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Wörterbuch der Soziologie


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Debatte platzierte. Dieses Stichwort wurde in den folgenden Jahrzehnten in verschiedener Form aufgegriffen – etwa als »antiautoritäre Erziehung« – und dabei oft mit der Forderung verbunden, traditionelle Autoritäten in Frage zu stellen. Die dadurch entstandene Vermischung der Begriffe klingt im heutigen Wortverständnis nach. In Repräsentativumfragen zeigt sich, dass das Stichwort »Autorität« bei Teilen der Bevölkerung auch Assoziationen wie »Machtmissbrauch« oder »Gewalt« weckt, die eigentlich eher dem Begriff des Autoritären zuzuordnen wären (Petersen 2011, 23).

      Quellen der Autorität

      Autorität wird von der Bevölkerung überwiegend als Persönlichkeitseigenschaft verstanden, sie ist aber zu einem gewissen Grad auch an Ämter und gesellschaftliche Positionen gebunden. Autorität ist deswegen nicht mit bloßer Gefolgschaft aufgrund von Vertrauen zu verwechseln, auch wenn beides miteinander verknüpft ist. Fragt man die Bevölkerung, welchen Personengruppen sie vertraut, und zum Vergleich, welche Personengruppen Autorität besitzen, erhält man unterschiedliche Ranglisten. Vertrauen wird beispielsweise Ärzten entgegengebracht, Nichtregierungsorganisationen oder Vereinen. Autorität besitzen aus Sicht der Bevölkerung beispielsweise die Polizei, Gerichte, aber auch Lehrer und Professoren (Petersen 2011, 65). Zur Bereitschaft, die Autorität einer Person anzuerkennen, gehört damit auch der Respekt vor deren gesellschaftlicher Position.

      Gesellschaftliche Bewertung von Autorität

      Autorität wird – trotz der beschriebenen Begriffsvermischung mit dem Stichwort des Autoritären – von der deutschen Bevölkerung überwiegend als etwas Notwendiges angesehen. Die positiven Assoziationen überwiegen deutlich die negativen. Auf die Frage »Glauben Sie, dass man in einer Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, oder meinen Sie das nicht?« antworteten in einer Repräsentativumfrage vom Herbst des Jahres 2010 79 %: »Man braucht sie« (Petersen 2011, 34).

      Literatur

      Adorno, Theodor W., 1967: The Authoritarian Personality, 2 Bde, 3. Aufl., New York. – Augustus, 1975: Res Gestae Tatenbericht (Monumentum Ancyranum). Lat.-griech. u. deutsch. Übers. u. hg. v. Marion Giebel, Stuttgart. – Böhm, Winfried, 1994: Wörterbuch der Pädagogik, 14. Aufl., Stuttgart. – Petersen, Thomas, 2011: Autorität in Deutschland. Bad Homburg.

       Thomas Petersen

      [45]B

      Bedürfnis

      Ein Bedürfnis (engl. need) ist zunächst das Gefühl eines Menschen, einen Mangel zu haben, und der Wunsch, diesen Mangel zu beheben. Das ist ein psychologischer Bedürfnisbegriff. Zum soziologischen wird er, wenn der Mangel von den Menschen in einer sozialen Gruppierung, z. B. einer Schicht oder einer Berufs- oder Altersgruppe, empfunden wird und die Behebung auf gesellschaftliche Weise stattfinden soll oder muss, z. B. durch Gesetzgebung oder Subvention. Ein soziologischer Bedürfnisbegriff könnte also lauten: Ein Bedürfnis ist ein sozialer Katalysator, bei dem die Menschen in einer sozialen Gruppierung einen Mangel empfinden und den Wunsch haben, den Mangel auf gesellschaftliche Weise zu beheben. Daneben gibt es noch andere Bedürfnisbegriffe, z. B. wirtschaftswissenschaftliche oder medizinische.

      Als sozialer Katalysator steuern Bedürfnisse das Handeln des Menschen. Beispielsweise wird ein Machthungriger für eine Wahl in eine Machtposition kandidieren, oder eine freiheitliche soziale Bewegung wird den Aufstand gegen einen Diktator wagen. Eine frühe, in der Forschung oft benutzte Theorie, die Theorie der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow, teilt die Bedürfnisse in fünf Gruppen ein: 1) physiologische Bedürfnisse (Unterkunft, Schlaf, Nahrung), 2) Sicherheit (Ordnung des täglichen Lebens), 3) Zugehörigkeit zu anderen Menschen, 4) Selbstachtung und soziale Anerkennung, 5) Selbstverwirklichung (die Reihe wurde 1970 noch erweitert; in den Sozialwissenschaften wurde bisher aber meistens das ursprüngliche Fünferschema verwendet). Diese Theorie nimmt an, dass jedes Bedürfnis erst dann auftauche bzw. verwirklicht werde, wenn die jeweils vorherigen im Wesentlichen erfüllt sind. Empirisch ist diese Theorie manchmal bestätigt worden, manchmal nicht. Gleiches zeigten Untersuchungen zur Theorie von Ronald lnglehart, dass jedenfalls in entwickelten lndustriegesellschaften die zuvor herrschenden materiellen Bedürfnisse zunehmend von Immateriellen abgelöst würden. Eine andere Unterscheidung trennt primäre (naturgegebene, z. B. Triebe, lnstinkte) von sekundären (gelernten) Bedürfnissen. Das führt zu der Frage, ob Bedürfnisse auch,, geweckt« werden können, etwa durch Werbung oder soziale Vorbilder. Beispiele (etwa Hula-Hoop oder Tamagotchi) zeigen bisher, dass das nur vorübergehend möglich ist. Anders ist es bei neuen Mitteln zur Befriedigung eines alten Bedürfnisses (z. B. neue Kommunikationsmittel). Politisch-praktisch wirksam wurde der Begriff der Grundbedürfnisse in der 2. Hälfte des 19. Jhs. Formuliert wurde er 1976 vom lnternationalen Arbeitsamt (ILO) in Genf. Dabei wurden private Konsumbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung, Kleidung usw.) von sozialer lnfrastruktur (sauberes Trinkwasser, Abwasser- und Müllentsorgung, Gesundheitsdienst, öff. Verkehrsmittel, Ausbildung) unterschieden. Dieses Konzept sollte die Primärziele für nationale und internationale Entwicklungsmaßnahmen bestimmen helfen. Als empirisch gesichert kann gelten, dass die Bedürfnisse sich nach Zahl und Rang von einer Kultur zur anderen unterscheiden, dass aber auch innerhalb einer Kultur sich Subkulturen in ihren Bedürfnissen unterscheiden (z. B. zwischen Künstlern und lnvestmentbankern oder zwischen Jugendlichen und Rentnern). Damit sind Bedürfnisse großenteils die dynamische Seite der Wertordnung.

      Literatur

      Hondrich, Karl Otto; Vollmer, Randolph (Hg), 1983: Bedürfnisse im Wandel, Wiesbaden. – lnglehart, Ronald F., 1977: The Silent Revolution, Princeton (dt. 1982). – Maslow, Abraham H., 1954: Motivation and Personality, New York (dt. 1977/1981). – UNESCO, 1978: Study in Depth on the Concept of Basic Human Needs in Relation to Various Ways of Life and its Possible lmplications for the Action of the Organization, Paris.

       Günter Endruweit

      Die Befragung (engl. interview) ist ein Datenerhebungsinstrument der empirischen Forschung neben der Beobachtung und der Inhaltsanalyse. Sie wird in der quantitativen Forschung in (teil-)standardisierter Form, in der qualitativen Forschung in nicht standardisierter Form angewandt.

      [46]Standardisierte Befragungen in der quantitativen Forschung

      In der quantitativen Forschung galt die Befragung lange als Königsweg der Datenbeschaffung und wird nach wie vor am häufigsten verwendet. Insbesondere bei der Untersuchung von Einstellungen ist sie oft das Instrument der Wahl. Große Längsschnittbefragungen in Deutschland, die mehrere Themen abdecken, sind z. B. der Mikrozensus, die Allgemeine Bevölkerungsumfrage (ALLBUS) und das Sozioökonomische Panel (SOEP). Meist handelt es sich um Einzel-(nicht Gruppen-)Befragungen möglichst vieler Personen. Standardisierung bedeutet, dass der Wortlaut der Fragen und der Antwortmöglichkeiten sowie die Reihenfolge feststehen (die zutreffende Antwort wird angekreuzt). Dies fördert die Vergleichbarkeit der Daten und mindert zudem den Aufwand für die Befragten und für den auswertenden Forscher.

      Formen der standardisierten Befragung

       ppersönlich-mündlich

       ttelefonisch

       sschriftlich (Papierform/Online)

      Befragungen können persönlich-mündlich, telefonisch oder schriftlich (in Papierform oder als Online-Befragung) durchgeführt werden; oft erfolgt die Befragung dabei computerunterstützt (z. B. werden die Antworten direkt in den Computer eingegeben, was späteren Übertragungsfehlern vorbeugt und die Filterführung vereinfacht). Jede Form hat Vor- und Nachteile, der Forscher entscheidet je nach Fragestellung und Praktikabilität.

      So ist bei der persönlich-mündlichen Befragung die Ausschöpfung relativ groß, bei hoher Situationskontrolle sind auch längere Interviews möglich. Dem stehen eine mögliche Verzerrung durch den Interviewereinfluss (ggf. antwortet die ältere Frau einer anderen älteren Frau anders als einem jungen Mann) sowie ein vergleichsweise hoher Kosten- und Zeitaufwand gegenüber.

      Bei der schriftlichen Befragung entfällt der Interviewereinfluss, der Anonymitätsgrad