zu isolieren und wiederkehrende Konjunkturzyklen zu definieren.[18] Zu diesen gehören
Joseph Kitchin (Kitchin, 1923)
Clement Juglar (Juglar, 1860)
Simon Kuznets (Kuznets, 1930)
Nicolai Kondratieff (Kondratieff, 1926)
Ein Kitchin-Zyklus hat eine Gesamtlänge von im Durchschnitt drei bis vier Jahren. Unter Wirtschaftswissenschaftlern gilt ein Kitchin-Zyklus als relativ ‚harmlos‘, da angenommen wird, dass auftretende Nachfrageschwankungen durch den Lagerauf- oder -abbau ausgeglichen werden können. Das bedeutet, dass keine oder nur geringe Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung auftreten. Die Lagerveränderungen wirken quasi als Puffer. – Zur aktuellen Relevanz: Seit vielen Jahren ist zu beobachten, dass Lagerhaltungszeiten von den Unternehmen aus Kostengründen minimiert und damit optimiert werden. Die Folge ist, dass Nachfrageschwankungen unmittelbarer auf die Beschäftigungssituation rückkoppeln. Insofern ist die Pufferfunktion nicht mehr gegeben und der Kitchin-Zyklus nicht mehr relevant.
Ein Juglar-Zyklus weist eine Gesamtlänge von acht bis zwölf Jahren auf. Diese Zyklen gelten nach wie vor als zentrale Konjunkturzyklen in marktwirtschaftlichen Systemen. Änderungen der Nachfrage schlagen vollständig auf die Produktion und damit auf die Beschäftigungssituation und das wirtschaftliche Wachstum durch. Typischerweise setzt hier die 80 Jahre später entwickelte keynesianische Konjunkturpolitik an. Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage seitens des Staates sollen einen konjunkturellen Einbruch überwinden helfen.
Ein Kuznets-Zyklus ist ein Wachstumszyklus, da er eine Länge von ca. zwanzig Jahren hat. Er wird als Re-Investitionszyklus bezeichnet. Als Grund für wirtschaftliche Schwankungen werden Investitionsschübe genannt, die auftreten, wenn sich in bestimmten Branchen wegen hohen Kapitalbedarfs und langer Nutzungsphasen Investitionen stauen. Diese müssen dann kurzfristig komprimiert realisiert werden. Die Investitionsexplosion bewirkt dann eine intensive, gegebenenfalls zu hohe Auslastung der Produktionskapazitäten.
Ein Kondratieff-Zyklus weist eine Dauer von 50 bis 60 Jahren auf. Er ist eher als Trend- oder Wachstumszyklus zu verstehen und wird durch Innovationsschübe verursacht. So verortete Kondratieff zwischen 1790 und 1840 einen Zyklus, der durch die technischen Entwicklungen in der Eisen- und Textilindustrie hervorgerufen wurde. Zwischen 1840 und 1900 begründeten der Eisenbahnbau, die Dampfmaschine und die Stahlindustrie einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zurzeit befinden wir uns im |30|fünften Kondratieff-Zyklus, der auf die weitreichenden Innovationen in der Informationstechnologie zurückzuführen ist.
Diese empirisch, d.h. ex post, diagnostizierten Zyklen lassen sich allerdings nicht dazu nutzen, Prognosen über künftige Entwicklungen zu treffen. Sie dienen lediglich der Interpretation wirtschaftlicher Entwicklungen, die in der Vergangenheit Platz gegriffen haben, und der Analyse geeigneter wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die einst umgesetzt wurden.
Neben den genannten Konjunkturzyklen, die unterschiedliche Ursachen und Phasenlängen aufweisen, gibt es sogenannte politische Konjunkturzyklen. Sie werden von exogenen Faktoren bestimmt, d.h. die Ursache des Entstehens konjunktureller Störungen hängt nicht unmittelbar mit ökonomischen Faktoren zusammen. Die Dauer eines politisch motivierten Konjunkturzyklus’ wird – so die Theorie von William D. Nordhaus (geb. 1941) – von der Länge der Legislaturperiode der im Amt befindlichen Regierung bzw. Regierungskoalition beeinflusst. Grundsätzlich hängt die Wiederwahl einer Regierung davon ab, ob die Beschäftigungssituation und die Wirtschaftsstruktur am Ende der Legislaturperiode das Plazet der Wähler finden. Es liegt damit nahe, dass eine an ihrer Wiederwahl interessierte Regierung gegen Ende der Legislaturperiode versucht, mit allen Mitteln eine prosperierende Wirtschaft, also einen Aufschwung aufrechtzuhalten oder gar zu erzeugen. Die Wiederwahl kann z.B. erreicht werden, indem der Staat versucht, durch die Ausweitung der Transferleistungen an die privaten Haushalte zunächst die Kaufkraft und schließlich den privaten Konsum kurzfristig zu erhöhen. Mittelfristig ist der durch diese Maßnahme erzeugte Aufschwung allerdings ein konjunkturelles Strohfeuer, da die zusätzlichen Transferausgaben mittels zusätzlicher Staatsausgaben und damit Staatsverschuldung finanziert werden müssen. Die Steuereinnahmen werden in einer derartigen Phase nicht erhöht, da damit die zusätzliche Kaufkraft der Wirtschaftssubjekte unmittelbar abgeschöpft werden würde. Dass die Staatsverschuldung in der Zukunft im Wege der Steuerfinanzierung zu bedienen und zu tilgen ist, durchschaut der wählende Bürger dem Konzept der politischen Konjunkturzyklen zufolge nicht oder er steht dieser Situation gleichgültig gegenüber.[19] Neben der Ausweitung der Transferleistungen kann der Staat die Subventionierung bestimmter, üblicherweise beschäftigungsintensiver Branchen ausweiten, um Wählerstimmen zu sichern bzw. zu sammeln. Hier gelten die gleichen kritischen Argumente, die bereits aufgeführt wurden. Die politischen Verantwortungsträger stören die Folgen dieser Maßnahmen für die Staatsverschuldung und auch die Inflation nur am Rande, solange die Wiederwahl ermöglicht wird. Nach der gewonnenen Wahl werden recht bald Instrumente eingesetzt, die die Staatsfinanzen begünstigen, die Inflation bekämpfen etc. Auch die positive Entwicklung der Beschäftigungssituation wird gelegentlich geopfert, um die anderen Stabilitätsziele erneut zu erreichen – zumindest bis zur nächsten Wahl. Dann wird erneut eine expansive Wirtschaftspolitik verfolgt. Die Beschäftigungssituation verbessert sich, die Wähler |31|sind zufrieden. Aufgrund der anstehenden Wahlen wurden ein Aufschwung und ein Abschwung eingeleitet.
Der letztgenannte Konjunkturzyklus wird inzwischen, abgesehen von exogenen Schocks, die eine Wirtschaft treffen können, gemeinhin als besonders relevant für die konjunkturelle Lage einer Volkswirtschaft eingestuft.
2.3 Konjunkturprognose
Während die diagnostizierbaren Konjunkturzyklen vergangenheitsbezogen sind, ist die Konjunkturprognose in die Zukunft gerichtet. Sowohl die Konjunkturdiagnose als auch die Prognose sollen zu Erkenntnissen verhelfen, die dazu beitragen, eine adäquate Konjunkturpolitik zu konzipieren. In der Presse wird regelmäßig über die Erwartungen von Experten hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands, der USA, Chinas, europäischer Staaten, lateinamerikanischer Volkswirtschaften etc. berichtet. Diese ziehen Auswertungen von Befragungen von Unternehmen und privaten Haushalten zu Rate, um die künftige Wirtschaftsentwicklung abzuschätzen.
Bei den Befragungen der Unternehmen werden in der Regel zum einen die aktuelle Geschäftssituation und zum anderen die Geschäftserwartungen abgefragt. Es werden Frühindikatoren, gleichlaufende und Spätindikatoren unterschieden. Zu den Frühindikatoren gehören z.B. die Auftragseingänge, die bei den Unternehmen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingegangen sind. Sie gelten als Signal für die Veränderung der Nachfrage im In- und Ausland. Darüber hinaus werden insbesondere in den USA die Hauskäufe als wichtiger Indikator für die konjunkturelle Entwicklung wahrgenommen, da die Bauinvestitionstätigkeit besonders zinsreagibel ist. Daten zu den Hauskäufen werden in der Regel freitags gegen 14:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit veröffentlicht und sorgen weltweit für Aktivitäten an den Aktien- und Rentenmärkten. Auch die Entwicklung der Finanzmärkte, beispielsweise die Kursänderungen von Aktien, wird als Frühindikator für künftige konjunkturelle Entwicklungen in Betracht gezogen. Zu den gleichlaufenden Indikatoren für die Entwicklung der Konjunktur gehört die Analyse der Veränderungen des Produktionsindexes bzw. der Kapazitätsauslastung der Unternehmen. Wenn die Kapazitäten von einem Stichtag gegenüber einem weiteren Stichtag stärker ausgelastet sind, deutet dies mitunter auf den Beginn eines konjunkturellen Aufschwunges hin und vice versa. Neben den hochsensiblen Frühindikatoren bildet die Auswertung der Spätindikatoren die Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen. Insbesondere die Lohnentwicklung und die Veränderung der Beschäftigungssituation sind hier von Bedeutung.
Abgesehen von der chronologischen Unterteilung der Indikatoren unterscheiden wir zudem Einzel- und Gesamtindikatoren. Während die Löhne, die Preise und die Auftragsentwicklung zu den Einzelindikatoren gerechnet werden, weisen die Entwicklung des BIP, des Ifo-Geschäftsklimaindexes und des Geschäftsklimas der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) die Eigenschaften von Gesamtindikatoren auf. Der Ifo-Geschäftsklimaindex wird im Wege einer regelmäßigen Umfrage unter etwa 7000 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands ermittelt. Der Fragebogen |32|besteht aus insgesamt 20 Fragen. Die Unternehmen werden zu ihrer gegenwärtigen Geschäftslage