Daniel Stökl Ben Ezra

Qumran


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Varus, damals Gouverneur Syriens, Herr wird. (Dies ist der gleiche Varus, der später in der sogenannten Hermannsschlacht in Germanien mit seinen drei Legionen vernichtend geschlagen werden sollte). Dann wird das Land zwischen Herodes’ drei Söhnen als TetrarchenTetrarchen aufgeteilt. (Herodes) Archelaos (28 v. Chr. – 18 n. Chr.) erhält Judäa, Samaria und Idumäa, also das Kernland; (Herodes) Antipas (geb. vor 20 v. Chr. – gest. nach 39 n. Chr.) bekommt Galiläa und Peräa, während Philippos nur Iturien, den Golan und die Trachonitis erlangt, ein Gebiet, das in etwa dem Golan, Südsyrien und Nordjordanien entspricht. Dazwischen liegen die unabhängigen Städte der Dekapolis. Keiner trägt den Titel König.

      Wer in Jerusalem herrscht, bestimmt den Hohepriester. Doch schon im Jahre 6 n. Chr. wird Archelaos abgesetzt und nach Gallien verbannt. Seine Ländereien werden zur römischen Provinz Judäa mit einem PräfektPräfekten in Cäsarea Maritima an der Spitze (darunter Pontius Pilatus 26–36 n. Chr.). Herodes Antipas – der Herodes der lukanischen Passionsgeschichte in den Evangelien, der auch Johannes den Täufer hinrichten ließ – baut die Hauptstadt Galiläas, Sepphoris (hebr. Zippori) stark aus und gründet Tiberias am See Genezareth zu Ehren des Kaisers Tiberius. Auch er endet – bei Caligula in Ungnade gefallen – im gallischen Exil. Einzig Philippos bleibt bis zu seinem Tode im Jahr 34 an der Macht.

      Mit der direkten Fremdherrschaft durch Präfekte sind die verschiedenen Religionsparteien und -zirkel gezwungen, sich mit vorgesetzten Nichtjuden auseinanderzusetzen, die sogar den wichtigsten religiösen Funktionär, den Hohepriester, ernennen dürfen. |71|Auch ein anderes wichtiges religiöses Vorrecht, die Aufbewahrung der Kleider des Hohepriesters, ist dreißig Jahre lang (6–36) in römischer Hand.

      Mit der Machtergreifung von Caligula im Jahre 37 beerbt (Herodes) Agrippa IAgrippa I (10 v. Chr. – 44 n. Chr.), ein Enkel Herodes’ des Großen, den Tetrarchen Philippos, erhält die Gebiete des Antipas und die bisherige Präfektur und darf den Königstitel tragen (Ant. Iud. 18,143–19,359). Im Winter 39–40 kommt es beinahe zu einer Katastrophe. Auf die Zerstörung eines Kaiseraltars in Jamnia durch Juden reagiert der Kaiser Caligula mit dem Befehl, seine Statue im Jerusalemer Tempel aufzustellen. Nur durch die kluge Verzögerungstaktik des syrischen Gouverneurs Petronius, der die Brisanz des Befehls versteht, und durch die Ermordung des Kaisers in Rom wird in Judäa ein Aufstand vermieden. Sein Nachfolger Claudius schließt auch Judäa und Samaria in Agrippas Königreich ein. Da Agrippa kurz zuvor schon die Ländereien des in Ungnade gefallenen Antipas geerbt hat, ist das Reich Herodes’ des Großen fast wieder hergestellt. Die Pharisäer stehen seiner Regierung nahe und er wird als äußerst observant beschrieben. Doch währt dies nur drei Jahre.

      Mit Agrippas plötzlichem Tod im Jahre 44 (Apg. 12,18–23) macht Kaiser Claudius das gesamte Gebiet zu einer römischen Provinz unter Prokuratoren, die wenig Feingefühl für die Besonderheiten jüdischer Identität, stattdessen aber Tendenzen zur Selbstbereicherung an den Tag legen. Immer wieder versetzen nun messianische und sozialrevolutionäre Bewegungen und kriminelle Bandenmessianische und sozialrevolutionäre Bewegungen und kriminelle Banden das Land in Unruhe: Theudas (Ant. Iud. 20,97–99; Apg. 5,36), Jakobus und Simon (Ant. Iud. 20,102; Apg. 5,37), der „ägyptische“ Prophet (BJ 2,261–263; Ant. Iud. 20,169–172; Apg. 21,38), Zeloten und sicarii („Dolchträger“ von lat. sica „Dolch“). Josephus beschreibt den Zustand als stetig zunehmende Anarchie.

      Im Jahre 66 setzen sich antirömische Kräfte zunächst im Tempel durch, dann in Jerusalem und schließlich in ganz Judäa und Galiläa, und der größte Aufstand im römischen Imperium nimmt seinen tragischen Lauf. Galiläa fällt schon 67 in die Hände des römischen Oberbefehlshabers Vespasian, Peräa nur wenig später. Einige Städte, wie Sepphoris und Tiberias, öffnen dabei ihre Tore und bleiben verschont. Der spätere Historiker Josephus (gest. um 100 n. Chr.), zunächst General der Aufständischen in Galiläa, wird von den Römern gefangen genommen. Seiner Autorentätigkeit in den nächsten Jahrzehnten haben wir die großen Hauptquellen für diese Zeit zu verdanken (s.u., S. 75–85).

      Im Juni 68 erreichen Vespasians Truppen Jericho und somit auch Qumran (BJ 4,450–451). Im darauffolgenden Jahr wird Vespasian |72|zum Kaiser ausgerufen. Ihm folgt als neuer Oberbefehlshaber sein Sohn Titus, der im Tempelzerstörung (Sommer 70 n. Chr.)Sommer 70 nach langer Belagerung Jerusalem erobert und den Tempel zerstört. Letzte Bastionen, die Festungen Herodium und Machaerus, halten die Aufständischen noch länger, Masada gar bis 73/74.

      Mit der Zerstörung des Tempels verliert das antike Judentum sein geographisches, architektonisches, kulturelles und kultisches Zentrum. Gleichzeitig gewinnt es an Manövrierfähigkeit, da Extremisten nicht mehr einfach die Kontrolle dieses Zentrums an sich reißen können. Schon in den letzten beiden Jahrhunderten zuvor hatten Synagogenliturgie und Torastudium begonnen, für einige Juden neue Identifikationspunkte zu werden. Nolens volens galt dies nun für alle.

      Zwei weitere jüdische Aufstände datieren ins zweite Jahrhundert n. Chr. Diasporaaufstand 115–117Zwischen 115 und 117 erheben sich aus unbekannten Gründen Juden der ägyptischen, libyschen und zypriotischen Diaspora gegen Kaiser Trajan. Ihre Vernichtung bedeutet einen schweren Schlag für das hellenistische Judentum vor allem in Alexandrien, dem New York der Antike, aber lange nicht sein Ende. Vor allem in Griechenland und in Kleinasien haben Griechisch sprechende Gemeinden weiter existiert, ihre Texte sind aber leider nicht weiter überliefert worden.

      Nur fünfzehn Jahre später revoltieren wieder Juden in Judäa, vielleicht weil Hadrian die Beschneidung verboten hat oder weil er auf den Ruinen Jerusalems eine neue heidnische Stadt namens Aelia Capitolina zu errichten befohlen hat. Der Anführer dieses zweiter jüdischer Aufstand in Judäa (132–135)zweiten jüdischen Aufstandes in Judäa (132–135) ist ein gewisser Bar KosbaBar Kosba (oft Bar Kochba genannt). Er lässt sich zum eschatologischen Prinzen ausrufen und erobert, was von Jerusalem noch steht. Ein zweiter Historiker wie Josephus fehlt uns für diese Zeit, doch scheint der Aufstand auf entsetzlich blutige Weise niedergeschlagen worden zu sein. Jerusalem zu betreten, wird Juden verboten. Widerstandsnester in Wüstenhöhlen werden ausgehungert. Einige von diesen Fluchthöhlen werden in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts etwa zur gleichen Zeit wie Qumran entdeckt und ausgegraben; sie enthalten Briefe von Bar Kosba. Jüdisches Kernland wird nun Galiläa, wo im zweiten und dritten Jahrhundert die Tannaiten beginnen, die mündlichen Werke der rabbinischen Literatur zu redigieren und eine völlig neue Periode der jüdischen Geschichte einläuten.

      |73|5 Religiöse Bewegungen in Judäa

      S. auch Literatur in Kapiteln 6–9 (vor allem Taylor, Elior)

      Adam, Alfred, Antike Berichte über die Essener, Berlin ²1972.

      Baumgarten, Albert, The Flourishing of Jewish Sects in the Maccabean Era, Leiden 1997.

      Beall, Todd, Josephus’ Description of the Essenes Illustrated by the Dead Sea Scrolls, Cambridge 2004.

      Bergmeier, Roland, Die Essener-Berichte des Flavius Josephus, Kampen 1993.

      Cohen, Shaye, „The Significance of Yavneh. Pharisees, Rabbis, and the End of Jewish Sectarianism“, Hebrew Union College Annual 55 (1984) 27–53.

      Fraade, Steven „Qumran Yahad and Rabbinic Haburah. A Comparison Reconsidered“, Dead Sea Discoveries 16 (2009) 433–453.

      Goodman, Martin, Judaism in the Roman World, Leiden 2007.

      Kampen, John, The Hasideans and the Origins of Pharisaism, Atlanta 1988.

      Porton, Gary, Diversity in postbiblical Judaism, In: Kraft, Robert/Nickelsburg, George (Hgg.), Early Judaism and Its Modern Interpreters, Atlanta 1986, 57–80.

      Rabin, Chaim, Qumran Studies, Oxford 1957.

      Regev, Eyal, Sectarianism in Qumran: A Cross-Cultural Perspective, Berlin 2007.

      Saldarini, Anthony, Pharisees, Scribes and Sadducees in Palestinian Society, Grand Rapids 1988.

      Schwartz, Daniel, 2 Maccabees, Berlin 2008.

      Schiffman,