Werner Wicki

Entwicklungspsychologie


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und Riechen

      images Besonders gut ausgebildet sind bereits bei der Geburt der Geschmacks- und der Geruchssinn (z. B. Slater et al. 2007).

      Tast- und Hautsinne

      images Berührungsreize sind bereits dem Fötus durch die Berührungen mit der Gebärmutterwand vertraut. Neugeborene reagieren auch auf Streicheln und auf Schmerzreize. Frühgeborene suchen tastend Halt im Inkubator (Brutkasten) und versuchen sich in einem Nestchen einzurichten.

      Hören

      images Föten reagieren ab der 24. Woche auf auditive Stimulationen (z. B. auf Musik).

      images Die auditive Wahrnehmung verbessert sich auch noch nach der Geburt in den ersten Lebensmonaten weiter.

      images Komplexe Laute lösen deutlichere Reaktionen aus als physikalisch reine Töne, der bevorzugte Frequenzbereich (Tonhöhe) liegt auf demjenigen der menschlichen Stimme oder darüber.

      images Die Stimme der Mutter kann bereits nach der Geburt von anderen Stimmen unterschieden werden, vor allem wenn sie „gefiltert“ wird, sodass sie genauso wie im Mutterleib klingt (Hepper 2007).

      images Töne von der Seite führen im sehr wachen Zustand zu Kopfdrehungen und visuellem Suchen.

      Sehen

      images Die Sehschärfe Neugeborener ist noch schwach und verbessert sich Sehen kontinuierlich im Verlauf der ersten Lebensmonate. Sie erreicht nach etwa 12 Monaten das optimale Niveau des Erwachsenen. Peripheres Sehen ist bei Neugeborenen noch kaum entwickelt.

      images Demgegenüber ist die Größenkonstanz vermutlich ab der Geburt entwickelt: Neugeborene können Objekte nach ihrer Größe unterscheiden, auch wenn diese so präsentiert werden, dass deren Abbild auf der Retina konstant bleibt (das größere Objekt wird in entsprechend größerer Entfernung gezeigt) (Slater et al. 2007).

      images Interesse an visuellen Stimuli: Bilder mit geringer Komplexität sind weniger interessant als solche mit hoher Komplexität. Bilder mit hoher Komplexität wiederum haben sich aber im Vergleich zu Gesichtern auf Fotos als weniger interessant erwiesen. Das größte Interesse zeigen Säuglinge eindeutig an „lebendigen“ Gesichtern.

      images Das Gesicht der Mutter wird schon wenige Stunden nach der Geburt länger betrachtet als das Gesicht einer unbekannten Frau, sofern dem Kind das Gesicht der Mutter vorgängig in Kombination mit deren Stimme präsentiert wurde (Sai 2005).

      images Säuglinge können ab der Geburt mit den Augen und dem Kopf einem Stimulus folgen, wenn er ihr Interesse gefunden hat.

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      Abb. 3.1 | Säuglinge erleben eine Vielfalt von Tast- und Berührungsreizen.

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      Abb. 3.2 | Das Baby nutzt schon sehr früh Bewegungshinweise, für deren Wahrnehmung die Sehschärfe weniger wichtig ist.

      Tiefenwahrnehmung

      Die entwicklungspsychologische Forschung hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich die Tiefenwahrnehmung entwickelt, und entdeckt, dass Kinder dafür bestimmte Hinweisreize nutzen:

      images Ab 1 Monat: Beim sogenannten Looming führt die (simulierte oder echte) Annäherung von Objekten zu einem größeren Abbild auf der Netzhaut. Das Baby reagiert darauf mit Abwehrbewegungen.

      images Erste Lebensmonate: Das Baby nutzt schon sehr früh kinetische Cues (Bewegungshinweise), für deren Wahrnehmung die Sehschärfe weniger wichtig ist.

      images Ab 3 Monaten: Aufgrund der Konvergenz der Augen und der Querdisparation nutzt das Kind binokulare Hinweise, unterschiedliche Abbilder verschmelzen dabei auf der Netzhaut zu einem Bild. Je näher ein Objekt ist, desto größer ist die Querdisparation.

      images Ab 6 Monaten: Verwendung statischer Distanzhinweise. Verdeckte Bilder erscheinen weiter hinten als unverdeckte (Yonas/Arterberry 1994).

      images Ab 7 Monaten: Das Wissen über die Größe eines Objekts beeinflusst die Distanzwahrnehmung. Große Objekte, die klein wirken, werden als weiter entfernt wahrgenommen (Granrud et al. 1985).

      3.1.2 | Frühe Kategorisierungsprozesse

       Definition

      Die wahrnehmbare Welt besteht aus Milliarden von unterscheidbaren Einzelobjekten und Eigenschaften, die wir aufgrund von Ähnlichkeiten bestimmten Kategorien zuordnen bzw. kategorisieren. Dadurch wird die Vielfalt und Komplexität der Welt reduziert und an die kognitiven Ressourcen (des Menschen) angepasst. Die Kategorisierung hat überdies den enormen Vorteil, dass wir einem Objekt, das wir als Vertreter einer bestimmten Kategorie betrachten, auch solche Eigenschaften dieser Kategorie zugestehen, die beim unmittelbar angetroffenen Vertreter nicht unmittelbar beobachtet werden (können).

      Effizienzgewinn

      Wenn ein Kind bereits weiß, dass Hunde bellen, so erwartet es, dass ein Hund, den es bislang noch nie gesehen hat, ebenfalls bellen kann und vielleicht auch bellen wird. Angetroffene Objekte, die einer Kategorie zugeordnet werden, müssen nicht vollständig exploriert werden, was die Wahrnehmung und Handlungsplanung des Kindes effizient macht.

      Untersuchungsmethoden

      Experimentelle Methoden der Säuglingsforschung erlauben heute die Untersuchung der Frage, ob und ggf. ab welchem Alter Säuglinge wahrnehmbare Einzelphänomene zu unterscheidbaren Kategorien zusammenfassen – also z.B., ob sie zwischen Möbeln und Fahrzeugen oder zwischen Tieren und Pflanzen unterscheiden.

      familiarization / noveltypreference procedure

      Die darunter am häufigsten verwendete Methode – die familiarization / novelty-preference procedure (Quinn 2007) – nutzt wie das Habituations-Dishabituations-Paradigma (→ Kap. 2) die Tatsache, dass ein Reiz bei wiederholter Präsentation für den Säugling zunehmend „langweilig“ wird, da er sich an den Reiz habituiert (gewöhnt).

      Zeigt man einem Säugling eine Reihe von Vertretern einer bestimmten Kategorie (z.B. verschiedene Möbel), ist eine abnehmende Aufmerksamkeitszuwendung (gemessen an der Fixationsdauer pro Durchgang) die Folge. Zeigt man ihm einen Vertreter einer anderen Kategorie (z.B. ein Fahrzeug), nimmt die Aufmerksamkeit vorübergehend wieder zu, sofern das Kind den Kategorienwechsel bemerkt. In