dies ist der höchste Wert seit Juli 2011. Die Aufwärtsentwicklung bei der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage hält unvermindert an. Auch die Erwartungen der Unternehmen verbesserten sich weiter. Der Aufschwung gewinnt an Kraft.“[20]

      Die Gesellschaft für Konsumklimaforschung (GfK) untersucht das Verhalten der Verbraucher. So basiert die am 23. Februar 2017 veröffentlichte Studie zum Konsumklima auf rund 2000 Verbraucherinterviews, die im Auftrag der EU-Kommission monatlich durchgeführt werden. In dem Bericht werden verschiedene Indikatoren grafisch aufbereitet, prognostiziert und ausführlich kommentiert. Zu den Indikatoren gehören[21]:

       die KonjunkturerwartungenFolgende Frage wurde den Verbrauchern gestellt: „Was glauben Sie, wie wird sich die allgemeine wirtschaftliche Lage in den kommenden zwölf Monaten entwickeln?“ (Auswahlmöglichkeiten: verbessern – gleich bleiben – verschlechtern)

       die EinkommenserwartungenDie Verbraucher antworteten auf die Frage: „Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die finanzielle Lage Ihres Haushalts in den kommenden zwölf Monaten entwickeln?“ (Auswahlmöglichkeiten: verbessern – gleich bleiben – verschlechtern)

       die Konsum- und Anschaffungsneigung„Glauben Sie, dass es zurzeit ratsam ist, größere Anschaffungen zu tätigen?“ (Der Augenblick ist günstig – weder günstig noch ungünstig – ungünstig)

       das Konsumklima.Diese Größe soll die Entwicklung des privaten Konsums erläutern. Seine wesentlichen Einflussfaktoren sind die Einkommenserwartung, die Anschaffungs- sowie die Sparneigung. Die Konjunkturerwartung wirkt in diesem Zusammenhang eher mittelbar über die Einkommenserwartung auf das Konsumklima.

      |34|Zudem werden Informationen über die Ausgabevorhaben der Verbraucher für 20 Bereiche der Gebrauchsgüter-, Verbrauchsgüter- und Dienstleistungsmärkte zusammengestellt. Die GfK-Konsumklimastudie wird seit 1980 erhoben. Der aktuellen Studie ist zu entnehmen: „Nach dem glänzenden Start in das Jahr 2017 muss die Verbraucherstimmung in Deutschland im Februar einen kleinen Rückschlag hinnehmen. Sowohl die Konjunktur- und Einkommenserwartung als auch die Anschaffungsneigung gehen zurück. Für den Monat März liegt die Prognose für das Konsumklima bei 10,0 Punkten nach 10,2 Zählern im Februar. Der Regierungswechsel in den USA und die zuletzt deutlich gestiegene Inflation haben der überaus guten Konsumstimmung im Februar einen Dämpfer versetzt. So büßen die Konjunktur- und Einkommenserwartung einen wesentlichen Teil ihrer Gewinne aus den Vormonaten wieder ein. Im Sog der gesunkenen Einkommensaussichten sinkt auch die Anschaffungsneigung moderat.“ (Gesellschaft für Konsumforschung 2017)

      

Abbildung 9:

      Konsumklimaindex (Quelle: Eigene Darstellung mit Daten der Gesellschaft für Konsumklimaforschung 2014–2017).

      In Abbildung 9 werden die Konjunkturerwartungen, die Einkommensentwicklung sowie die Anschaffungsneigung anhand von Indexpunkten (auf der Ordinate) dargestellt. Es werden Daten aus dem Mai 2014, 2015, 2016 und Februar 2017 gegenüber gestellt. Die Konjunkturerwartungen haben sich gegenüber 2015 und 2014 aktuell deutlich eingetrübt, jedoch zuletzt wieder leicht aufgehellt. Die Einkommenserwartungen legen im Zeitablauf zu, sinken jedoch 2017 etwas. Während die Anschaffungsneigung im Mai 2015 besonders hoch war, geht sie seither zurück. Das Konsumklima hat sich leicht positiv verändert. Letztere Entwicklungen spiegelt auch der ifo-Geschäftsklimaindex im Großen und Ganzen wieder (vgl. Abbildung 8). Insgesamt ist die Stimmung in der deutschen Wirtschaft aktuell recht positiv. Die Tarifverhandlungen in vielen Branchen der deutschen Wirtschaft, die mit z.T. relativ ehrgeizig wirkenden Lohnforderungen seitens der Gewerkschaften einhergehen, bringen darüber hinaus |35|zum Ausdruck, dass die Jahre der Lohnzurückhaltung der Vergangenheit angehören und eine zusehends positive Entwicklung der Wirtschaft erwartet wird.

      Auch Wirtschaftsforschungsinstitute versuchen, die wirtschaftliche Entwicklung zu prognostizieren. In Deutschland arbeitet eine Reihe von Ökonomen an Konjunkturprognosen für verschiedene, meist gemeinnützige Wirtschaftsforschungsinstitute, die zum Teil unterschiedlichen Interessengruppen nahestehen. Zu nennen sind u.a. das:

       Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, RWI, in Essen;

       Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Ifo-Institut, in München;

       Weltwirtschaftsinstitut, IfW, in Kiel;

       Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, in Berlin;

       Institut für Wirtschaftsforschung, IWH, in Halle;

       Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv, HWWA[22].

      Die sechs genannten Wirtschaftsforschungsinstitute veröffentlichten zwischen 1950 und 2007 zweimal im Jahr eine viel beachtete Konjunkturprognose, die als Frühjahrs- und Herbstgutachten bekannt war. Seit 2007 schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die „Gemeinschaftsdiagnose“ aus. Für die Periode 2017 bis 2019 sind folgende Arbeitsgemeinschaften bzw. Institute an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligt (Schmelzer 2016):

       DIW Berlin mit Österreichischem Institut für Wirtschaftsforschung, WIFO;

       ifo Institut München mit KOF Konjunkturforschungsstelle