Kriegs (171–168 v. Chr.) brachte in einer neuen Welle griechische Kunst- und Literaturwerke sowie viele gebildete Griechen nach Rom, die Zugang zu politisch und intellektuell führenden Kreisen bekamen. Von nachhaltiger Wirkung waren die Vorträge des pergamenischen Grammatikers und (stoischen) Philosophen Krates von Mallos, als er als Gesandter des Königs Attalos II. 168/167 v. Chr. in Rom war. Er war einer der Lehrer des stoischen Philosophen Panaitios von Rhodos (ca. 185–109 v. Chr.), der lange Zeit in Rom lebte und mit P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus (ca. 185–129 v. Chr.) und dessen Freunden Kontakt hatte. Ähnliches gilt für den griechischen Historiker Polybios (ca. 200–120 v. Chr.), der als eine von 1000 griechischen Geiseln nach dem Dritten Makedonischen Krieg nach Rom kam und ebenfalls mit Scipio Africanus in freundschaftlichem Verhältnis stand. Ein weiteres entscheidendes Ereignis für den griechisch-römischen Kulturaustausch war 155 v. Chr. eine athenische ‚Gesandtschaft‘ von drei Philosophen nach Rom, die aus dem Akademiker Karneades, dem Stoiker Diogenes von Babylon und dem Peripatetiker Kritolaos bestand.
Diese kulturellen Transfers führten dazu, dass Rom als neues intellektuelles Zentrum des Mittelmeerraums in Erscheinung trat, zusätzlich zu politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. In dieser Periode, der dynamischsten der kulturellen Adaption, kam ein Bewusstsein des Unterschieds zwischen der griechischen und der römischen Lebensweise auf. Im ersten Jahrhundert v. Chr. begannen römische Intellektuelle dann, Roms kulturelle Leistungen im Vergleich mit denen der Griechen zu messen und über ihre eigenen Traditionen zu reflektieren.
Die ersten Aufführungen literarischer Dramen in Rom in der Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr. fallen in eine größere hellenisierende Phase, und die ersten Dramatiker in Rom waren Griechen oder ‚Halb-Griechen‘ (Suet. gramm. 1,2), das heißt, sie kamen aus Gebieten außerhalb Roms, die unter griechischem Einfluss standen (vor allem über die griechischen Siedlungen in Magna Graecia). Zwar sind auch italische Darstellungstraditionen in die dramatische Dichtung der Römer eingegangen, vor allem aus der etruskischen und der oskischen Kultur (▶ Kap. 2.3), aber die Etrusker und die Osker fungierten zugleich als indirekte Übermittler der griechischen Kultur. Süditalien kann als ein Schmelztiegel einer kulturellen Mischung bezeichnet werden, die ein signifikanter Faktor bei der Herausbildung der letztlichen Form des römischen literarischen Dramas war.
Während diese kulturellen Erfahrungen die ersten Dramatiker in Rom beeinflusst haben werden, gibt es kaum Spuren ihrer lokalen Sprachen in den erhaltenen Texten, obwohl Latein erst zu einer Literatursprache ausgestaltet werden musste, als das römische Drama aufkam. Hingegen übernahmen andere Völker des Mittelmeerraums mit Elementen der griechischen Literatur auch die griechische Sprache. Stattdessen entschieden sich die Römer bei der Einführung literarischer Dramen für deren Umsetzung ins Lateinische. Dadurch entfaltete sich die Sprache der Römer zu einem literarischen Idiom; auf dieser Basis konnten eine Nationalliteratur auf Latein und eine römische literarische Tradition entstehen.
2.2. Das griechische Theater und Rom
Aufgrund der unmittelbaren Konfrontation mit den spezifischen Darstellungsformen der Nachbarvölker und dem hochentwickelten Theaterwesen der Griechen durchliefen die Hauptgattungen des römischen Dramas nicht eine allmähliche und eigenständige Entwicklung von kleinen Anfängen bis zu komplizierten Formen; vielmehr folgte auf vorliterarische und schattenhafte Anfänge unmittelbar ein relativ fortgeschrittenes literarisches Stadium, das in römischen Versionen von Dramen bestand, die aus einem anderen kulturellen Kontext mit einer langen literarischen Theatertradition übernommen wurden.
Durch die Umsetzung griechischer Stücke ins Lateinische führten römische Dichter die Kunst der literarischen Übersetzung als einen künstlerischen Prozess in Europa ein, also ‚Übersetzung‘ nicht im Sinne einer wortwörtlichen Umsetzung, sondern als Übertragung der Bedeutung und Struktur von Szenen oder ganzer Dramen. Durch diesen kulturellen Transfer schufen sie selbstständige Werke, die auf Modellen in einer anderen Sprache basierten. Die sich entwickelnde Literatur Roms entstand also durch den Entschluss, literarische Werke einer anderen europäischen Kultur zu adaptieren. Entsprechend demonstrieren die Entscheidungen der ersten Dichter, was sie adaptierten und wie sie es für die römische Gesellschaft umsetzten, ihre ersten eigenständigen künstlerischen Schritte.
Als die Römer anfingen, sich mit dem griechischen Drama auseinanderzusetzen, hatte dieses bereits seine kosmopolitische Anziehungskraft erwiesen. Denn das griechische Drama (besonders die Tragödie und die Neue Komödie) konnte trotz seiner Verankerung im griechischen Mythos bzw. Ambiente wegen seines Potenzials für Universalität und Adaption gut von anderen Völkern übernommen werden. Dass sich Stücke bei Wiederaufführungen vom Original entfernen mögen, etwa durch Schauspielerinterpolationen, ist für Athen erkennbar an den Bemühungen des Lykurgos in der Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr., ein offizielles Exemplar der Texte der drei großen Tragiker zu erstellen ([Plut.] vit. X orat. 841F). Da Wiederaufführungen klassischer athenischer Dramen in der griechischen Welt außerhalb Athens in hellenistischer Zeit in Bezug auf Textform und Aufführungspraxis an den zeitgenössischen Geschmack angepasst gewesen sein werden, wird das griechische Drama, das die Römer im hellenisierten Süditalien kennenlernten, sich von den klassischen athenischen Versionen unterschieden haben.
Auf jeden Fall ergab sich so ein direkter Zugang zu griechischen Dramen, wenn vielleicht auch nicht in ihrer ursprünglichen Form. Denn um eine Auswahl der zu übertragenden Dramen treffen zu können, müssen römische Dichter mit griechischen Stücken vertraut gewesen sein, durch Aufführungen oder die Lektüre von Dramentexten. Auch wenn für einige römische Dramen mit einer auf einer griechischen Geschichte basierenden Handlung kein bekanntes griechisches Vorbild zu finden ist, ist feststellbar, dass den meisten, für die sich griechische Modelle identifizieren lassen, Stücke von Dramatikern zugrunde liegen, die bereits in Griechenland etabliert und zu Theaterklassikern geworden waren. Römische Tragödien, die auf weniger bekannten Mythen basieren, folgen entweder ‚nachklassischen‘, ‚nach-euripideischen‘ bzw. ‚hellenistischen‘ Vorbildern oder sind selbstständige römische Schöpfungen, entwickelt auf der Basis mythischer Erzählungen nach dem strukturellen Modell griechischer Stücke. Eine besondere Rolle nicht-klassischer griechischer Stücke bei der Auswahl mythischer Geschichten und Versionen lässt sich nicht nachweisen. Das zeitgenössische griechische Theater hatte vermutlich mehr Einfluss auf den Aufführungsstil als auf das Repertoire.
Karte
Karte des Römischen Reiches mit Grenzen des 1.–2. Jh.s n. Chr. und Eintragung aller bekannten antiken Stätten mit griechischen oder römischen Theatern
2.3. Italische Traditionen
Neben ihrer Funktion als indirekte Übermittler griechischer Kultur hatten die Etrusker eine eigene kulturelle Tradition, mit der die Römer in Berührung kamen. Da es kaum schriftliche Quellen der Etrusker gibt, müssen Details anhand archäologischer Zeugnisse und Bemerkungen nicht-etruskischer Autoren erschlossen werden. Daher bleiben, auch wenn moderne Forscher von einem bedeutenden Einfluss der etruskischen Kultur auf das römische Drama ausgehen, Einzelheiten schwer zu bestimmen.
Nach den archäologischen Befunden waren die Etrusker seit dem achten Jahrhundert v. Chr. mit den Protagonisten griechischer Mythen vertraut. Jedenfalls finden sich bei ihnen bildliche Darstellungen griechischer Mythen, die sie offenkundig interessant fanden oder in denen sie Probleme behandelt sahen, die für ihr Zusammenleben relevant waren.
Außerdem scheinen die Etrusker wichtige Ereignisse ihrer Geschichte abgebildet zu haben. Bilder in der Tomba François in Vulci (ca. 330–310 v. Chr.) zeigen eine Kombination von Szenen aus dem griechischen Mythos, Repräsentationen des Etruskers, der das Grab bauen ließ, sowie Kämpfe zwischen Vertretern verschiedener etruskischer Städte. Solche Bilder weisen auf ein Bestreben hin, historischen Ereignissen einen künstlerischen Erinnerungsrahmen zu geben. In Rom sollte die künstlerische Repräsentation historischer Ereignisse für Bildkunst und Literatur charakteristisch werden. Die Repräsentation griechischer Mythen, die einen Bezug zu lebensweltlichen Problemen