im Gefolge eines Staatsstreiches – eines Ausnahmezustandes, der im Sinne Schmitts Recht setzt – an, einen StändestaatStändestaat nach dem Vorbild des italienischen FaschismusFaschismus zu etablieren. Hitler, der mit seinem ‚antikapitalistischen‘ und ‚antiglobalen‘ AntisemitismusAntisemitismus ein besonders aggressives FreundFreund-FeindFeind-Schema für seine PolitikPolitik gewählt hat, ist bereits ante portas.
Was Carl SchmittSchmitt, Carl vorlegt, ist die radikalste Version jener schon bei NietzscheNietzsche, Friedrich vorfindlichen Gedankenfigur, wodurch sich soziale Entitäten dadurch konstituieren, dass sie sich FeindeFeind schaffen. Insofern beinhaltet die ZivilgesellschaftZivilgesellschaft, als deren theoretischer wie praktischer Kontrahent sich Schmitt historisch erwies, in der Tat ein utopisches Potential. Es ist die IdeeIdee einer Sozialstruktur und KulturKultur, die nicht auf der radikalen und letztendlich kriegerischen Idee des Fremden als eines Feindes beruht, der ex negativo unser politisches Handeln bestimmt, sondern in der die Struktur des KriegesKrieg allenfalls dann zum Tragen kommt, wenn die plurale und heterogeneHeterogenität OrdnungOrdnung als Ganze bedroht ist und der politische Konkurrent darauf dringt, sich als Feind zu etablieren.
Carl SchmittsSchmitt, Carl Definition des Fremden als eines FeindesFeind ist aber auch vor dem Hintergrund des Aufstiegs von extremen politischen Gruppierungen – rechts wie links – von Belang. Diese speisen sich aus einem ähnlichen Unbehagen wie das theoretische Werk Carl Schmitts. Sie stellen nicht nur bestimmte neoliberale Auswüchse, sondern letztendlich auch das politische SystemSystem einer repräsentativen DemokratieDemokratie in FrageFrage, indem sie den ‚LiberalismusLiberalismus‘ als heuchlerische Illusion der kapitalistischen GlobalisierungGlobalisierung ‚entlarven‘.
6.4. Die Funktion des Fremden im Eigenen: Werner SombartSombart, Werner
Eine andere Funktion des Fremden im Raum des ‚Eigenen‘ hat der renommierte Ökonom und Wirtschaftshistoriker Werner SombartSombart, Werner in seinem berühmten, bis heute immer wieder aufgelegten mehrbändigen Werk Der modernemodern KapitalismusKapitalismus in den Mittelpunkt gerückt. Im ersten Band, der sich mit der Entstehung der kapitalistischen ÖkonomieÖkonomie in der vorkapitalistischen GesellschaftGesellschaft beschäftigt, untersucht der Autor im achten und letzten Abschnitt die Entstehung der Unternehmerschaft zu Anfang der NeuzeitNeuzeit. Dabei kommt er zu dem überraschenden Schluss, dass es neben dem vorkapitalistischen BürgertumBürgertum durchaus gesellschaftliche und kulturelle Randgruppen sind, die zur Entstehung der kapitalistischen Wirtschaft maßgeblich beigetragen haben, die religiösen ‚Ketzer‘, die Fremden und unter ihnen ganz besonders die JudenJuden. Ihnen widmet er ein eigenesEigentum Kapitel, weil sie in ihrem prekären Status dauerhafter Randständigkeit eine ganz besondere Rolle im okzidentalen Kontext eingenommen haben. Anders als SchmittSchmitt, Carl argumentiert Sombart wenigstens in diesem Buch keineswegs dezidiert antikapitalistisch, es geht ihm um eben die von SimmelSimmel, Georg begründete Fragestellung der sozialen Funktion des Fremden, der unter vormodernen Bedingungen im günstigsten Fall die Position eines zuweilen privilegierten, aber stets bedrohten AußenseitersAußenseiter (etwa in Gestalt des jüdischen, aber auch des griechischengriechisch oder armenischen HändlersHändler) einnimmt. Sombart, ursprünglich nationalliberal eingestellt, später ein politischer WandererWanderer zwischen links und rechts, enthält sich in seiner Gelehrsamkeit einer offenkundigen Wertung. Wenn man der hier ausgebreiteten, mit vielen Beispielen unterfütterten GeschichteGeschichte des modernen Kapitalismus eine programmatisch pejorative Wertung unterlegt, dann kommt aus einem ganz bestimmten Sichtwinkel die Figur des hässlichen Fremden und des Juden zum Vorschein, etwa wenn der Anteil und Beitrag der jüdischen Unternehmer an der Kolonisierung Amerikas geschildert wird.1
Manche der zitierten Passagen mögen heute unbehaglich, ja unkorrrekt anmuten, beschreiben indes die soziale Funktion des Fremden zunächst keineswegs ‚essenzialistisch‘ oder rassistisch, zum Beispiel als spezifische ethnischeEthnie Eigenschaft. Es ist die soziale Funktion, die im Mittelpunkt der Analyse steht.
Im Grundton kommt SombartsSombart, Werner Darstellung, auch wenn er nicht eigens auf den soziologischen DiskursDiskurs etwa SimmelsSimmel, Georg eingeht, diesem beträchtlich nahe. Seine kulturgeschichtliche Sichtweise bestimmter Fremder macht ihn schon vor der Machtergreifung Hitlers für das Lager der ‚Konservativen Revolution‘ zu einem gut rezipierbaren Theoretiker. Der Autor erwähnt zunächst einmal den Tatbestand der MigrationMigration selbst, den er, unverkennbar sozialdarwinistisch, als eine positive Auslese begreift:
Diejenigen Individuen, die sich zur Auswanderung entschließen, sind – zumal oder vielleicht: nur in den früheren ZeitenZeit, als jeder Ortswechsel und vor allem jede Übersiedlung in ein Kolonialland noch ein kühnes Unterfangen war – die tatkräftigsten, willensstärksten, wagemutigsten, kühlsten, am meisten berechnenden, am wenigsten sentimentalen Naturen; ganz gleich, ob sie wegen religiöser oder politischer Unterdrückung oder aus Erwerbsgründen sich zu der Wanderung entschließen.2
Wohlwollend in den heutigen politischen DiskursDiskurs übersetzt, bedeutet das: Der Migrant und die Migrantin sind besonders mobil, motiviert und flexibel. Sarkastisch gesprochen ließe sich auch sagen, dass sie damit durchaus einem Profil entsprechen, das im KapitalismusKapitalismus unserer Tage einen hohen Stellenrang einnimmt. Im Falle der heutigen MigrationMigration wird diese Möglichkeit freilich durch die bekannten staatlichen Schikanen verhindert. Was den entstehenden Kapitalismus der NeuzeitNeuzeit anbelangt, prädestiniert sie ihre Bereitschaft, die HeimatHeimat zu verlassen, SombartSombart, Werner zufolge dazu, unternehmerisch zu werden und damit einen gewissen ökonomischen Aufstieg zu erlangen, der lange nicht mit dem sozialen Status korrespondiert.
Die Migranten in frühkapitalistischer ZeitZeit erfüllen aber noch eine andere Tugend, die SombartSombart, Werner für die Entstehung des Unternehmers als eines soziokulturellen Typs für wichtig hält: ihren IndividualismusIndividualismus. Durch ihre MigrationMigration dokumentieren sie eindrucksvoll, dass sie sich im Gegensatz zu vielen Angehörigen ihrer verfolgten und benachteiligten religiösen, politischen oder kulturellen GruppeGruppe – Sombart erwähnt hier Hugenotten und JudenJuden – nicht anpassen wollen. Insofern haben sie, gewiss nicht ohne ZwangZwang, den Status der FremdheitFremdheit gewählt.
Dieser manifestiert sich im Zustand und Akt der Wanderung selbst, einer ErfahrungErfahrung, die Migranten von der Mehrheit der Bodenständigen unterscheidet. MenschenMensch, die fremdfremd sind, bringen also gute Voraussetzungen für die Entfaltung unternehmerischen Verhaltens mit; aber auch ihre Stellung als Fremde in der neuen HeimatHeimat scheint sie für die historisch neue Figur des kapitalistischen entrepreneurs zu prädestinieren. Das ist zum einen der „Abbruch aller alten Lebensgewohnheiten und Lebensbeziehungen“.3 Mit diesem Bruch hat das Herkunftsland für den Fremden aufgehört „eine WirklichkeitWirklichkeit zu sein“.4
Zu seiner neuen HeimatHeimat wiederum steht der Fremde in einer äußerlichen wie in einer inneren DistanzDistanz. Die KulturKultur, die er vorfindet, ist nicht von ihm geschaffen und verbleibt so in einer gewissen FremdheitFremdheit für ihn. Die neue Heimat kann demgemäß niemals mehr die unwiederbringlich verlorene alte sein. Distanziert ist der Fremde, der „in dem alten Kulturstaat“ – SombartSombart, Werner bezieht sich hier auf die prämodernen europäischen Staaten – lebt, aber auch deshalb, weil diese ständische OrdnungOrdnung ihm den Zugang zu bestimmten Berufen und vor allem die Teilnahme am öffentlichen LebenLeben verwehrt. Deshalb muss er sich beruflich selbst erfinden und wird nicht selten zum Projektemacher, wobei die Notwendigkeit des ökonomischen Überlebens eine handfeste Bedeutung besitzt. Sombart spricht das sehr plastisch, fast enthusiastisch aus, wenn er schreibt:
Es gibt für den Ausgewanderten – das gilt gleichermaßen für den EmigrantenEmigrant wie für den Kolonisten – keine VergangenheitVergangenheit, es gibt für ihn keine GegenwartGegenwart. Es gibt für ihn nur eine ZukunftZukunft. Und wenn erst einmal das GeldGeld in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist, so erscheint es fast als selbstverständlich, daß für ihn der Gelderwerb den einzigen Sinn wahrt als dasjenige Mittel, mit Hilfe dessen er sich seine Zukunft erbauen will. Geld erwerben kann er nur durch Ausdehnung seiner Unternehmertätigkeit.5
Es ist also auch die Not, die erfinderisch macht, sowie ein Bündel von ErfahrungenErfahrung, die mit FremdheitFremdheit zusammenhängen. Ähnlich