sollen auch Forschungsresultate durch eine zusätzliche Überprüfung, z.B. eine Beobachtung von Kunden in einem Shopping-Center, durch eine ergänzende Analyse, z.B. Interviews mit dem Management, gestärkt werden.
Wesentliche Gefahren bei der Arbeit mit qualitativen Methoden ist die Ausblendung (weiße Flecken), indem Phänomene, die nicht in die eigene Theorie passen, schlicht nicht wahrgenommen werden. Eine andere Gefahr ist auch, dass zu viele Erkenntnisse, die gar nicht aus der Forschung abgeleitet werden können, in die Resultate hineininterpretiert werden. Ein Beispiel ist die Attribution des Nachfrage-Trends „Multioptionalität“ in die Beobachtung des Gepäckes von Feriengästen in einem Alpen-Resort. Vielleicht wird dabei übersehen, dass der größte Teil der mitgebrachten Sportartikel gar nie gebraucht werden und nur als Rettungsanker für Aktivitäten bei anhaltend schlechtem Wetter dienen.
METHODENEINSATZ IM TOURISMUS
Im Tourismus kommen häufig die in Abbildung 4 dargestellten Methoden zum Einsatz:
Wissenschaftliche Resultate müssen den Anforderungen der Validität und Reliabilität genügen. Reliabilität bedeutet, dass die Methoden und Verfahren sicherstellen, dass das Resultat in dem Sinne „nachvollzogen“ werden kann, dass immer wieder das gleiche Resultat erreicht wird. So sollten aufgrund einer statistisch sauber gewählten Stichprobe gewonnene Resultate im Rahmen der statistischen Schwankungsbreiten durch andere Stichproben nachvollzogen werden können.
Validität bedeutet die Gültigkeit der Resultate, d.h sie haben eine Aussagekraft für den gewählten Kontext resp. die Forschungsfrage. So ist beispielsweise ein Prognosemodell für die Umsätze von Bergbahnunternehmen auf der Basis von Logiernächtedaten für Gebiete mit hohem Tagestourismusanteil nicht valide.
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Abbildung 4: Methodeneinsatz im Tourismus
In einem Forschungsprozess werden immer Hypothesen gebildet. Dabei können diese als gültig anerkannt werden, so lange keine andersartigen Resultate dagegen sprechen (Falsifikation, vgl. Popper 1972). Oft erfolgt in einem Forschungsprozess ein Wechselspiel zwischen Induktion und Deduktion (vgl. Abbildung 5).
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Abbildung 5: Vorgehen bei einer wissenschaftlichen Analyse
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2. Das Phänomen Tourismus
2.1. Definition und Abgrenzung des Phänomens Tourismus
2.1.1. Angebotsseitige und nachfrageseitige Definitionen
Für die Definition des „Tourismus“ bestehen heute auf konzeptionell abstrakter Ebene weitgehend gemeinsame Auffassungen. Sobald es in der Praxis und der wissenschaftlichen Gemeinschaft um die konkrete Abgrenzung in einem Forschungsprojekt geht, fehlen jedoch oft konkrete, operationalisierbare Kriterien. So bestehen heute beispielsweise auf internationaler Ebene zwischen den beiden wichtigen Organisationen UNWTO (World Tourism Organization, intergouvernementale Organisation mit einzelnen Ländern als Mitglieder) und WTCC (World Travel and Tourism Council, internationale Dachorganisation der Tourismusindustrie mit Unternehmen als Mitglieder) unterschiedliche Auffassungen, wie einzelne Komponenten , beispielsweise die Ausgaben für den Autoverkehr für Ferienreisen oder Ausgaben für den Bau von Zweitwohnungen, dem Tourismus zuzurechnen sind. Der WTCC rechnet diese Ausgabe beispielsweise in seinem Satellitenkonto (vgl. Abschnitt 2.4) ein.
Ebenfalls bestehen oft Unsicherheiten bei regionalen Projekten, wer als Tourist aufgefasst werden soll und wer nur ein Freizeitgast aus der Region ist. So stellen verschiedene Forscher (z.B. Leiper 1979; Heeley 1980) fest, dass trotz vielen gemeinsamen Ansätzen keine umfassend gültige und akzeptierte Definition für Tourismus besteht. Dies wird teilweise auch darauf zurückgeführt, dass es von Regierungsstellen, Verbänden etc. zu viele und teilweise zu sehr durch eigene Interessen und Perspektiven getriebene Definitionen gibt (vgl. Smith 1988).
Grundsätzlich ergeben sich zwei Hauptansätze für die Definition des Tourismus: einen angebotsorientierten und einen nachfrageorientierten.
Angebotsseitige Tourismusdefinitionen setzen wie die Abgrenzung anderer Wirtschaftssektoren bei den Eigenheiten von Anbietern an. Entsprechend kann Tourismus als Industrie definiert werden, die aus den Unternehmen besteht, welche Leistungen für die Bedürfnisse und Anliegen von Touristen erbringen (vgl. Leiper 1979). Viele Branchen erbringen jedoch Leistungen nicht ausschließlich für Touristen. Restaurants haben beispielsweise auch Einheimische als Kunden. Lokale Einkaufsgeschäfte bedienen aber oft auch Touristen. Entsprechend wird eine Strukturierung der Tourismusindustrie in 3 Teile (Tiers) empfohlen (vgl. Smith 1988, 183).
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Abbildung 6: Angebotsseitige Struktur des Tourismus
Quelle: Smith 1988, 183
Angebotsseitige Definitionen des Tourismus sind bei der Abgrenzung des Sektors im Zusammenhang mit der Erfassung seiner wirtschaftlichen Effekte sowie für die Diskussion wirtschaftspolitischer Maßnahmen von Bedeutung. Die Schwäche des Ansatzes besteht darin, dass sich Tourismusanbieter nicht durch spezifische Produktionsbedingungen wie beispielsweise die Landwirtschaft abgrenzen lassen. Im Endeffekt ist der gemeinsame Nenner der Konsum durch Touristen, womit angebotsseitige Tourismusdefinitionen indirekt doch wieder bei der Nachfrageseite ansetzen.
Nachfrageseitige Definitionen setzen bei der Frage an, wer ein Tourist ist. Der Tourist wird dabei als Person verstanden, welche eine Reise außerhalb ihres gewohnten Arbeits- und Lebensumfeldes unternimmt (vgl. u.a. Jafari 1977, 6: „Tourismus ist das Studium von Menschen außerhalb ihrer normalen Lebensumgebung …“ [frei übersetzt]). Schon 1963 wurde von einer Konferenz der vereinten Nationen über internationale Reisen und Tourismus eine Definition empfohlen, die alle Personen umfasst, die ein Land besuchen, das nicht |32◄ ►33| ihr normales Herkunftsland ist (vgl. Gee/Makens/Choy 1997, 11). Alle diese Personen werden als Besucher (visitors) definiert.
Die U.N. (United Nations) definiert „Touristen“ als Personen, die sich mindestens eine Nacht und maximal ein Jahr ausserhalb des gewohnten Lebensumfeldes aufhalten. Geschäfts- und Konferenzreisen werden in diese Definition miteinbezogen (Goeldner/Ritchie 2008). Damit wird eine statistisch klar erfassbare Unterscheidung geschaffen. Übernachtungen werden weltweit nach gleichen Standards der UNWTO erfasst.
Mit einem breiteren Begriff „Ausflügler“ werden auch Tagestouristen erfasst. Tagestouristen sind in vielen Tourismusregionen im Einzugsgebiet großer Ballungszentren von herausragender Bedeutung.
Die Frage der Abgrenzung des „gewohnten“ Lebensumfeldes stellt sich natürlich vor allem bei Tagesbesuchern und Inlandtouristen. Erwähnt werden u.a. folgende Kriterien (vgl. Freier 2009):
• Ort: Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und Rückkehr Ein Ort, der jede Woche aufgesucht wird, qualifiziert sich eher als „gewohntes” Umfeld.
• Zeit: Vorübergehend, d.h. mind. eine Nacht und maximal ein Jahr Je länger die Reise dauert, desto weniger qualifiziert sich der aufgesuchte Ort als vorübergehender Aufenthaltsort.
• Motive: Vergnügen und Geschäft Zum modernen Tourismus zählen neben der Freizeit- und Vergnügungsreise in einem erweiterten Verständnis auf die geschäftlich motivierte Reise sowie Kuraufenthalte und Verwandten- und Bekanntenbesuche (Freyer 2009), weniger dagegen das Erledigen