Ingo Pies

Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie


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individueller Freiheit – Zu Programm und Methode einer liberalen Gesellschaftstheorie, in: Homo Oeconomicus X(3/4), S. 297–347.

      Mandle, Jon und David A. Reidy (2013): A Companion to Rawls, Chichester.

      Pies, Ingo (1993): Normative Institutionenökonomik. Zur Rationalisierung des politischen Liberalismus, Tübingen.

      Rawls, John (1971, 1979): Eine Theorie der Gerechtigkeit, übersetzt von Hermann Vetter, Frankfurt a.M.

      Rawls, John (1992): Die Idee des politischen Liberalismus, Frankfurt a.M.

      Rawls, John (1993): Political Liberalism, New York.

      Rawls, John (1999): The Law of Peoples, Cambridge, Mass. und London.

      Rawls, John (2000): Lectures on the History of Moral Philosophy, edited by Barbara Herman, Cambridge, Mass. und London.

      Rawls, John (2001): Justice as Fairness. A Restatement, Cambridge, Mass. und London.

      Rawls, John (2002a): Das Recht der Völker, übersetzt von Wilfried Hinsch, Berlin.

      Rawls, John (2002b): Geschichte der Moralphilosophie. Hume, Leibniz, Kant, Hegel, hrsg. von Barbara Herman, übersetzt von Joachim Schulte, Frankfurt a.M.

      Rawls, John (2006): Gerechtigkeit als Fairness. Ein Neuentwurf, hrsg. von Erin Kelly, übersetzt von Joachim Schulte, Frankfurt a.M.

      |22|Rawls, John (2007): Lectures on the History of Political Philosophy, hrsg. von Samuel Freeman, Cambridge, Mass. und London.

      Rawls, John (2008): Die Geschichte der Politischen Philosophie, hrsg. von Samuel Freeman, übersetzt von Joachim Schulte, Frankfurt a.M.

      Suchanek, Andreas (1994): Ökonomischer Ansatz und theoretische Integration, Tübingen.

       [Zum Inhalt]

      |23|James Buchanan (1919–2013)

      „Propositions advanced by political economists must always be considered as tentative hypotheses offered as solutions to social problems. … [T]he political economist’s task is completed when he has shown the parties concerned that there exist mutual gains ‚from trade‘.“ James M. Buchanan (1959; S. 128f.)

      James Buchanans konstitutionelle Ökonomik

      Wie nur wenige Ökonomen des 20. Jahrhunderts tritt James Buchanan mit dem Anspruch auf, das (Selbst-)Verständnis des Fachs zu ändern: Die Ökonomik soll die mit der Neoklassik zunächst verloren gegangene gesellschaftstheoretische Ausrichtung wiedergewinnen, sie soll an die Traditionslinie der ‚political economy‘ wieder anknüpfen.[27]

      Durch eine solche Neuorientierung will Buchanan die Ökonomik in die Lage versetzen, wichtige gesellschaftliche Aufgaben übernehmen zu können. Sie soll sich für die Bürger als nützlich erweisen, indem sie ihnen eine intellektuelle Hilfestellung bei der Lösung politischer Probleme bietet. Buchanan geht es darum, eine Perspektive aufzuzeigen, aus der man – analog zum wirtschaftlichen Prozess – den politischen Prozess anders – und vor allem: konstruktiver – wahrnehmen kann, als dies mit einem ökonomisch ungeschulten Blick möglich ist. Üblicherweise wird die Wirtschaft – und analog: die Politik – als eine chaotische Sphäre wahrgenommen, in der konfligierende Interessen aufeinanderprallen, so |24|dass der eine verliert, was der andere gewinnt. Angesichts einer solchen Wahrnehmung, die sich wie von selbst aufdrängt, bedarf es einer Konzeptualisierung, die den phänomenologischen Eindruck theoretisch korrigiert, damit Marktwirtschaft und Parlamentarismus in einer Demokratie dauerhaft möglich werden. Buchanans Botschaft lautet: Das, was wie ein Nullsummenspiel aussieht, ist in Wirklichkeit – zumindest potentiell – ein Positivsummenspiel, in dem es gemeinsame Interessen aller Bürger gibt. Von diesem Punkt aus muss Gesellschaft gedacht werden. Sie erscheint dann im Kern als ein kooperatives Unternehmen, ein Projekt der wechselseitigen Zusammenarbeit. In diese Zusammenarbeit eingelassen sind Sphären der Konkurrenz – in der Wirtschaft: zwischen Unternehmen und zwischen Konsumenten; in der Politik: zwischen Interessengruppen, von denen einige als Parteien organisiert sind. Damit stellt Buchanan eine Perspektive vor, die dem phänomenologisch dominanten Wettbewerb eine zwar wichtige, im Kern jedoch sekundäre Rolle zuweist: als Instrument gesellschaftlicher Kooperation. Konkurrenz ist kein Selbstzweck, kein genuines Ziel, sondern vielmehr ein Mittel, dessen man sich bedienen kann, um bestimmte Ergebnismuster hervorzubringen, die letztlich gesellschaftlicher Kooperation förderlich sind. Eine erfolgreiche Handhabung dieses Mittels setzt ein Verständnis seiner Funktionsweise voraus. Hierzu bedarf es theoretischer Erklärungen – genauer: ökonomischer Erklärungen, und für diese ist es konstitutiv, zwischen den Handlungen der Akteure und den institutionellen Bestimmungsgründen dieser Handlungen zu unterscheiden – in der Sprache des Sports: zwischen Spielzügen und Spielregeln. Damit will Buchanan das, was ihm für die Wirtschaft einigermaßen gelungen zu sein scheint, für die Politik nachholen: Die Erklärung gesellschaftlicher Prozesse soll in Aufklärung übersetzt werden.[28] Von einer ökonomischen Rekonstruktion regelgeleiteter Interaktionsprozesse in Wirtschaft und Politik verspricht sich Buchanan ein besseres Verständnis der Funktionsweise von Gesellschaft und folglich ein Orientierungswissen, das dazu eingesetzt werden kann, das gesellschaftliche Institutionensystem so zu gestalten, dass Ergebnisse wahrscheinlich(er) werden, denen die Bürger zustimmen können. Formelhaft zugespitzt bedeutet das: Letztlich machen Ideen Politik, und deshalb wächst der Ökonomik als Ideenlieferant eine eminent politische Aufgabe in der Demokratie zu. Zentral geht es um Fragen diskursiver Kompetenz: Mit Buchanan wird die Ökonomik zur Argumentationsgrammatik politischer Diskurse.[29] Damit sie diese |25|Aufgabe als Wissenschaft – und das heißt: unter strikter Wahrung einschlägiger Seriositätsstandards – erfüllen kann, sind kategoriale Umstellungen erforderlich. Von daher erklärt sich der stark methodologische Grundzug im Werk James Buchanans.

      Die kategorialen Umstellungen betreffen vor allem die Vermittlung positiver und normativer Forschung. Es geht um Theoriebildung: Die Ökonomik muss als ökonomische Theorie des Marktes neu konzeptualisiert werden, bevor eine ökonomische Theorie der Politik per Analogiebildung möglich wird. Bei Buchanan ist ökonomischer Imperialismus die Ausweitung des Anwendungsbereichs – nicht einer kategorial vorgegebenen, sondern – einer kategorial veränderten Ökonomik. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der folgenden Ausführungen, für das Werk James Buchanans eine konstruktive Lesart vorzustellen, die zentrale Weichenstellungen seines Forschungsprogramms als methodisch zweckmäßig verständlich macht.[30]

      1. Der rote Faden im Werk James Buchanans

      Das Werk James Buchanans deckt ein breites Spektrum ab, von der Finanzwissenschaft über ökonomische Analysen der Politik und Streifzüge in die politische Philosophie bis hin zur Verfassungsökonomik. Das macht es nicht leicht, den roten Faden in seinem Werk zu erkennen, und doch gibt es einen solchen roten Faden, einen grundlegenden Basisgedanken, dem Buchanan über Jahrzehnte hinweg treu geblieben ist.

      Die Rekonstruktion dieses roten Fadens setzt am einfachsten biographisch ein, denn dem eigentlichen Werk sind zwei intellektuelle ‚Erweckungs‘-Erlebnisse vorgelagert, die Buchanan selbst mehrfach beschrieben hat. Mehr oder weniger zufällig sind beide Erlebnisse mit dem Ort Chicago verbunden. Erstens: Sechs Wochen Unterricht bei seinem akademischen Lehrer Frank Knight reichten aus, um den Sozialisten Buchanan konvertieren zu lassen und ihn zu jenem überzeugten Verfechter marktwirtschaftlicher Prinzipien zu machen, als der er die liberale Tradition der ökonomischen Klassiker wieder aufnimmt und fortführt. Zweitens: Unmittelbar nach seiner Promotion in Chicago fällt ihm in den Kellern der Harper Library ein Exemplar der 1896 erschienenen Finanztheoretischen Untersuchungen Knut Wicksells in die Hände, dessen Einstimmigkeitskriterium |26|für Buchanan als liberales und zugleich demokratisches Legitimationsprinzip wegweisend wird.[31]

      Beide Erlebnisse gehören eng zusammen: Die Konvertierung, der politische Perspektivwechsel, am eigenen Leibe erfahren, macht Buchanan zu einem vehementen Vertreter intellektueller Aufklärung, wobei solche (normative) Auf-Klärung zunächst