Silke Heimes

Künstlerische Therapien


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eine psychische Krise ist, beinhaltet eine Chance. In der Psychologie versteht man unter einer psychischen Krise im weitesten Sinn ein überraschendes Geschehen, das in der Regel mit einem schmerzhaften seelischen Empfinden einhergeht und zu einer Situation führt, die mit den gewohnten, zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Problemlösungsstrategien nicht in ausreichendem Maß bewältigt werden kann. In Krisensituationen, wenn die eigenen Problemlösungsstrategien nicht mehr ausreichen, ist es also angebracht, sich Unterstützung zu holen, um neue Strategien zu entwickeln, Ressourcen zu entdecken und neue Fähigkeiten zu erwerben.

      In einer Krise sind kreative Fähigkeiten gefragt, die ungewohnte Perspektiven eröffnen und helfen, Lösungsstrategien zu entwickeln. Dabei bedürfen sowohl der Hilfesuchende als auch der Hilfegewährende der kreativen Fähigkeiten, um gemeinsam Konzepte und Visionen zu entwickeln, Schritte zu planen und diese probeweise zu gehen. Nur durch den Einsatz kreativer Fähigkeiten können bisher nicht bekannte Lösungsansätze gedacht und gefunden werden. Je breiter das kreative Angebot, je mehr Zeit, Raum und Aufmerksamkeit zur Verfügung stehen, umso mehr potenzielle Lösungsansätze werden sich ergeben, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, individuelle Wege zu finden.

      Wird eine Krise als Chance begriffen, ist es die Aufgabe der Künstlerischen Therapien, auf kreative Weise bei der Bewältigung der Krise zu helfen. Dafür bedarf es eines fundierten Wissens, der Flexibilität |10◄ ►11| und Empathie auf Seiten des begleitenden Kunsttherapeuten, sowie der Bereitschaft, des Vertrauens und Mutes auf Seiten des Patienten; nicht zuletzt müssen adäquate finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, die einen angemessenen Arbeitsrahmen ermöglichen.

      2 Medialität und Intermedialität

      2.1 Komplexität der Gesellschaft

      Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft werden immer komplexer, die Lebenszusammenhänge anspruchsvoller. Menschen sind international vernetzt und kommunizieren mittels zahlreicher Medien, die zuweilen simultan geschaltet sind. Die Sinneseindrücke, die das menschliche Gehirn jeden Augenblick zu verarbeiten hat, sind immens, mehrere Sinne sind zugleich gefordert, manchmal sogar überfordert, und der Mensch ist gezwungen, sich auf irgendeine Weise zu den Herausforderungen und Veränderungen ins Verhältnis zu setzen.

      Er kann versuchen, diese multiplen, schnell auf ihn einströmenden Reize ebenso schnell und flexibel zu beantworten, wie sie ihm dargeboten werden, oder er kann sich ihnen verweigern, sich gegen sie so weit wie möglich abgrenzen und sie unbeantwortet lassen. Verweigert er sich, besteht die Gefahr, dass er den Anschluss an eine Gesellschaft verliert, die einen flexiblen, extrem belastbaren, schnellen und leistungsfähigen Menschen auf dem neuesten Stand des Wissens und in bestem Funktionszustand fordert, vergleichbar einem Hochgeschwindigkeitszug, der technisch perfekt, aber für Störungen von außen und kleinste Funktionsfehler im Inneren besonders empfindlich und anfällig ist und nur schwer reparierbar, da die technischen Module so kompliziert sind, dass es anderer komplizierter technischer Module bedarf, um das Problem überhaupt zu erkennen. Hochgezüchtete Rennpferde fallen einem ein, auch sie extrem schnell und leistungsfähig, zugleich hypernervös und krankheitsanfällig.

      Die Vergleiche und die angeführten Handlungsextreme verdeutlichen das Spannungsfeld, dem der Mensch in einer zunehmend medial organisierten Welt ausgesetzt ist. Will er in dieser Welt bestehen, wozu er meist gezwungen ist, muss er sich zu den Veränderungen in seinem |11◄ ►12| Lebens- und Arbeitsumfeld auf angemessene Weise verhalten und sich daran anpassen. Dabei geht es um eine Balance zwischen Veränderung und Beständigkeit, Geschwindigkeit und Verlangsamung, Entäußerung und Zentrierung, Anspannung und Entspannung.

      Über den Sinn und die Notwendigkeit dessen, was in der Welt vorgeht und auf den Menschen einwirkt, lässt sich kontrovers diskutieren. Schon Friedrich Schiller beklagte in der Romantik, dass der Fortschritt in Technik und Wissenschaft zur Verarmung des Einzelnen in Hinblick auf die Entfaltung seiner Anlagen und Kräfte führe. Indem sich das Ganze als Totalität zeige, so Schiller, höre der Einzelne auf zu sein, was er gemäß eines idealisierten Vorbildes der Antike war, nämlich eine Person als Totalität im Kleinen. In Alltag und Berufswelt an Bruchstücke gefesselt, bilde auch der Mensch sich nur mehr als Bruchstück heraus und entwickle nie die Harmonie seines kompletten Wesens. Nur im Spiel der Kunst könne der Krebsschaden, den die Gesellschaft verursacht habe, kompensiert werden.

      Tatsache ist, dass der Mensch den Vorgängen und Veränderungen um sich herum ausgesetzt ist und einen aktiven Umgang mit den Anforderungen finden muss, will er nicht zum passiven Spielball der Gegebenheiten werden. Überließe er sich dem Lauf der Dinge, fände er sich bald in einer abgeschlagenen, ohnmächtigen Position und hätte nicht mehr die Möglichkeit, aktiv zu entscheiden, wann, wo und auf welche Weise er auf die an ihn gestellten Ansprüche und Forderungen reagieren möchte.

      In einer leistungsorientierten Welt, in der Schlachtrufe wie Everything is possible und No limits erklingen, sind auch Krankheit und Gesundheit längst zu Schlagworten geworden, die sich Politiker in Wahlen an die Köpfe werfen, und die keine Aussagekraft mehr haben, weil sie den Menschen als Individuum mit seinen spezifischen Lebensraumbedingungen und Bedingtheiten, seinen Gedanken, Gefühlen, Vorstellungen und sozialen Kontexten nicht mehr oder nicht ausreichend zu berücksichtigen vermögen.

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      2.2 Moderne Medizin und Gesundheit

      1964 definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gesundheit als einen Zustand des völligen körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Wohlbefindens. Und obwohl ein solcher Zustand nur schwer vorstellbar und noch schwerer zu realisieren scheint, hat die Weltgesundheitsorganisation damit immerhin erreicht, dass Gesundheit heute umfassender verstanden wird denn als Zustand, der sich lediglich durch die Abwesenheit von Krankheit auszeichnet.

      Mittlerweile allerdings hat die Medizin, die ja vor allem die Gesundheit des Menschen im Blick haben sollte, die adaptiven Leistungen, die vom Menschen im Alltag erwartet werden, selbst nicht zu leisten vermocht, sondern sich im Gegenteil immer weiter spezialisiert und diversifiziert. Die moderne Medizin hat den menschlichen Körper auseinandergenommen und seine vermeintlichen, in realitas jedoch fiktiven Einzelteile immer kleineren Fachgebieten zugeordnet, wodurch sie sich den Blick auf den Menschen als einheitliches Ganzes, als denkendes, fühlendes und handelndes Wesen partiell verstellt hat und in der Folge nicht mehr in der Lage ist, dem Menschen als Individuum auf ganzheitlicher Ebene zu begegnen und zu helfen.

      Dabei nimmt es nicht Wunder, dass die Menschen, die die Zersplitterung und Spezialisierung begünstigt und vorwärts getrieben haben, unter anderem Gesundheitspolitiker und Ärzte, selbst nicht gern von ihr betroffen sind, sondern sich trotz ihres Fachwissens, sollten sie einmal krank werden, in der Medizinmaschine ebenso hilflos und verloren fühlen wie jeder Laie.

      Kein Mensch möchte technisiert, fragmentarisiert und funktionalisiert werden, schon gar nicht, wenn es ihm schlecht geht und er sich eine Hilfe erhofft, die anders ist als das, was ein Gutteil zu seinem Zustand beigetragen hat, nämlich Funktionalisierung und Reduzierung. Um den Menschen und seine Lebensrealität in seiner Ganzheit wieder in den Blick zu bekommen, wenigstens ansatzweise zu erfassen und – sofern gewünscht und möglich – zu begleiten, bedarf es einer umfassenden Sicht auf den Menschen, seine Belastungen und Einschränkungen, aber auch seine Fähigkeiten und Möglichkeiten.

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      2.3 Mediale Herausforderungen

      Will man den Menschen weder aus dem System herauslösen noch darin untergehen lassen, braucht es Ansätze, die den Gegebenheiten und Interdependenzen, in denen der Mensch sich befindet, auf sinnvolle Weise Rechnung tragen, indem sie diese bei ihrer Suche nach Antworten berücksichtigen. Weil das hochkomplexe System, in dem der Mensch sich bewegt, von zahlreichen unwägbaren Faktoren, nicht zuletzt vom Menschen selbst, beeinflusst wird, bedarf es einer Antwort, die in der Lage ist, sich den rasch wechselnden Umständen in ebenso schneller und flexibler Weise anzupassen.

      Eine mögliche Antwort auf die medialen und intermedialen Herausforderungen liegt auf