im Jahr 2001 den Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) berufen, der sie seitdem in ihrer Nachhaltigkeitspolitik berät und den gesellschaftlichen Dialog zur Nachhaltigkeit fördern soll (www.nachhaltigkeitsrat.de).
International stand der vorletzte und größte jemals abgehaltene Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg im Zeichen der Globalisierung. Zwar wurde die Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung erneuert, kritischen Stimmen von Vertreterinnen und Vertretern aus Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Entwicklungsländern zufolge ist jedoch der Geist von Rio, der eine Art Aufbruchsstimmung für die Gestaltung einer umwelt- und sozialverträglichen wirtschaftlichen Entwicklung entfacht hatte, in Johannesburg gestorben. Als ein Erfolg von Johannesburg lässt sich jedoch der Beschluss anführen, die Bildung für nachhaltige Entwicklung zu stärken, um Gedanken und Strategien nachhaltiger Entwicklung besser als bisher in der Gesellschaft zu verankern. So finden derzeit im Rahmen der „UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2005–2014 international und national zahlreiche Projekte statt, die insbesondere Kinder und Jugendliche für nachhaltige Entwicklungen sensibilisieren (zur Übersicht s. www.bne-portal.de).
Im Großen und Ganzen sind aber die Erfolge bisher weit hinter den Zielsetzungen zurückgeblieben. Für Deutschland lässt sich dies aus dem Fortschrittsbericht der Bundesregierung (2008) herauslesen, mit deutlicher Kritik stellen dies sowohl der RNE in seinem „Ampelbericht“ (2008) als auch die zweite Studie für ein „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ (BUND et al. 2008) heraus. Erfolge können bisher insbesondere beim Ausbau der erneuerbaren Energien sowie bei relativen Indikatoren verzeichnet werden, wie etwa der Steigerung der Ressourceneffizienz. Absolut betrachtet werden letztere aber durch Produktionszuwächse und damit verbundenen vermehrten Ressourcenverbrauch wieder aufgebraucht (sog. Rebound-Effekt). In der Studie von BUND et al. (2008) wird daher ein radikaler Kurswechsel gefordert.
Diese Entwicklungen führen in der Wissenschaft und bei Umweltverbänden zu einer Renaissance der Kritik am materiellen Wirtschaftswachstum und münden heute, etwa 40 Jahre nach „Die Grenzen des Wachstums“ in Forderungen nach einer Postwachstumsökonomie bzw. -gesellschaft (Paech 2009, Seidl und Zahrnt 2010).
Hiermit verbunden flammt auch die Kritik am Indikator zur Messung des Wirtschaftswachstums, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), erneut auf. Ähnlich wie der französische Staatspräsident Sarkozy es 2009 veranlasste, hat die Bundesregierung 2010 mit der Einsetzung einer Enquête-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wachstum und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ reagiert. Diese „Wohlstandsenquête“ soll nach Möglichkeit einen neuen Indikator entwickeln, der das BIP ergänzt und konkrete politische Handlungsempfehlungen für ein nachhaltiges Wirtschaften erarbeiten.
International wurde 20 Jahre nach Rio neue Hoffnung in die Rio+20-Konferenz gesetzt, die 2012 auf höchster politischer Ebene mit den Staats- und Regierungschefs – wiederum in Rio de Janeiro – abgehalten wurde. Die Bilanz der Konferenz ist ambivalent: Während Politiker lobende Worte finden, sprechen Umwelt- und Naturschützer von einem kolossalen Scheitern und bemängeln insbesondere klare Ziele und verbindliche Fristen. Neue politische Impulse durch den Weltgipfel 2012 sind damit ausgeblieben.
1.3Definition und Dimensionen des Nachhaltigkeitsleitbildes
1.3.1Nachhaltigkeitsbegriff
In den frühen Diskussionen ging es zunächst um die adäquate Übersetzung des Adjektivs „sustainable“. Aus der bunten Palette der Übersetzungsvorschläge von „dauerhaft aufrechterhaltbar“ über „tragfähig“ und „zukunftssicher“ haben sich die Bezeichnungen „nachhaltig“ und „zukunftsfähig“ durchgesetzt.
Sprachlich wird der Terminus „nachhaltig“ hauptsächlich im Zusammenhang mit der Ressourcenbewirtschaftung (z. B. nachhaltige Wasserwirtschaft) und der Begriff „zukunftsfähig“ zur Kennzeichnung von Gesellschaftssystemen (z. B. Kommune, Region, Staat oder Weltengemeinschaft) oder Politiken verwendet (s. Jüdes 1997).
Uneinheitliche Vorstellungen bestehen jedoch nach wie vor über deren inhaltliche Präzisierung. Zwar hatten sich anfangs viele Wissenschaftler bemüht, die Erwartungen an den Begriff zu begrenzen und auf den ursprünglichen, beschränkten Verwendungszusammenhang in der Forstwirtschaft hinzuweisen (s. z. B. Nutzinger und Radke 1995). Dort steht der Nachhaltigkeitsbegriff für das Gebot, die Bewirtschaftung des Waldes in Abhängigkeit von dessen Regenerationsbedingungen und -zeiten zu gestalten, d.h. in einem bestimmten Zeitraum nur so viel zu ernten, wie auch wieder nachwächst.
Doch führt der Begriff ein Eigenleben und sorgt für „nachhaltige Sprachverwirrung“ (s. Jüdes 1997). Kritiker sprechen sogar von einer problematischen Entwicklung, da der Nachhaltigkeitsbegriff willkürlich und inflationär verwendet werde, so dass seine Allgegenwart gepaart mit der Bedeutungsunschärfe auch selbst als Ursache für die nach wie vor bestehende Umsetzungsproblematik gesehen wird (s. z. B. SRU 2002). So kann der Begriff Leitbild und Lehrformel zugleich sein.
1.3.2Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung
Zum Verständnis des gesellschaftlich-politischen Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung liegt der allgemeine Konsens immer noch auf der abstrakten Ebene, der im Brundtland-Bericht vorgeschlagenen Definition:
Nach der Brundtland-Definition ist eine Entwicklung dann nachhaltig, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff 1987).
Hiermit sind vier wesentliche Erkenntnisse verbunden:
Der Schlüssel für die Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse liegt in der Auseinandersetzung mit den menschlichen Bedürfnissen (Bedürfnisorientierung), sowohl
der gegenwärtiger als auch der zukünftiger Generationen (intergenerative Gerechtigkeit).
Gleichzeitig ist hiermit die ethische Forderung nach einem Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern verbunden (intragenerative Gerechtigkeit) und
die Einsicht verknüpft, dass ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen notwendig als eine innere Einheit zu sehen sind (integrativer Aspekt).
Diese Forderungen klingen zunächst trivial, in der Umsetzung liegt jedoch eine erhebliche Brisanz, weil zum einen die Bedürfnisse künftiger Generationen heute kaum abschätzbar sind und zum anderen ökonomische, ökologische und soziale Interessen häufig nicht zielkonform sind.
Für die Umsetzung schließt sich hier insofern die Frage an, ob alle Dimensionen gleichrangig zu betrachten sind oder einzelne als vorrangig angesehen werden müssen. Im politischen Raum hat sich in der Nachhaltigkeitsdiskussion diesbezüglich früh das „Nachhaltigkeitsdreieck“ (s. z. B. van Dieren 1995, vgl. Abb. 1.1) bzw. das „Drei-Säulen-Modell“ (EK 1998) durchgesetzt.
Abb. 1.1 Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Quelle: Van Dieren 1995, S. 120 – leicht verändert in Kanning 2005, S. 24).
Beide gehen davon aus, dass alle drei Dimensionen, d.h. wirtschaftliches Wachstum, ökologische Verträglichkeit und soziale Sicherheit, als gleichberechtigte Ziele zu betrachten sind, die miteinander in Balance zu bringen sind.
Wird aber die Nachhaltigkeitsvision ernst genommen, d.h. soll es langfristig darum gehen, die Lebensgrundlagen auch für nachkommende Generationen zu wahren, ist diese Gleichrangigkeit wissenschaftlich nicht haltbar (s. z. B. SRU 2002) und so habe – kritischen Stimmen zufolge – das „Nachhaltigkeitsdreieck (...) die Diskussion in eine Sackgasse geführt“ (BfW et al. 2009).
Theoretische Begründungen für die fundamentale Bedeutung der ökologischen Dimension sowie der damit untrennbar verbundenen sozialen Dimension finden sich insbesondere