Gesine Manuwald

Römisches Theater


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fabulae Rhinthonicae als eine Form des komischen und/oder lateinischen Dramas (Don. com. 6,1; zu Ter. Ad. 7; Euanth. fab. 4,1; Lyd. mag. 1,40; [Caes. Bass.], GL VI, p. 312,7–9 [= Rhinthon, T 5 Kassel/Austin]). Diese Lokalisierung basiert wahrscheinlich auf der Beobachtung, dass Dramen dieser Art in Italien aufgeführt wurden. Es gibt jedoch keine eindeutigen Belege für die Präsenz der fabula Rhinthonica in Rom.

      Ein anderer Typ unterhaltender Bühnenpräsentation, der Mimus, wurde in Italien durch Griechen im Süden und in Sizilien eingeführt: Mimen gab es in Griechenland seit der archaischen Zeit, und sie deckten ein weites Spektrum von Aufführungen ab, im Wesentlichen basierend auf Improvisation und Virtuosität. Griechische Mimen benutzten eine einfache dorische Sprache; sie beinhalteten Gesang, Tanz, Imitation alltäglicher Situationen und pantomimische Repräsentationen mythischer Szenen (z.B. Xen. symp. 9,1–7). Die Themen waren in der Regel erotisch, burlesk oder fantastisch; die Handlung spielte oft in der schlichten Umgebung durchschnittlicher Familien und Handwerker. Der Mimus wurde durch den Sizilier Sophron im fünften Jahrhundert v. Chr. literarisch, während vorliterarische improvisierte Mimen vermutlich weiterbestanden. Auch wenn der Mimus nie den Status und die weite Verbreitung der athenischen Tragöde und Komödie erreichte, wurde er als ein unabhängiges dramatisches Genre geschätzt und überlebte lokal. Vom dritten Jahrhundert v. Chr. an wurde der Mimus über die dorischen Siedlungen in Süditalien und Sizilien in ganz Italien bekannt (▶ Kap. 4.6).

      Bei den Oskern gab es ebenfalls eine Version des populären leichten Dramas, fabula Atellana, benannt nach der oskischen Stadt Atella in Kampanien, wo diese Gattung nach den Angaben späterer römischer Autoren herkam (Liv. 7,2,11–12 [▶ T 1]; Val. Max. 2,4,4; Diom. ars 3, GL I, pp. 489,14–490,7; Euanth. fab. 4,1). Die oskische Atellane scheint ursprünglich eine burleske Farce gewesen zu sein, die merkwürdige Erlebnisse stereotyper komischer Figuren zeigt (Tac. ann. 4,14,3). Schon die Typen verweisen auf einen derben Charakter und einen auf Lächerlichkeit abzielenden Inhalt. Ursprung und Details der Einführung der Atellane in Rom sind unsicher: Sie mag sich unter dem Einfluss von Formen des griechischen leichten Dramas entwickelt haben, und es ist vermutet worden, dass oskische Handwerker, vor allem Walker, die Atellane im Verlauf des dritten Jahrhunderts v. Chr. nach Rom gebracht haben (▶ Kap. 4.5).

      Im frühen Rom gab es die sogenannten Fescenninischen Verse, wahrscheinlich benannt nach der faliskischen Stadt Fescennia. Dabei handelt es sich um improvisierte und responsive Wechselgesänge in Versen mit Spott und Scherz. Sie wurden als rustikal betrachtet und besonders bei Hochzeiten oder Erntefesten aufgeführt; ursprünglich scheinen sie apotropäische Funktion gehabt zu haben (Liv. 7,2,7 [▶ T 1]; Hor. epist. 2,1,145–149; Porph. zu Hor. epist. 2,1,145; Fest., p. 76 L.; Macr. Sat. 2,4,21; Serv. zu Verg. Aen. 7,695; Diom. ars 3, GL I, p. 479,13).

      Als erstmals Dramen in Rom aufgeführt wurden, die nach einer griechischen Vorlage gestaltet waren, werden die Römer also bereits sowohl eine eigene Bühnentradition gehabt haben als auch mit anderen italischen Traditionen in Berührung gekommen sein. Dabei handelt es sich eher um burleske, komische, improvisierte Aufführungen, mit einer bedeutsamen Rolle von Musik und Tanz, drastischen und einfachen Kostümen und einer schlichten Bühne, aber ohne eine lineare narrative Handlung. Das (im Vergleich zum griechischen Drama) verstärkte musikalische Element in der literarischen Komödie in Rom und die Vorliebe für Szenen mit Situationskomik werden häufig als Reflexionen des populären italischen Dramas angesehen.

      2.4. ‚Literarisches‘ Drama in Rom

      Die Römer haben sich selbst mit der Frage beschäftigt, wie es dazu kam, dass in ihrer Kultur das ‚römische literarische Drama‘ entstand. Die ausführlichsten, aber auch schwierigsten Quellen für das vorliterarische und frühe literarische Drama in Rom sind ein Kapitel bei dem Historiker Livius (Liv. 7,2 [▶ T 1]) und die parallele, jedoch leicht abweichende Darstellung bei Valerius Maximus (Val. Max. 2,4,4), die wahrscheinlich beide auf Werke des spätrepublikanischen Gelehrten Varro zurückgehen (vgl. auch z.B. Hor. epist. 2,1,139–167; Aug. civ. 2,8; Oros. 3,4,5; Tert. spect. 5,5; Plut. qu. R. 107 [289D]). Elemente des von Livius geschildeten Ablaufs stimmen überein mit Informationen in anderen literarischen Quellen oder mit dem, was generell für das Aufkommen dramatischer Aufführungen plausibel ist. Auch wenn Details des Szenarios auf Rekonstruktionen von Interpreten aus spätrepublikanischer und frühaugusteischer Zeit basieren, mag eine solche Darlegung einen Kern authentischer Information enthalten.

      Livius beschreibt, wie zunächst als Reaktion auf eine Pestepidemie 364 v. Chr. in religiös motivierter Absicht etruskische Tänzer nach Rom geholt wurden, wo Schauspiele außerhalb des Circus vorher nicht bekannt waren, sich dann allmählich in Auseinandersetzung mit bestehenden Traditionen die verschiedenen Formen des republikanischen Dramas entwickelten und das Theater in Rom zu einer einflussreichen Einrichtung wurde.

[1] et hoc et insequenti anno C. Sulpicio Petico C. Licinio Stolone consulibus pestilentia fuit. eo nihil dignum memoria actum, [2] nisi quod pacis deum exposcendae causa tertio tum post conditam urbem lectisternium fuit; [3] et cum vis morbi nec humanis consiliis nec ope divina levaretur, victis superstitione animis ludi quoque scenici – nova res bellicoso populo, nam circi modo spectaculum fuerat – inter alia caelestis irae placamina instituti dicuntur; [4] ceterum parva quoque, ut ferme principia omnia, et ea ipsa peregrina res fuit. sine carmine ullo, sine imitandorum carminum actu ludiones ex Etruria acciti, ad tibicinis modos saltantes, haud indecoros motus more Tusco dabant. [5] imitari deinde eos iuventus, simul inconditis inter se iocularia fundentes versibus, coepere; nec absoni a voce motus erant. [6] accepta itaque res saepiusque usurpando excitata. vernaculis artificibus, quia ister Tusco verbo ludio vocabatur, nomen histrionibus inditum; [7] qui non, sicut ante, Fescennino versu similem incompositum temere ac rudem alternis iaciebant, sed impletas modis saturas descripto iam ad tibicinem cantu motuque congruenti peragebant. [8] Livius post aliquot annis, qui ab saturis ausus est primus argumento fabulam serere, idem scilicet – id quod omnes tum erant – suorum carminum actor, [9] dicitur, cum saepius revocatus vocem obtudisset, venia petita puerum ad canendum ante tibicinem cum statuisset, canticum egisse aliquanto magis vigente motu quia nihil vocis usus impediebat. [10] inde † ad manum cantari histrionibus † coeptum diverbiaque tantum ipsorum voci relicta. [11] postquam lege hac fabularum ab risu ac soluto ioco res avocabatur et ludus in artem paulatim verterat, iuventus histrionibus fabellarum actu relicto ipsa inter se more antiquo ridicula intexta versibus iactitare coepit; unde exorta quae exodia postea appellata consertaque fabellis potissimum Atellanis sunt; [12] quod genus ludorum ab Oscis acceptum tenuit iuventus nec ab histrionibus pollui passa est; eo institutum manet, ut actores Atellanarum nec tribu moveantur et stipendia, tamquam expertes artis ludicrae, faciant. [13] inter aliarum parva principia rerum ludorum quoque prima origo ponenda visa est, ut appareret quam ab sano initio res in hanc vix opulentis regnis tolerabilem insaniam venerit. [1] Sowohl in diesem als auch im folgenden Jahr (unter dem Konsulat des C. Sulpicius Peticus und C. Licinius Stolo [364 v. Chr.]) grassierte eine Seuche. Daher geschah nichts der Erwähnung Wertes, [2] außer dass damals, um den Frieden der Götter zu erflehen, zum dritten Mal seit Gründung der Stadt eine ‚Göttermahlzeit‘ [lectisternium] stattfand. [3] Und als die Gewalt der Krankheit weder durch menschliche Ratschläge noch durch göttliche Hilfe gemildert wurde, sollen, da die Gemüter dem Aberglauben erlegen waren, auch Bühnenspiele – eine neue Sache für das kriegerische Volk, denn es hatte nur Spiele im Circus gegeben – neben anderen Mitteln zur Besänftigung des göttlichen Zorns eingeführt worden sein. [4] Im Übrigen war die Sache auch klein, wie fast alle Anfänge, und sie war auch noch ausländisch. Ohne jeglichen Dichtertext, ohne dass man solche Inhalte durch Gebärdenspiel dargestellt hätte, boten aus Etrurien geholte Tänzer, zu den Weisen des Flötenspielers tanzend, nicht unelegante Bewegungen nach etruskischer Art dar. [5] Dann begannen die jungen Leute sie nachzuahmen, indem sie gleichzeitig untereinander in kunstlosen Versen Scherze von