Michael von Hauff

Nachhaltigkeit für Deutschland? Frag doch einfach!


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aufgrund des Holzmangels ihre Arbeit verlieren. Das wurde im Prinzip vielfach als Vorläufer des ersten Berichts an den Club of RomeClub of Rome mit dem Titel „Grenzen des Wachstums“ gesehen.

      Von Carlowitz beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Darstellung des Problems, sondern entwickelte neue Grundsätze wie die Holzknappheit für immer überwunden werden kann. Sein Grundgedanke war: in der Forstwirtschaft muss ökonomisches Handeln mit den Erfordernissen der Natur in Einklang gebracht werden. Heute würde man sagen: Forstwirtschaft aber auch andere Bereiche wirtschaftlichen Handelns müssen mit den Grenzen oder Leitplanken der Natur harmonieren. Seine Maxime, die dann 1775 in die Weimarische Forst-Ordnung einging, war: Pro Jahr darf nicht mehr Holz geschlagen werden, als nachwächst.

      Hat sich der Begriff in seiner Bedeutung verändert?

      Es konnte gezeigt werden, dass die Idee der Nachhaltigkeit im Kontext der Forstwirtschaft eingeführt wurde und hier sehr stark in die Bedingungen der Natur eingebunden wurde. Dieses Verständnis wurde weiterentwickelt. Das begründet sich daraus, dass viele Probleme bzw. Konflikte komplexer wurden wie beispielsweise der Klimawandel. Eine wichtige Entscheidung der Vereinten Nationen in diesem Zusammenhang war 1980 die Bildung der „World Commission on Environment and Development (WCED)“.

      Die Kommission setzte 1983 die Brundtland-KommissionBrundtland-Kommission unter dem Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ein. Die Kommission sollte im Rahmen der wachsenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Probleme Handlungsempfehlungen zur Erreichung einer dauerhaften Entwicklung erarbeiten. 1987 legte die Kommission ihren Bericht, den sogenannten Brundtland-BerichtBrundtland-Bericht vor. Er enthielt die berühmt gewordene Definition für nachhaltige Entwicklung, die bis heute ein wichtiger Ausgangspunkt für die inhaltliche Konkretisierung ist:

       „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können (Hauff 1987, S. 46).“

      Worauf zielt nachhaltige Entwicklung heute ab?

      Seit der Konferenz von Rio de Janeiro besteht ein internationaler Konsens, dass nachhaltige Entwicklung zu einem Gleichgewicht zwischen den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales innerhalb der ökologischen Grenzen führen soll. Die drei Dimensionen sind in vielfältiger Form miteinander verbunden, was sich in dem Nachhaltigkeitsdreieck ganz allgemein darstellen lässt. Jede Ecke im Dreieck steht zunächst für eine der drei Dimensionen: ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Je mehr man sich auf die Mitte des Dreiecks zu bewegt, umso stärker sind die drei Dimensionen miteinander verbunden. Alle Bereiche in dem Nachhaltigkeitsdreieck lassen sich konkretisieren. Betrachtet man beispielsweise das Feld „ökologisch/ökonomisch“, so lässt sich dort die Ökoeffizienz zuordnen. Damit ist gemeint, dass eine Maßnahme ökologisch und ökonomisch effizient ist. Spart ein Unternehmen bei der Produktion Strom ein, so können damit die CO2-Emissionen gesenkt werden, soweit der Strom nicht regenerativ erzeugt wird (ökologische Effizienz) und das Unternehmen verringert seine Stromkosten (ökonomische Effizienz).

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      Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

      Quelle: v. Hauff 2014, S. 170

      Sind mit diesen drei Dimensionen alle Aspekte der Nachhaltigkeit abgedeckt?

      In der Literatur wurde teilweise eine vierte Dimension eingeführt: die kulturelle NachhaltigkeitNachhaltigkeitkulturelle. Da jedoch jede Gesellschaft, die durch die soziale Dimension abgebildet wird, auch kulturelle Merkmale aufweist, wird auf diese Erweiterung hier verzichtet. Dagegen ist die Gerechtigkeit ein weiteres konstitutives Merkmal nachhaltiger Entwicklung. Um die nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern und international eine gewisse Vereinheitlichung anzustreben, fand vom 25. bis 27. September 2015 der UN-Sondergipfel zur →Agenda 2030 unter dem Titel „Transforming our World: the 2030 Agenda for Sustainable Development“ statt. Das Kernstück der Agenda 2030 sind die 17 NachhaltigkeitszieleNachhaltigkeitsziele, die von allen Ländern weltweit bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen. (v. Hauff, Schulz, Wagner 2018, S. 33) Die →Agenda 2030 wird zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlich vorgestellt und kommentiert.

      Gibt es Unterschiede zwischen der wissenschaftlichen und der alltäglichen Verwendung des Begriffs?

      Bei der wissenschaftlichen Zuwendung zu dem Begriff geht es um die theoretische Begründung →nachhaltiger Entwicklung. Ausgehend von der Definition des Brundtland-Berichts sollen zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse in gleichem Maße befriedigen können wie die heute lebenden Generationen. Zukünftige Generationen sollen also zumindest nicht schlechter gestellt werden. Hierzu gibt es einen breiten Konsens. Aber es stellt sich natürlich die Frage, welche Bedürfnisse hier im Mittelpunkt stehen. Hier scheiden sich die Geister.

      Einige Wirtschaftswissenschaftlern stellen fest, dass es zwei Arten von Kapital gibt: das materielle oder SachkapitalSachkapital und das NaturkapitalNaturkapital. Das lässt sich zu einem gesamtwirtschaftlichen Kapital zusammenführen. Nach der Definition sollen zukünftige Generationen also mindestens den gleichen Kapitalbestand haben wie die heute lebende Generation.

      Nimmt beispielsweise das Naturkapital ab, muss das Sachkapital zunehmen, um den Verlust auszugleichen (Kompensationsregel). Müssen also z. B. für den Bau neuer Produktionsstätten oder Straßen (Sachkapital) landwirtschaftliche Flächen oder Waldflächen weichen, wird das Naturkapitel verringert und das Sachkapital steigt. Im besten Fall kommt es zu einer Kompensation der beiden Kapitalarten und das Gesamtkapital bleibt konstant. In diesem Zusammenhang spricht man von→ schwacher Nachhaltigkeit. (Neumayer 2013) Diese Position spiegelt oft die Realität wider.

       Beispiel:

      Eine Kommune möchte wegen Lärm- und Luftbelastung eine Umgehungsstraße. Das bedeutet jedoch in der Regel, dass Felder, Wiesen oder ein Waldstück dafür „geopfert“ werden muss.

      Die entgegengesetzte Position wird von Vertretern der Ökologischen Ökonomie vertreten. Die beliebige Substitution von Natur- durch Sachkapital, d.h. der Verlust an Naturkapitel, der durch Sachkapitel aufgestockt werden soll, führt zu wachsenden Umweltschäden wie Luftbelastung, Klimawandel, Abnahme der →Biodiversität, Abnahme der Rohstoffe und wachsende Lärmbelästigung.

      Gibt es ein anschauliches Beispiel von Natur- durch Sachkapital?

      Die zunehmende Belastung von Ökosystemen erfordert ökologische Leitplanken, wie z. B. die Begrenzung von Emissionen, die einzuhalten sind. Nur so lässt sich die natürliche Tragfähigkeit der Erde bzw. des Planeten erhalten. Daraus begründet sich die →starke Nachhaltigkeit. Einer der maßgeblichen Mitbegründer und Protagonisten der Ökologischen Ökonomie, Hermann Daly, führt hierzu ein einfaches Beispiel an:

      Ein Fischerboot (Sachkapital) ohne Fische (Naturkapital) in Seen oder Flüssen ist nutzlos. Daher hält er die Kompensationshypothese für falsch und auch gefährlich.

      Die starke Nachhaltigkeit wurde von Vertretern der Ökologischen Ökonomie durch Operationalisierungskriterien konkretisiert. Daly stellte in diesem Zusammenhang drei Managementregeln auf (Daly 1990, S. 2)

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      Handlungsregeln für eine nachhaltige Entwicklung

      Quelle: in Anlehnung an Daly 1990, S. 2

       Linktipp:

      Auf www.exploring-economics.org/de/ werden ökonomische Themen von Studierenden und Lehrenden erklärt, unter anderem auch Ökologische Ökonomie. Unter dem Menüpunkt „Entdecken“ kann man gezielt nach Artikeln suchen.

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