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Qualitative Medienforschung


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Produkte spezielle Inszenierungen anbieten. Diese Inszenierungen, wenn sie populär sind – d. h. bei Bevölkerungsmehrheiten beliebt sind, wahrgenommen, gekauft und debattiert werden – sind die eigentlichen Massenmedien« (Prokop 2001, S. 11 f.).

      Abweichend vom Mainstream der Kommunikationswissenschaft fließen in diese Definition als Bestimmungsmomente von Massenmedien der Erfolg beim Publikum ebenso ein wie die Interessen der Anbieter und die Kopplung von Produkt und Konsumtion in der Inszenierung. Dagegen fehlt der Aspekt der technischen Vermittlung, sodass z. B. auch (erfolgreiche) Theater und Musicals als Massenmedien gefasst werden. Wesentlich ist bei Prokop der Fokus auf die Anbieterinteressen, die den »Medienkapitalismus« bzw. den »Kampf um die Medien« (so die beiden Buchtitel) letztlich entscheiden. Für ideologiekritische Analysen oder auch Polemiken ist dieser Medienbegriff wohl eher geeignet als für empirische Studien, denn schon durch die Kopplung des Medienbegriffs an den Publikumserfolg entfällt eine detailreiche Betrachtung der Medialität.

      Systemischer Medienbegriff

      Systemische, konstruktivistische oder auch kulturwissenschaftliche Mediendefinitionen dehnen im Bemühen um theoretische Vollständigkeit ihre Medienbegriffe weit aus und nähern sich dadurch den universellen Medienbegriffen an.

      So verwendet Niklas Luhmann in seiner Systemtheorie den Medienbegriff ebenfalls in sehr weiter Bedeutung (zu Luhmanns Medienbegriff s.a. Grampp 2006). Für Luhmann ist ein Medium alles, was unterschiedliche Formen annehmen kann, die sich immer wieder neu zusammenfügen lassen und zerfallen, ohne dass das Medium verbraucht wird. »Ein Medium ist also Medium nur für eine Form, nur gesehen von einer Form aus. […] Das Gesetz von Medium und Form lautet: dass die rigidere Form sich im weicheren Medium durchsetzt« (Luhmann 1995, S. 44). In dieser operativen Bestimmung von Medien mit der Unterscheidung von Medium und Form, bezeichnet Form die Seite der beobachtbaren Kommunikate, in denen Bedeutung sich aktualisiert, während die Medien selbst unsichtbar bleiben und nur an der Kontingenz der Formbildungen erkennbar sind.

      Ferner unterscheidet Luhmann drei Typen von Kommunikationsmedien:

      • »Sprache ist ein Medium, das sich durch Zeichengebrauch auszeichnet. Sie benutzt akustische bzw. optische Zeichen für Sinn.«

      • »Aufgrund von Sprache haben sich Verbreitungsmedien, nämlich Schrift, Druck und Funk entwickeln lassen.« Sie sind auch die Grundlage für die Massenmedien in der modernen Gesellschaft.

      • Drittens gibt es die »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien«, die jeweils einzelnen Funktionsbereichen der Gesellschaft zugeordnet werden. »Wichtige Beispiele sind: Wahrheit, Liebe, Eigentum/Geld, Macht/ Recht« (Luhmann 1984, S. 220 ff.).

      Neben diesen Medienbegriffen definiert Luhmann auch den Begriff »Massenmedien«, und zwar im Sinne technischer Verbreitungsmedien, bei denen keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann. Unter Massenmedien versteht er »alle Einrichtungen der Gesellschaft […], die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen [… und dafür] Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen« (Luhmann 1996, S. 10).

      Luhmanns Medienbegriff ist von systemtheoretisch und konstruktivistisch orientierten Kommunikationswissenschaftlern aufgegriffen und in unterschiedlichen Varianten weiterentwickelt worden. Als Beispiel soll hier nur der Medienbegriff von Schmidt und Zurstiege vorgestellt werden, die Medien als einen Kompaktbegriff sehen, der semiotische Kommunikationsinstrumente, Medientechnologien, sozialsystemische Institutionalisierungen medientechnischer Dispositive und Medienangebote umfasst, die unter den jeweiligen sozialhistorischen Bedingungen als Gesamtmediensystem selbstorganisatorisch und ko-produktiv zusammenwirken und auf die Entfaltung gruppen- oder gesellschaftsspezifischer Wirklichkeits- und Identitätskonstruktionen einwirken.

      Zu unterscheiden sind also »vier Komponentenebenen:

      • Kommunikationsinstrumente, d. h. materielle Zeichen, die zur Kommunikation benutzt werden, allen voran natürliche Sprachen;

      • Medientechniken, die eingesetzt werden, um Medienangebote etwa in Form von Büchern, Filmen oder E-Mails herzustellen, zu verbreiten oder zu nutzen;

      • institutionelle Einrichtungen bzw. Organisationen (wie Verlage oder Fernsehsender), die entwickelt werden, um Medientechniken zu verwalten, zu finanzieren, politisch und juristisch zu vertreten etc.;

      • schließlich die Medienangebote selbst, die aus dem Zusammenwirken aller genannten Faktoren hervorgehen (wie Bücher, Zeitungen, Fernsehsendungen etc.)« (Schmidt/Zurstiege 2000, S. 170).

      In der Forschungspraxis sind derart weite Medienbegriffe nicht ohne weiteres verwendbar und müssen im Hinblick auf die jeweilige Forschungsfrage eingegrenzt werden.

      Pädagogische Medienbegriffe

      Die Bezugswissenschaften der (vergleichsweise jungen) Medienpädagogik sind vor allem die Kommunikationswissenschaft und die Erziehungswissenschaft. Medienpädagogische Medienbegriffe entsprechen daher im Allgemeinen den kommunikationswissenschaftlichen. Unterschiedlich sind dagegen die Forschungsinteressen, die in der Medienpädagogik stärker der pädagogisch relevanteren Rezeptionsseite zuneigen. Der pädagogische Impetus zeigt sich beispielsweise in folgender Begriffsbestimmung:

      »Medienpädagogik umfasst alle Fragen der pädagogischen Bedeutung von Medien in den Nutzungsbereichen Freizeit, Bildung und Beruf. Dort, wo Medien als Mittel der Information, Beeinflussung, Unterhaltung, Unterrichtung und Alltagsorganisation Relevanz für die Sozialisation des Menschen erlangen, werden sie zum Gegenstand der Medienpädagogik, wobei Sozialisation die Gesamtheit intendierter und nicht intendierter Einwirkungen meint, die den Menschen auf kognitiver und emotionaler Ebene sowie im Verhaltensbereich prägen. – Gegenstände medienpädagogischer Theorie und Praxis sind die Medien, ihre Produzenten und ihre Nutzer im jeweiligen sozialen Kontext. Medienpädagogik untersucht die Inhalte und Funktionen der Medien, ihre Nutzungsformen sowie ihre individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Sie entwirft Modelle für medienpädagogisches Arbeiten, mit dem die Nutzer über die Kompetenzstufen Wissen und Analysefähigkeit in ihren spezifischen Lebenswelten zu medienbezogenem und medieneinbeziehendem Handeln geführt werden sollen« (Neubauer/Tulodziecki 1979, S. 15).

      Innerhalb der Erziehungswissenschaft grenzt sich die Medienpädagogik in ihrem disziplinären Selbstverständnis einerseits von der Sozialpädagogik und andererseits von der Schulpädagogik ab. Sowohl im sozialpädagogischen Kontext als auch immer dann, wenn von Medien als Hilfsmitteln im Unterricht (Mediendidaktik, e-learning, Erwachsenenbildung) die Rede ist, sind meist andere als kommunikationswissenschaftliche Medienbegriffe gemeint.

      Als sozialpädagogische Medien bezeichnet man Mittler zur Gestaltung der pädagogischen Beziehung wie Gestalten, Bewegen, Darstellen. Dazu zählen Spiel, kreative Ausdrucksmedien wie z. B. Musik, Tanz, Theater sowie ausgewählte Gestaltungstechniken. Einbezogen werden jedoch auch technische Medien in ihren Möglichkeiten für Eigenproduktionen, z. B. Videofilme. Mit diesem sozialpädagogischen Medienbegriff werden Medien nicht einem disziplinären Gegenstandsfeld zugeschlagen, sondern einer sozialpädagogischen Handlungskompetenz, die sich richtet

      1) auf die Vermittlung spezifischer Sinneswahrnehmungs- und Darstellungsqualitäten (Ästhetik),

      2) auf die Ermöglichung des verbalen und nonverbalen Austauschs mit Anderen (Kommunikation),

      3) auf den konzeptionell fundierten und handlungsorientierten Einsatz kreativer Kompetenzen für die sozialpädagogische Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen und Problemlagen (Intervention) (vgl. Studienordnung Sozialpädagogik der FH Darmstadt).

      Unübersichtlicher ist der Medienbegriff in der Schulpädagogik. Da die (Massen-) Medien und ihre sozialisatorischen und gesellschaftlichen Effekte auch zum Lehrauftrag der Schule gehören, also Lerngegenstand sind, und der erzieherische Auftrag der Schule auch Medienerziehung umfasst, werden insoweit auch hier kommunikationswissenschaftliche Medienbegriffe verwendet.

      Aus schulischer Sicht des eigenen Handlungsfelds kommt jedoch – neben dieser medienpädagogischen Perspektive