Iris Böschen

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik


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der Geldhaltung dar. Der Zinssatz und die Inflationsrate dienen bei Friedman und Schwartz der Bemessung der Opportunitätskosten. Ansatzpunkt für die Bewertung des Gesamtvermögens ist das laufende Einkommen, da das Gesamtvermögen nur schwer zu bestimmen ist. Künftige Einkommensströme schätzen die Wirtschaftssubjekte annahmegemäß anhand vergangener Einkommen ab, d.h. sie handeln auf der Basis adaptiver Erwartungen. Das rationale Verhalten der Wirtschaftssubjekte spiegelt |48|sich in der individuellen Nutzenmaximierung sowie in preis- und zinselastischem Verhalten wider. Preisänderungen bewirken somit eine Veränderung der Güternachfrage. Zinsänderungen bedingen eine Anpassung der Zusammensetzung des Vermögensportfolios. Dieses kann aus folgenden Vermögenswerten bestehen:

       Festverzinsliche Finanzaktiva und/ oder Aktien, wobei die Erträge Zinsen sein können oder Stimmrechte auf Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften;

       Sachaktiva wie physisch vorhandene und nicht-menschliche Güter;

       Humankapital wie Aus- und Fortbildung.

      Je nachdem, bei welchem Vermögenswert die höchsten Renditen zu erwarten sind, wird das Wirtschaftssubjekt sein Portfolio entsprechend optimieren. Unter der weiteren Annahme, dass die Wirtschaftssubjekte sich an realen Größen orientieren, ergibt sich für die Nachfrage der Wirtschaftssubjekte nach realer Kassenhaltung, also nach Bargeld oder Giralgeld, dass sich diese in gleicher Weise wie das reale Einkommen ändert. Der Einfluss der Inflationsrate ist anhand der Entwicklung des realen Einkommens zu erkennen. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wirtschaftssubjekte ihre reale Geldnachfrage nur geringfügig von Zinsänderungen abhängig machen. Demgegenüber hat der Zins sehr wohl einen Einfluss auf das Halten festverzinslicher Finanzaktiva, Sachaktiva etc. Friedman und Schwartz nutzen diesen Zusammenhang dazu, Konjunkturschwankungen zu erläutern. Sie gehen von einem Vollbeschäftigungsgleichgewicht und zunächst von einem stabilen Preisniveau aus. Zudem wird angenommen, dass die Wirtschaft mit einer jährlichen Rate von drei Prozent wächst, wobei die Finanzierung der steigenden Umsätze durch ein Wachstum der Geldmenge von ebenfalls drei Prozent sichergestellt wird. Es resultiert demnach in dieser Situation keine Inflation. Dieses Gleichgewicht wird nun im Zeitpunkt t0 durch eine Erhöhung der Geldmenge zum Beispiel um acht Prozent gestört. Dieser exogene Schock bewirkt gemäß Friedman und Schwartz eine Konjunkturschwankung.

       Aufgrund der erhöhten Geldmenge übersteigt die von den Wirtschaftssubjekten gehaltene Geldmenge die optimale Geldnachfrage.

       Die optimale Geldnachfrage bleibt annahmegemäß zunächst bei noch unverändertem Nominaleinkommen und gegebenen Inflationserwartungen gleich.

       Die Wirtschaftssubjekte werden deshalb ihre überflüssige Kassenhaltung abbauen. Sie schieben ihre überflüssige Kassenhaltung (gehaltene Geldmenge) je nach Zinshöhe in Finanzaktiva etc. oder sie konsumieren. Die Preise für Güter und Dienstleistungen steigen in Folge einer höheren Nachfrage.

       Dies führt schließlich zu einem Anstieg des nominalen Einkommens. Dieser Anstieg ist zum Teil auf die Erhöhung des Preisniveaus zurückzuführen.

       Da die Wirtschaftssubjekte ihre Inflationserwartungen nun (fälschlicherweise) korrigieren, steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Das vorhandene Geld wird häufiger umgesetzt.

       Die Wachstumsrate des Nominaleinkommens übersteigt die Wachstumsrate der Geldmenge um die Veränderungsrate der Umlaufgeschwindigkeit.

       |49|Es kommt zu einem ‚over shooting‘ des Nominaleinkommens in der Folge der Erwartungsbildung der Wirtschaftssubjekte. Eine Konjunkturschwankung wurde durch die unerwartet starke Geldmengenexpansion ausgelöst.

      Friedmans und Schwartz’ Ziel war es, zu veranschaulichen, dass u.U. zufällige Schwankungen der Geldmenge das gesamte Wirtschaftssystem in Schwingungen versetzen können. Nicht ausschließlich die Konsumnachfrage ist Dreh- und Angelpunkt konjunktureller Verwerfungen, wie in den keynesianischen Theorien dargestellt. Obschon darauf hingewiesen wurde, dass Veränderungen des Nominaleinkommens zum Teil auf die Höhe der Inflationsrate und zum Teil auf das Realeinkommen rückwirken, wurde offen gelassen, welche realen Auswirkungen die Anpassung an das neue Gleichgewicht auf die Wachstumsrate des Volkseinkommens hat.

      2.4.4 Polit-ökonomisches Konjunkturmodell

      Weitere theoretische Versuche, konjunkturelle Schwankungen zu erläutern, sind polit-ökonomische Modelle. Diesen zu Folge werden Konjunkturzyklen durch wirtschaftspolitische Entscheidungen verursacht. Sie entstehen durch die Politik einer Regierung, die ihre Wiederwahl sicherstellen möchte. Um das Ziel des Machterhalts zu erreichen, trägt eine Regierung Sorge dafür, dass am Ende einer Legislaturperiode und damit vor der Wahl die Arbeitslosenquote besonders niedrig ist. Der Preis für diese Politik ist unter Umständen eine zunehmende Inflation, d.h. die Instabilität des Preisniveaus. Nach erfolgreicher Wiederwahl muss die Regierung die Preisniveaustabilität mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten wieder herstellen. Nebenprodukt dieser Maßnahmen kann der Anstieg der Arbeitslosenquote sein. William D. Nordhaus hat dargestellt, welche Konsequenzen der Wechsel von einer am Gemeinwohl orientierten Wirtschaftspolitik zu einer am Eigeninteresse ausgerichteten Wirtschaftspolitik hat (Nordhaus 1975)[27]. In seinem Modell unterscheidet er zwischen dem ökonomischen und dem politischen System. Letzteres hat ebenfalls zwei Komponenten:

       die Regierung, die das Ziel der Wiederwahl verfolgt;

       die Wähler bzw. das Wählerverhalten.

      Das Wahlverhalten eines Wirtschaftssubjektes kann modellhaft in einer Wahlfunktion erfasst werden. Diese beinhaltet zunächst nur die Zielgrößen geringe Arbeitslosigkeit und geringe Inflation.

       Abbildung 12:

      Indifferenzkurven der aggregierten Wahlfunktion (Eigene Darstellung in Anlehnung an Jürgen Heubes, Konjunktur und Wachstum, München 1991, S. 113ff).

      Die in der Abbildung 12 dargestellten konvexen Indifferenzkurven der Wahlfunktion geben alle Kombinationen von Höhen der Inflationsrate und der Arbeitslosenquote an, die der Regierung den gleichen Stimmenanteil sichern (in Abbildung 12 entweder mit 51 Prozent die Mehrheit der Stimmen oder mit 40 Prozent weniger als die Mehrheit der Stimmen). Der Stimmenanteil ist umso größer, je näher die Indifferenzkurve am Ursprung liegt. Hinsichtlich des Wählerverhaltens wird angenommen, dass die Wirtschaftssubjekte ihre Wahlentscheidung in Abhängigkeit der Entwicklung der Arbeitslosenquote und Inflationsrate während der gesamten Wahlperiode berücksichtigen, wobei neuere Daten zur Wirtschaftslage ein höheres Gewicht haben. Die |50|Regierungspartei oder -koalition ihrerseits versucht, ihre Wiederwahl sicherzustellen, indem sie abschätzt, welche Präferenzen die Wähler hinsichtlich der Arbeitslosenquote und der Inflationsrate haben.

       Abbildung 13:

      Kurzfristige Philips-Kurven (Eigene Darstellung in Anlehnung an Jürgen Heubes, Konjunktur und Wachstum, München 1991, S. 114ff).

      |51|Da die wirtschaftspolitischen Ziele des hohen Beschäftigungsstandes und der Preisniveaustabilität nicht ohne weiteres bzw. nur in Sondersituationen (wie z.B. 2014 bis 2016, vgl. Tabelle 1) parallel erreicht werden können, ist ein Optimum scheinbar nicht erreichbar. Eine hohe Arbeitslosenquote ist gemäß der Philips-Kurve mit einer geringen Inflation verbunden und vice versa. Grafisch bedeutet dies: Je höher die erwartete Inflationsrate ist, umso weiter verläuft die hier betrachtete Philips-Kurve vom Ursprung entfernt. Nordhaus hat für sein Modell diese Philips-Kurve genutzt, um die optimale Strategie der Regierungspartei darstellen zu können. Bringt man nun die Präferenzen der Wähler mit der Situation in der Wirtschaft in Einklang, so ergibt sich ein Tangentialpunkt, der der Regierung eine Hilfestellung hinsichtlich einzuleitender wirtschaftspolitischer Maßnahmen gibt.

       Abbildung