Werner Wicki

Entwicklungspsychologie


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als Objektpermanenz zu interpretieren.

      Wenn wir unter „Objektpermanenz“ das Suchen nach verschwundenen Objekten in den ersten beiden Lebensjahren verstehen wollen, so gelten auch heute noch die naturalistischen Beobachtungen, die auf Piaget zurückgehen (Piaget 1975):

      images Wenn wir einem 5-monatigen Säugling ein Spielzeug zeigen und dieses dann durch einen anderen Gegenstand (z.B. ein Tuch, das uninteressant ist) verdecken, so wird sein vorher gezeigtes Interesse schnell nachlassen. Er verhält sich so, als ob er glauben würde, das Spielzeug existiere nicht mehr.

      images Ab 8 Monaten beginnt das Kind ein zugedecktes Objekt zu suchen (am Ort, wo das Objekt verschwunden ist). Bei sichtbarem Platzwechsel sucht das Kind immer noch am ersten Ort.

      images Ab 9–12 Monaten sucht es das verschwundene Objekt an einem weiteren Ort, sofern es einen entsprechenden Ortswechsel von A nach B beobachten konnte. Allerdings zuerst in A und dann in B (A- nicht B-Suchfehler).

      images Ab 18–24 Monaten ist dem Kind eine Sequenzumkehrung der (beobachteten) Positionsveränderungen im Suchverhalten möglich. Ab dieser Phase kann ein Objekt aufgrund der eigenen Vorstellungstätigkeit identifiziert werden. Ein Objekt kann seinen Ort unabhängig vom eigenen Zutun und der eigenen Wahrnehmung verändert haben (Ort als Zufallsmerkmal).

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      Abb. 3.4 | Ab 8 Monaten beginnen Kinder, verschwundene Objekte zu suchen.

      3.1.5 | Kausales Denken

      Laien würden nicht ohne Weiteres vermuten, dass bereits Säuglinge Kausalität wahrnehmen bzw. Ursachen und Wirkungen miteinander verknüpfen können.

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       Studie

      Spätestens seit den bahnbrechenden Experimenten von Leslie und Keeble (1987) hat sich jedoch in der Entwicklungspsychologie die Erkenntnis durchgesetzt, dass Säuglinge durchaus einfache Ursache-Wirkungs-Beziehungen wahrnehmen können.

      Halbjährige Säuglinge beobachteten, wie ein blauer Klotz einen grünen Klotz anstieß (Habituierungsphase). Nach einigen Durchgängen wurde die Richtung und damit auch die Kausalität umgekehrt (→ Abb. 3.5): Nun stieß der grüne Klotz den blauen an (Testdurchgang). In der Kontrollgruppe waren alle Bedingungen gleich mit einer Ausnahme: Der grüne Klotz (bzw. im Testdurchgang der blaue) setzte sich erst einige Zeit nach der Ankunft des sich zuerst bewegenden Klotzes, also mit einiger Verzögerung (0.5 sec.), in Bewegung, was den „Eindruck“ einer Kausalbeziehung zwischen dem Anstoßen des blauen Klotzes und der Fortbewegung des grünen Klotzes verhinderte.

      Entstehungsbedingungen

      Viele Forscher gehen heute davon aus, dass das Kind dank einer angeborenen Sensitivität gegenüber bestimmten Verhaltensmerkmalen (wie z.B. Eigenbewegungen, kontingente Reaktivität) sehr früh in der Lage ist, zielgerichtete Handlungen zu identifizieren. Anscheinend ist es so, dass diese Identifikation umso wahrscheinlicher ist und damit auch umso früher (bereits ab dem 6. Lebensmonat) auftritt, je mehr solche Hinweise bzw. Verhaltensmerkmale simultan auf das Kind einwirken (Biro/Leslie 2007).

      kausale Schlussfolgerungen

      Neuere Studien weisen bereits für 2-jährige Kinder die Fähigkeit nach, einfache kausale Schlüsse zu ziehen (Sobel/Kirkham 2006).

       Kritik

      Auch zu diesem Kapitel ist einschränkend zu bemerken, dass die meisten Befunde auf Habituationsexperimenten beruhen, deren Interpretation kontrovers diskutiert wird (Haith 1998).

      3.2 | Sprachentwicklung in der frühen Kindheit

      Das Neugeborene kann noch nicht sprechen, aber es kann sich seinen Bezugspersonen durch Weinen mitteilen und es kann auch kommunikative Signale aus seiner sozialen Umwelt wahrnehmen und voneinander unterscheiden (→ Kap. 3.1.1).

      Das Verstehen der Sprache geht der Sprachproduktion zeitlich deutlich voraus: Während einjährige Kinder noch nicht viel mehr als wenige, oft nur schwer verständliche Wörter artikulieren, verstehen sie selbst schon wesentlich mehr. Im Verlauf der ersten drei Jahre lernt das Kind nicht nur korrekte einfache Sätze zu bilden und situationsgerecht im Gespräch vorzubringen, es gelingt ihm auch, sich in verschiedenen Zeiten (Vergangenheit und Gegenwart) auszudrücken und einfache Sprechhandlungen (Erzählen, Fragen und Befehlen) zu realisieren.

      Im Folgenden betrachten wir die vorsprachliche Phase des ersten Lebensjahres und die ersten Schritte in der Muttersprache.

      3.2.1 | Vorsprachliche Kommunikation

      Lange bevor das Kind erste Wörter produziert, ist es mit der Mutter, dem Vater und anderen wichtigen Bezugspersonen in sprachliche Dialoge eingebunden (Papoušek 2001). Dabei sprechen die Erwachsenen einfache und stark segmentierte Sätze unter ausgeprägter Betonung einzelner Silben (in sogenannter Ammensprache), was vermutlich dem Kind die Sinnentnahme aus dem Sprachstrom erleichtert. Sie hören dem Kind zu, beantworten die kindlichen Vokalisationen kontingent und imitieren sie teilweise.

      rezeptive phonologische Entwicklung

      Vier Tage alte Säuglinge unterscheiden die Muttersprache von anderen Sprachen, indem sie die prosodischen Merkmale (Betonung, Tempo, Pausen) der Sprache nutzen (Mehler et al. 1988). Mehler und Kollegen (1988) führten ihr Experiment u.a. auch mit phonetisch gefilterter Sprache durch, in der nur noch rhythmisch-prosodische Informationen enthalten waren. Da die Resultate die gleichen blieben, kann man davon ausgehen, dass die Präferenz für die Muttersprache mit deren prosodischen Merkmalen zusammenhängt.

      Lautunterscheidung

      Unter phonologischer Kategorisierung versteht man die Fähigkeit von Säuglingen, in Habituationsexperimenten Lautfolgen wie „ba“ von „pa“ zu unterscheiden (Eimas et al. 1971). Bis zum 6. Lebensmonat können Säuglinge sogar Lautunterschiede diskriminieren, die nur in anderen Sprachen (aber nicht in der Muttersprache) bedeutungsunterscheidend sind. Später lässt die Fähigkeit, Lautunterschiede anderer Sprachen zu diskriminieren, teilweise nach (Szagun 2013).

      Segmentierung

      7-monatige Säuglinge ziehen korrekt segmentierte (gegliederte) Sprachbeispiele willkürlich (falsch) segmentierten sprachlichen Äußerungen vor, was darauf hinweist, dass diese Kinder aufgrund der Prosodik über ein „Wissen“ über sinnvolle syntaktische Einheiten verfügen.

      statistisches Lernen

      In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahrs können Babys in kurzer Zeit relativ häufige Lautkombinationen einer Sprache (im Experiment: auch einer Kunstsprache) aufgrund der statistischen Übergangswahrscheinlichkeiten erlernen. Kinder dieses Alters unterscheiden also bereits unbewusst die relativ häufigen Lautfolgen einer Sprache von unwahrscheinlichen Lautfolgen und bilden unbewusst Hypothesen über die bedeutungstragenden Wörter des Sprachstroms, den sie wahrnehmen (Aslin et al. 1999).

      frühe Artikulationen

      Im Mittelpunkt der Sprachproduktion des ersten Lebensjahres steht die Erkundung und Einübung der Möglichkeiten des Sprechapparates. Während das Baby mit zwei Monaten vor allem kurz phonierte Laute, vokalartige