Michael Schredl

Traum


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Life-Style-Hypothese von Schonbar (1965) besagt, dass eine gute Traumerinnerung Teil eines Lebensstils ist. Personen, die kreativ, introvertiert sind, inneren Prozessen viel Aufmerksamkeit schenken, erinnern sich auch häufiger an Träume. Dieser Ansatz erklärt allerdings kaum, warum diese Personen sich im Prozess des Aufwachens besser an ihre Träume erinnern sollen als andere.

      Diesbezüglich ist die Interferenz-Hypothese von Cohen und Wolfe (1973) schon spezifischer. Unter Berufung auf die klassische Gedächtnistheorie wird hier postuliert, dass der Traum dann besser erinnert wird, wenn möglichst wenig Störungen zwischen dem Aufwachen und dem Berichten des Traumes liegen.

      Auch die Salience-Hypothese (Cohen / MacNeilage 1974) geht auf die klassische Gedächtnistheorie zurück. Das Wort „Salience“ kann mit „Bedeutung“ oder „Wichtigkeit“ übersetzt werden. Je salienter ein Traum, desto besser wird er erinnert. Auch hier gilt jedoch, dass die direkte Prüfung – wie es bei Gedächtnisaufgaben im Wachzustand ein Leichtes ist – nicht möglich ist. Der Ausgangspunkt (alle Träume) bleibt verborgen, nur die erinnerten Träume sind zugänglich.

      Etwas komplexer ist das Arousal-Retrieval-Modell von Koulack und Goodenough (1976). Es werden zwei Schritte angenommen, die zu einer erfolgreichen Traumerinnerung führen. Zunächst muss ein gewisser Wachheitsgrad vorliegen, d.h., die Person muss während des Traums oder unmittelbar danach aufwachen, zumindest für kurze Zeit, weil der Traum sonst nicht im Gedächtnis gespeichert wird. Im zweiten Schritt wird der Traum aus dem Zwischenspeicher dann komplett erinnert, wenn er besonders wichtig war und wenig Störeinflüsse vorhanden sind. Auch die Verdrängungshypothese wurde mit aufgenommen, besonders intensive und „verdrängungswürdige“ Träume werden nach diesem Denkansatz auch schlecht erinnert.

      Als Grundlage des Zustands-Wechsel-Modells (Koukkou/Lehmann 1980) dient ein Modell des Gehirns bzw. Bewusstseins, das verschiedene funktionelle Zustände mit zugehörigen Gedächtnisspeichern vorsieht. Die Zustände mit hoher Aktivierung („Wach“) können nur bedingt auf die Gedächtnisspeicher der niedrigeren Zustände („Schlaf“) zugreifen, während es umgekehrt keine Probleme gibt. Das würde bedeuten, dass Träume aus besonders aktiviertem Schlaf besser erinnert werden.

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      Messmethoden der Traumerinnerungshäufigkeit

      Um die empirischen Studien adäquat bewerten zu können, ist es wichtig, sich mit den Messmethoden sowie deren Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen. Im Wesentlichen kommen drei verschiedene Ansätze zum Zuge: Fragebogenskalen, Schlaf- bzw. Traumtagebücher, Schlaflaborweckungen.

      Die Vorgabe einer Fragebogenskala eignet sich vor allem für die Untersuchung großer Stichproben. Dabei werden sehr unterschiedliche Formate angewendet. So wurde z. B. bei einer Studie die Frage gestellt, ob man sich am Morgen dieses Tages an einen Traum erinnert hat, oder in einer anderen Studie nach der Zahl der Träume in den letzten vier Wochen gefragt. Mittlerweile haben sich dabei sogenannte Rating-Skalen bewährt, die in zwei Gruppen unterteilt werden. Die Antwortkategorien auf die Frage „Konnten Sie sich in der letzten Zeit an Ihre Träume erinnern?“ bestehen aus „nie“, „selten“, „manchmal“, „oft“ und „sehr oft“. Beim zweiten Skalentyp sind dagegen in der Skala explizit Häufigkeiten angeben, da es durchaus nicht der Fall sein muss, dass jede Person unter „selten“ oder „manchmal“ dieselbe Häufigkeit versteht:

Wie häufig erinnern Sie sich in der letzten Zeit (einige Monate) an Ihre Träume?
Ofast jeden Morgen
Omehrmals pro Woche
Oetwa einmal pro Woche
O2 bis 3mal im Monat
Oetwa einmal im Monat
Oweniger als einmal im Monat
Ogar nicht

      Obwohl die ↑ Korrelation zwischen diesen beiden Skalen sehr groß ist (r = .647, N = 444; Schredl et al. 2003a) zeigten die Studien doch, dass die Retest-Reliabilität (↑ Reliabilität) als Maß für die Messgenauigkeit bei den Skalen mit absoluten Kategorien (obiges Beispiel) höher ist (r = .85, N = 198, 55 Tage; Schredl 2004), während eine Skala mit relativen Kategorien nur einen Wert von r = .56 (Bernstein / Belicki 1995-96) lieferte. Das Hauptproblem bei der Anwendung solcher Skalen stellt die Fähigkeit der Probanden dar, sich retrospektive daran erinnern zu können, 16ob sie sich morgens nach dem Aufwachen an einen Traum erinnert haben. Die hohe Retest-Reliabilität lässt darauf schließen, dass trotzdem eine relativ genaue Schätzung möglich ist, da bei wiederholter Messung ähnliche Ergebnisse erzielt werden. Diese Befunde sprechen auch für stabile Unterschiede in der Traumerinnerung zwischen Personen.

      Bei der Tagebuchtechnik wird die Versuchsperson gebeten, jeden Morgen anzugeben, ob sie sich an mindestens einen Traum der Nacht erinnern kann. Dazu werden ebenfalls zwei verschiedene Formate verwendet: Zum einen sind das Checklisten, in die nur eingetragen werden muss, ob ein oder mehrere Träume erinnert wurden. Bei der anderen Technik wird die Person gebeten, den Trauminhalt aufzuschreiben. Der zweite Ansatz erhöht den Aufwand für die Versuchspersonen, vor allem für die Vielträumer, erheblich, sodass es nicht verwunderlich ist, wenn die Traumerinnerung nach einer Woche Tagebuchführen schon etwas absinkt, ein Befund, der sich bei dem Führen von Checklisten nicht zeigt (Schredl / Fulda 2005a). Obwohl die Korrelation zwischen Tagebuchmaß und Fragebogenskala mittelhoch ist (r = .562, N = 444, Schredl et al. 2003a), zeigen sehr viele Studien, dass – vor allem bei Personen mit niedriger Traumerinnerung zu Beginn der Studie – die Traumerinnerung durch die bewusste Aufmerksamkeitslenkung drastisch zunehmen kann (Schredl 2002). Durch die Tagebuchtechnik wird also zwar der Fehler, der durch Rückerinnerung entsteht, minimiert, aber durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Träumen die Traumerinnerung erhöht.

      Ganz besonders deutlich wird dies bei Traumweckungen im Schlaflabor. Bei gezielten Weckungen aus dem ↑ REM-Schlaf liegt die Berichtsrate bei über 80 % (Nielsen 2000), sodass bei vier oder fünf Weckungen pro Nacht sehr viel Material zusammenkommt. Trotz dieser dramatischen Steigerung durch Schlaflaborweckungen ist es so, dass Personen, die zu Hause wenig Träume berichten, auch im Labor weniger erinnern als die Hocherinnerer (46 % vs. 93 %; Goodenough et al. 1959).

      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Erhebungsmethoden hinsichtlich der Traumerinnerung, zufrieden stellend sind und sich die Ergebnisse verschiedener Studien miteinander vergleichen lassen.

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      Einflussfaktoren

      Es wurden sehr viele Studien durchgeführt, die untersucht haben, mit welchen Faktoren die Traumerinnerung zusammenhängt. Um die Darstellung etwas zu vereinfachen, wurden die Faktoren in zwei Gruppen eingeteilt: State-Faktoren und Trait-Faktoren.

      Definition

      State-Faktoren sind kurzfristig wirksame Einflüsse, wie z. B. Stress am Vortag oder nächtliches Erwachen, die vor allem für die Schwankungen der Traumerinnerung bei einer Person verantwortlich sein können, während Trait-Faktoren über die Zeit stabiler sind und Unterschiede zwischen verschiedenen Personen erklären können.

      Die wichtigsten Trait-Faktoren sind:

      • Soziodemographische Variablen (Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Status)

      • Genetische Faktoren

      • Persönlichkeitsfaktoren (Verdrängung, Neurotizismus, Ängstlichkeit, Introversion, Hypnotisierbarkeit, Absorption, „dünne“ Grenzen)

      • Kognitive Faktoren (Intelligenz, Gedächtnis, Phantasie, Kreativität)

      • Schlafverhalten

      • Einstellung zu Träumen

      Eine eigene Metaanalyse, die über 150 Studien von 1889 bis heute einschließt und aktuell in Arbeit ist, zeigt, dass sich Frauen im Schnitt häufiger an ihre Träume erinnern als Männer. Beim Alter zeigen Querschnittsstudien eine Abnahme der Traumerinnerung mit dem Alter, beginnend mit dem 30. Lebensjahr (z.B. Giambra / Jung / Grodsky 1996). Echte Längsschnittstudien, die Personen über 10 oder 20 Jahre verfolgen, wurden zu diesem Thema jedoch noch nicht durchgeführt. Der Literaturüberblick