Iris Böschen

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik


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genutzt wird. Mit zunehmendem Kapitalstock kommt es zu einer Verschlechterung der Umweltqualität. Es können allerdings Investitionen zum Ausgleich der Umweltschädigung in dem Maß getätigt werden, in dem die Grenzkosten der Schadensvermeidung gerade genau dem Grenzschaden aus der Umweltnutzung entsprechen. Ziel ist dabei nicht, die Umweltverschmutzung grundsätzlich zu vermeiden. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die Kosten für die Wiederherstellung des Anfangszustandes dem Verursacher der Umweltschädigung angelastet werden. Der sogenannte externe Effekt, der bei der Produktion von Gütern aus der Umweltnutzung resultiert, soll internalisiert werden. Wird dies durch eine angemessene Umweltpolitik erreicht, ist nachhaltiges Wirtschaftswachstum sichergestellt (vgl. dazu ausführlich Fritsch, Wein und Ewers 2007).

      1.3.3 Empirische Ansätze zum Wirtschaftswachstum

      Die empirische Wirtschaftsforschung bedient sich der Analyse und Beschreibung historischer Entwicklungen. So unterschied Walt W. Rostow (1916–2003) in seinem Buch „The Stages of Economic Growth“ fünf Entwicklungsstufen (Rostow 1960):

       1. Stufe: Die traditionelle Gesellschaft ist von der Agrarwirtschaft bestimmt, in der keine Arbeitsteilung erfolgt.

       2. Stufe: Das aufgeklärte Bürgertum kennt bereits die Vorzüge des Außenhandels, macht sich das Kreditwesen und die Arbeitsteilung zu Nutze.

       3. Stufe: |23|In der Take Off-Phase der wirtschaftlichen Entwicklung entstehen das Unternehmertum und die Investitions- und Sparneigung.

       4. Stufe: Es wird wirtschaftliche Reife im Zuge der allgemeinen Technisierung und der Herausbildung des Managertums erreicht.

       5. Stufe: Der Massenkonsum und die Überflussgesellschaft setzen sich durch.

      Rostow hat die wirtschaftliche Entwicklung beschrieben und sich für ein starkes Unternehmertum eingesetzt, da er dieses als maßgeblich für den Anstoß wirtschaftlichen Wachstums anerkannte. Empirische Wirtschaftsanalysen sind quantitativ beschreibend. Bei den Analysen z.B. von Kuznets (vgl. im Kapital 2 den Abschnitt zu den Konjunkturzyklen) und den Berichten der Wirtschaftsforschungseinrichtungen wird immer wieder betont, dass wirtschaftliches Wachstum ein Ergebnis der Anstrengung von Menschen ist, die versuchen, ihren Lebensstandard zu verbessern. Das Tempo des Wachstums ist dabei abhängig vom Verhalten der Wirtschaftssubjekte und vom Ordnungsrahmen:

       Risikobereitschaft und Tüchtigkeit;

       Qualifikation der Arbeitnehmer;

       Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft der Unternehmen z.B. bei strukturellen Veränderungen (Kohlebergbau, Textilindustrie);

       Bereitschaft zum Sparen und damit zum Verzicht auf Gegenwartskonsum;

       Günstige institutionelle Rahmenbedingungen: Wirtschaftsordnung und -politik können maßgeblich für die Dynamik des wirtschaftlichen Wachstums sein.

      1.4 Fazit

      Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steht im Zentrum der Bemessung des wirtschaftlichen Wachstums einer Volkswirtschaft. Die Größe ist angreifbar, weil eine Reihe von Faktoren nicht in die Berechnung einbezogen werden und das BIP z.B. bei Berücksichtigung des Freizeitnutzens höher bzw. bei Berücksichtigung von Umweltschäden geringer ausfallen müsste. Gleichwohl dient das BIP in gewissem Maße dazu, verschiedene Volkwirtschaften und deren Entwicklungen vergleichen zu können.

      Versucht man, neben dem Messen des wirtschaftlichen Wachstums dessen Entwicklung zu prognostizieren, stößt man erneut an Grenzen. Es können Daten aus der Vergangenheit analysiert werden, um daraus für die Zukunft Aussagen zu treffen. Die ableitbaren stilisierten Fakten zeigen Entwicklungsmuster auf. Auch Wachstumstheorien sollen helfen, den Prozess des Wachstums, den Verlauf, zu erklären. In der Regel abstrahieren die Modelle sehr stark von der Wirklichkeit, damit einfache Aussagen getroffen werden können. So werden üblicherweise die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit in die Analyse einbezogen und aus deren Zusammenspiel Ergebnisse hergeleitet. Die Neoklassiker gehen dabei von abnehmenden Grenzproduktivitäten der Produktionsfaktoren aus und arbeiten in der langen Frist, während die keynesianischen Modelle eher kurzfristig orientiert sind und über Nachfrageveränderungen z.B. im Wege zusätzlicher Investitionen argumentieren. Allen Modellen gemein ist, dass sie Schwierigkeiten haben, das wirtschaftliche Wachstum zu prognostizieren. |24|Eine Mischung aus Theorie und Praxis scheint daher angemessen und verhilft über empirische Daten dazu, passende Wachstumspolitiken zu entwickeln.

      Grundsätzlich gibt es zwei Ansatzpunkte der Wachstumspolitik: die Ausdehnung des Angebots an Gütern, d.h. Verbesserung der Produktionsbedingungen (geht auf die sog. neoklassische Wirtschaftstheorie zurück) sowie die Ausdehnung der Nachfrage nach Gütern, d.h. direkte oder indirekte Einflussnahme auf die Güternachfrage (geht auf den Keynesianismus zurück). Eine nachfrageseitige Wirtschaftspolitik könnte darin bestehen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch Steuersenkungen anzuregen bzw. die Investitionsausgaben z.B. durch Zinssenkung zu erhöhen. Diese Politiken setzen an der Verwendungsseite des BIP an, d.h. an der Formel

      BIP = CH + CG + I + (Ex – Im)

      Auch die Staatsnachfrage kann z.B. durch Haushaltsbeschlüsse zum Anstieg der Bildungsausgaben bzw. über die Steigerung der Nettoexporte (z.B. durch Wechselkurspolitik) erhöht werden. Ziel ist die Abschwächung (kurzfristiger) konjunktureller Schwankungen und eher nicht das (langfristige) Wachstum.

      Eine angebotsseitige Wirtschaftspolitik zielt darauf ab, die Möglichkeiten und Anreize für die Unternehmen, ein hohes Güterangebot zu produzieren, zu fördern. Politikbereiche können die Verbesserung des Humankapitalstocks, insbesondere Förderung von Bildung und Ausbildung, die Förderung des technischen Fortschritts, insbesondere Förderung von Forschung und Entwicklung, die erleichterte Realkapitalbildung, etwa öffentliche Bereitstellung einer Infrastruktur sowie Stärkung des Wettbewerbs und Deregulierung sein (vgl. Kapitel 10).

      Das Wirtschaftswachstum und die Wachstumspolitiken sind mehr denn je sehr wichtige Forschungs- und Politikfelder. Mit der Wirtschaftskrise, die 2007 in den USA durch das Platzen der Immobilienblase losgetreten wurde, und den folgenden Staatsschuldenkrisen der USA und einer Vielzahl europäischer Staaten hat sich herausgestellt, dass die Theorien und die Schlussfolgerungen für die Politik zu überdenken sind. Offenkundig bedarf der ‚freie‘ Markt vor dem Hintergrund der Globalisierung und der internationalen Verflechtung der Güter- und Kapitalmärkte eines flexiblen ordnungsrechtlichen Rahmens. Ein Beispiel für den flexiblen Umgang mit makroökonomischen Krisen ist die konzertierte Aktion der Franzosen, Spanier, Italiener und Deutschen im Herbst 2009: Es wurden Konjunkturpakete geschnürt, um einen scharfen Einbruch der wirtschaftlichen Aktivitäten zu vermeiden. Dies und weitere Aspekte werden im folgenden Kapitel zur Konjunktur besprochen.

       [Zum Inhalt]

      |25|Kapitel 2: Wie entsteht eine Rezession?

      2.1 Was ist ein Konjunkturzyklus?

      „[…] im Jahr 2014 [wird sich] die konjunkturelle Lage in Deutschland voraussichtlich aufhellen. Während für das Jahr 2013 lediglich ein Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 0,4 Prozent erwartet wird, prognostiziert der Sachverständigenrat für das Jahr 2014 einen Zuwachs von 1,6 Prozent. (SVR 2013)“

      Dies war der Stand im Sommer 2013. Schaut man sich die Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung rückblickend an, dann ist festzustellen, dass das BIP 2013 um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt hat und 2014 tatsächlich um 1,6 Prozent. Sieht man in das Gutachten des Sachverständigenrates 2014/15 ‚Mehr Vertrauen in Marktprozesse‘, dann waren die Erwartungen für die Zukunft eher pessimistisch:

      Nach einem überraschend guten Start in das Jahr 2014 hat die deutsche Konjunktur einen deutlichen Dämpfer erhalten. Hierfür dürften die geopolitischen Risiken ebenso eine Rolle gespielt haben wie die ungünstige Entwicklung im Euro-Raum. Über Vertrauenseffekte könnte sich zudem der von der Bundesregierung eingeschlagene Kurs in der Energiepolitik sowie in der Arbeitsmarkt-