Harald Seubert

Einführung in die Philosophie


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können, nämlich dann, wenn wir uns der Mittel und Methoden der Wissenschaften bedienen. Was für Wittgenstein die „tiefsten Probleme“ sind, sind die mit wissenschaftlichen Mitteln und Methoden unlösbaren Aufgaben der Philosophie, die im Wesentlichen ein Vierfaches betreffen: die Frage nach der Wahrheit (1), die Frage nach dem Guten (2), die Frage der Freiheit (3) und zuletzt die Sinnfrage (4). Was hat es eigentlich mit dem Sein in seinen verschiedenen Bedeutungssinnen auf sich? Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts (Heidegger)? Kant hat die Grundfragen in die Formulierung gefasst: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen? Nach Kant verweisen diese Fragen auf die Frage nach uns selbst: Was ist der Mensch? Ich denke, dass Heideggers Formulierung radikaler ist: Sie reicht an die Wurzel aller Fragen: Was [<<19] heißt uns Menschen danach fragen, was ist? Letztlich grundlegend ist die Seinsfrage: Was ist der Sinn von Sein? Es sind die Probleme, die Wittgenstein, obwohl er sie für die tiefsten hält, durch Sprachkritik zum Verschwinden bringt. „Wir fühlen“, heißt es am Schluss des ‚Tractatus‘, „daß selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.“6 Ist damit wirklich alles geklärt? Ich denke nicht. Der Wittgenstein des ‚Tractatus‘, der gegen die Philosophie geschrieben worden ist, kann für dieses Werk immerhin nicht auf einen der philosophischen Grundbegriffe, den Begriff der Wahrheit, verzichten. Er hält die Wahrheit seiner Sätze für unantastbar und definitiv, um sie wenig später gleichwohl selbst anzutasten und zu revidieren – das klassische Zeugnis dafür, dass die Grundfragen der Philosophie unhintergehbar sind, und zwar auch dann noch, wenn man, wie Wittgenstein, gegen die Philosophie philosophiert. Dem Philosophieren gegen die Philosophie kommt jedoch ein höchst wichtiges Verdienst zu. Er hat die radikal-philosophischen Grundfragen noch einmal radikalisiert, indem er die Philosophie selbst dem Fragen ausgesetzt hat. Was für eine Tätigkeit ist das Philosophieren? Mit welcher Art von Problemen hat es der Philosoph zu tun? Und wie geht er bei seinem Geschäft vor? Der erste Philosoph, der diese Fragen gestellt hat, war Sokrates. Wittgenstein hat sie nur sprachkritisch radikalisiert, sodass sich inzwischen sogar Berufsphilosophen mehr Gedanken über ihren Beruf machen als zuvor. Es ist die Gegenbewegung zur Philosophie, die sie in unserem Jahrhundert selbst fraglich gemacht hat. Diese Bewegung geht in unserem Jahrhundert von zwei Seiten aus: vonseiten der Wissenschaft, genauer: der Naturwissenschaft und Sozialwissenschaft und vonseiten der Weltanschauung, genauer: der Ideologie. Damit komme ich zum ersten Teil der Vorlesung. Ist Philosophie Wissenschaft oder Weltanschauung? Oder ist sie beides in einem, eine „wissenschaftliche Weltanschauung“, wie der dialektisch-historische Materialismus den Begriff „Philosophie“ definiert? [<<20]

      1 M. Heidegger, Zur Sache des Denkens, Tübingen 1969, S. 65.

      2 Vgl. Augustinus, Confessiones, 11. Buch, 12–14.

      3 H.-G. Gadamer, Kleine Schriften IV, Variationen, 1977, S. 3.

      4 Vgl. zum Verhältnis von Frage und Antwort in der Hermeneutik: H.-G. Gadamer, Hermeneutik II. Wahrheit und Methode, Gesammelte Werke Band 2, Tübingen 1986, S. 395 ff. Siehe auch Band I, S. 375 ff. Grundlegend für diese Dialogizität von Frage und Antwort ist R. G. Collingwood, Denken. Eine Autobiographie. Eingeleitet von H.-G. Gadamer. Übersetzt von H.-J. Finkeldei, Stuttgart 1955; und ders., Philosophie der Geschichte. Aus dem Englischen von G. Herding, Kohlhammer, Stuttgart 1955.

      5 L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Werkausgabe Band 1. Frankfurt/Main 1984, S. 26, Nummer 4.003.

      6 Ebd., S. 85, Nummer 6.52.

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