Dabei wird die Person gebeten, den letzten Traum, an den sie sich erinnern kann, so ausführlich wie möglich aufzuschreiben. Dem geringen Aufwand dieser Methode steht jedoch auch ein Nachteil gegenüber. Die Person muss den Traum gut im Gedächtnis gespeichert haben, um ihn nach einem Tag oder auch Wochen und Jahren (je nach dem, wie lange der Traum zurückliegt) wiedergeben zu können.
Ähnlich sieht es beim Interview aus, wenn nach Träumen gefragt wird. Allerdings kommt noch die Interviewsituation selbst mit ins Spiel. Träume sind meist sehr persönlich und die Befragung durch eine fremde Person kann einen Einfluss darauf haben, was erzählt wird und was nicht (Cartwright/Kaszniak 1991). Einen Spezialfall der Interviewtechnik bilden die Therapieträume, die während einer laufenden Therapie von den betreffenden Patienten erzählt werden. Dabei sind mehrere Punkte zu beachten. Erstens werden meist nur Träume erzählt, die zum 23Therapieinhalt passen. Zweitens wird der Traum meistens nach der Sitzung vom Therapeuten aufgeschrieben, was zu Verzerrungen führen kann. Der dritte Punkt ist, dass Träume, die aus einer laufenden Therapie stammen, von den Inhalten der vorhergehenden Sitzungen beeinflusst sein können. So unterschieden sich die Träume von Personen in Jungscher gegenüber Personen in Freudscher Psychoanalyse sehr deutlich (Fischer 1978). Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den Traumlieferanten nicht um gesunde Personen handelt, sondern die Patienten häufig gerade eine schwierige Phase in ihrem Leben durchmachen. Aufgrund solcher Träume allgemeingültige Aussagen zu machen, ist sicher sehr zweifelhaft.
Um das Problem der Rückerinnerung zu minimieren, werden Traumtagebücher eingesetzt. Die Person wird gebeten, sofort nach dem Aufwachen – wenn möglich –, alle erinnerten Träume der Nacht niederzuschreiben. Stern et al. (1978) wiesen darauf hin, dass es dabei sehr wichtig ist, allen Versuchspersonen die gleichen Instruktionen zu geben. Schon eine Veränderung der Anweisung dahingehend, ob mehr auf Landschaften oder mehr auf Städte geachtet werden soll, hatte einen erheblichen Einfluss auf die nachfolgenden Trauminhalte. Da viele Menschen ihre Träume für sich aufschreiben, haben einige Traumforscher (Smith / Hall 1964; Domhoff 1996) dies als Möglichkeit genutzt und sehr lange Traumserien mit teilweise über 1000 Träumen analysiert. Aber auch hier ist zu beachten, dass die Aufzeichnungen nicht unbedingt eine repräsentative Auswahl an Träumen der betreffenden Person darstellen. Vielleicht hat sie nur besonders interessante Träume aufgeschrieben oder keine Zeit zum Schreiben gefunden, wenn gerade viel Stress im Alltag war.
Den direktesten Zugang zum Traumerleben bieten die Laborweckungen oder ↑ REM-Weckungen. Eine Nachtwache im Schlaflabor, die den ↑ EEG-Schreiber überwacht, wartet, bis die erste, zweite usw. REM-Phase auftritt, weckt den Probanden über die Gegensprechanlage nach 5 bis 15 Minuten und fragt: „Was ist Dir vor dem Aufwecken durch den Kopf gegangen?“
Die Ausbeute ist sehr hoch, da in über 80 % der Fälle Träume berichtet werden und vier bis fünf REM-Phasen pro Nacht auftreten. Die sogenannten Laborträume haben allerdings ebenfalls Nachteile. Weisz und Foulkes (1970) konnten nachweisen, dass Laborträume weniger sexuelle und aggressive Elemente enthielten als Hometräume, also Träume in häuslicher Umgebung, obwohl sie die Bedingungen konstant hielten: Sowohl im Labor als auch zu Hause wurde um 6:30 Uhr geweckt 24und der Traum von der Versuchsperson auf ein Tonband diktiert. Wahrscheinlich ist es die Atmosphäre im Schlaflabor (Nachtwache im Nachbarraum, Verkabelung, fremde Schlafumgebung), die einen beträchtlichen Einfluss auf die Träume ausübt. Ein zweiter Faktor wird in der Schlaflaborforschung meist nicht genügend berücksichtigt, obwohl er sehr markant ist. Viele der Träume handeln direkt (19,4 % , N = 2464 Träume; Schredl 1999) oder indirekt (38,4 %, N = 1753 Träume; Schredl 1999) von der Schlaflaborumgebung. Die Träume enthalten Referenzen auf den Versuchsleiter, die Elektroden, auf das Experiment allgemein usw. Diese zwei Punkte verdeutlichen, dass aufgrund von Laborträumen kaum Aussagen darüber gemacht werden können, wie die Menschen „normalerweise“ träumen. Es sind „künstliche“ Träume. Es gibt Versuche, diesen Nachteil zu vermeiden und apparative Techniken und Ableitsysteme im häuslichen ↑ Setting anzuwenden. Besonders elegant sind sogenannte Traumdetektoren, die aufgrund einer Messelektronik REM-Phasen aufspüren und dann die Person automatisch wecken. So können auch im heimischen Bett viele Träume gewonnen werden, allerdings ist die Messtechnik noch nicht sehr präzise, sodass es zu falschen Alarmen kommt.
Für die Auswahl einer Erhebungsmethode ist, wie gesagt, die genaue Fragestellung der Studie entscheidend. Werden große Traummengen aus dem Alltag benötigt, sind Fragebogen oder Tagebücher geeignet. Möchte man physiologische Parameter wie Herzschlag oder Atemfrequenz mit den Trauminhalten in Beziehung setzen, ist die Labortechnik die Methode der Wahl.
Trauminhaltsanalyse
Nun stellt sich die Frage, wie die gewonnenen Traumberichte schließlich ausgewertet werden. Um die Trauminhaltsanalyse durchführen zu können, müssen die Träume aufbereitet werden, so werden z. B. Wiederholungen (vor allem in verbalen Protokollen) und Bemerkungen, die nicht zum eigentlichen Traumerleben gehören wie „mein Bruder, den ich gestern getroffen habe“, herausgenommen und der ganze Traum abgetippt, um den Beurteilern die Arbeit zu erleichtern und die größtmögliche Anonymität zu gewähren.
Bevor die Ideen und Ziele der Trauminhaltsanalyse im Einzelnen erläutert werden, soll ein fiktives Beispiel die Herangehensweise verdeutlichen. Schritte bei der Trauminhaltsanalyse: 25
1. Fragestellung formulieren, z. B. Träumen Männer häufiger von körperlicher Aggression als Frauen?
2. Entwicklung einer Skala (oder Anwenden einer bereits vorhandenen Skala) – Wichtig: Skala vor Anwendung entwickeln!!
3. Erhebung der Träume
– Stichprobe (z. B. Studierende)
– Welche Methode der Traumerhebung (Tagebuch, Labor)
4. „Blinde“ Analyse der Traumberichte (Stichwort Interrater-Reliabilität)
5. Statistische Auswertung
6. Interpretation
Ein Psychotherapeut unterhält sich mit seinem wissenschaftlich arbeitenden Kollegen über seinen Eindruck, dass in den Träumen von depressiven Patienten häufiger das Thema Zurückweisung vorkommt als in Träumen von nicht depressiven Menschen. Um diese Hypothese zu prüfen, fragt der Wissenschaftler den Therapeuten, was er unter Zurückweisung versteht; nicht nur auf der theoretischen Ebene, sondern er soll sich möglichst konkrete Szenen ausdenken, die eine Zurückweisung enthalten. Diese Szenen werden alle aufgelistet, sodass eine Skala ersteht, die der beurteilenden Person die folgende Einschätzung ermöglichen soll: „Ja“, nach den vorgegeben Kriterien liegt in diesem Traum eine Zurückweisung vor, oder „Nein“, es liegt keine Zurückweisung vor. Dann sammelt der Forscher jeweils 100 Traumberichte von depressiven Patienten und nicht depressiven Personen. Die Berichte werden dann „gemischt“, sodass die beurteilende Person nicht weiß, von welcher Gruppe der zu beurteilende Traumbericht stammt. Nach dem alle 200 Traumberichte eingeschätzt wurden, wird vom Forscher ausgezählt, wie viele Träume der depressiven Patienten im Vergleich zu denen der gesunden Kontrollgruppe Zurückweisungen enthalten, z. B. 25 % vs. 5 %. Dieser Unterschied kann dann durch ein statistisches Verfahren (hier der Chi-Quadrat-Test) dahingehend überprüft werden, ob der Unterschied möglicherweise nur durch Zufall zustande gekommen ist.
Kernaussage
Das Beispiel verdeutlicht das wichtigste Ziel der Inhaltsanalyse: Es werden bestimmte Merkmale der Berichte in Zahlen überführt, um nachfolgend statistische Analysen durchführen zu können. Wird die Methode konsequent angewendet (Entwicklung einer Skala, Erhebung und Mischen der Traumberichte, Beurteilung durch eine 26Person, die die Gruppenzugehörigkeit nicht kennt) genügt sie den Standardkriterien wissenschaftlichen Arbeitens. So kann die Analyse mit neuen Berichten wiederholt werden, weil die Skala als Text niedergelegt ist. Des Weiteren kann man Kennwerte für die Messgenauigkeit angeben (siehe dazu die folgenden Abschnitte).
Das Vorgehen ist hypothesengeleitet, sodass Theorien damit empirisch überprüft werden können. Allerdings ist es sehr wichtig, dass der Forscher die Skala vor Kenntnis des Traummaterials entwickelt und formuliert, sonst misst die Skala genau das, was der Forscher im Material „gesehen“ hat.