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Wörterbuch der Soziologie


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Aufl., Opladen. – March, James G., 1994: A primer on decision making. How decisions happen, New York. – March, James; Simon, Herbert A., 1958: Organizations, New York. – Roth, Gerhard, 2007: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten, Stuttgart. – Schimank, Uwe, 2005: Die Entscheidungsgesellschaft. Komplexität und Rationalität der Moderne, Wiesbaden. – Schmid, Michael, 2004: Rationales Handeln und soziale Prozesse, Wiesbaden. – Simon, Herbert A., 1957: Models of man – social and rational, New York. – Wilz, Sylvia Marlene, 2009: Entscheidungen als Prozesse gelebter Praxis; in: Böhle, Fritz; Weihrich, Margit (Hg.): Handeln unter Unsicherheit, Wiesbaden, 105–120. – Zsambok, Caroline E.; Klein, Gary, 1997: Naturalistic decision making, New Jersey.

       Sylvia Marlene Wilz

      Als Entwicklung (engl. development) bezeichnet man im alltäglichen und im politischen Sprachgebrauch zumeist jeden positiven technischen oder sozialen Wandel in vor- oder frühindustriellen Gesellschaften (»Entwicklungsländer«). Wissenschaftlich brauchbarer ist es, Entwicklung als eine der Formen von Veränderung der Sozialstruktur anzusehen und sie damit von anderen Formen zu unterscheiden. Sozialer Wandel beschreibt schwerpunktmäßig die Veränderung von charakteristischen, typischen Elementen der Sozialstruktur, Fortschritt ist eine positiv beurteilte Veränderung, und Evolution eine Veränderung, die in einer quasi-genetisch determinierten Weise von einfacheren zu komplexeren Ebenen führt. Dann könnte man Entwicklung als einen Prozess definieren, durch den Elemente[96] der Sozialstruktur verändert werden und bei dem die realen Veränderungen im Verhältnis zu den objektiven Möglichkeiten gesehen werden (Endruweit, 12). Das ist die auf Natur, Technik usw. erweiterte Fassung der nur menschenbezogenen Definition von Entwicklung als »the realisation oft the potential of human personality« (Seers, 2). Damit wird der Begriff auch der nur bei diesem Wort bestehenden Vorstellung von Unter- und Überentwicklung gerecht. In Wissenschaft und Praxis werden aber auch viele andere Definitionen benutzt, oft auch im Sinne anderer Formen von Veränderung der Sozialstruktur (so Harrison, XII, i. S. von Fortschritt) oder unnützerweise wertbeladen (so z. B. Behrendt, 130; Seers, 2).

      Etymologisch zeigen sowohl der deutsche Entwicklungsbegriff (dazu Kößler, 15–47) als auch viele fremdsprachige Entsprechungen, so im Frz. (développement), Span. (desarrollo), Russ. (razvitije), Schwed. (utweckling) und Türk. (gelişme), wie beim Evolutionsbegriff die Vorstellung, dass alles aus einem vorhandenen Potenzial entstehe und dadurch auch in seinen Möglichkeiten determiniert sei. Damit würde soziale, politische und ökonomische Entwicklungspraxis eine Potenzialanalyse voraussetzen, für die die methodologischen Grundlagen noch weitgehend fehlen (zum Zusammenhang von Definition und Messung von Entwicklung vgl. auch Barnett, 173–193).

      Als Grundbegriff in der nicht nur auf die Entwicklungsländer zu beschränkenden Entwicklungssoziologie, aber auch in anderen Wissenschaften, ermöglicht dieser Begriff eine Untersuchung von stattfindenden, möglichen oder geplanten Veränderungen im Hinblick auf ihre Ausgangslage, Randbedingungen und mögliche Reichweite. Damit ließe sich dann u. U. auch die ungleiche Entwicklung, entweder mehrerer Gesellschaften oder verschiedener Sektoren innerhalb derselben Gesellschaft, evtl. kausal erklären oder gar vorhersagen und dann sinnvoll steuern (vgl. auch Seers bei Goetze, 187–189).

      In der Allgemeinen Soziologie hat der Entwicklungsgedanke schon an ihrem Beginn, etwa bei Comte, Ferguson und Spencer, eine oft beherrschende Rolle gespielt und gar zur Aufstellung vermeintlicher Entwicklungsgesetze geführt. Dabei wurde manchmal aus Ethnozentrismus oder Ideologisierung der Geschichte der eigenen Gesellschaft deren Verlauf als alternativloses Modell dargestellt, bei dem die Möglichkeit von funktionalen Äquivalenten gar nicht erst erwogen wurde. In der Allgemeinen Soziologie weitgehend aufgegeben, setzt sich dieser Ansatz aber in manchen Entwicklungstheorien noch fort.

      Der in neuerer Zeit häufig benutzte Begriff der nachhaltigen Entwicklung (engl. sustainable development) geht zurück auf den Kgl. Sächs. Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (Sylvicultura Oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht, Leipzig: J. F. Braun 1713). Er bestimmt Nachhaltigkeit für die Forstwirtschaft eindrucksvoll klar: Man holze im Wald nicht mehr ab, als in derselben Zeit nachwächst. Wenn man in diesem Sinne den obigen Entwicklungsbegriff einengt, kann man nachhaltige Entwicklung definieren als eine Entwicklung, die Dauerhaftigkeit dadurch erreicht, dass sie die notwendigen Ressourcen nie erschöpft. Nachhaltige Entwicklung überschreitet also nie die Grenze zur Überentwicklung.

      Weltweite Aufmerksamkeit erhielt der Begriff der nachhaltigen Entwicklung seit einer UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. Sie baute auf dem Bericht der sog. Brundtland-Kommission über »Our Common Future« aus dem Jahr 1987 auf. Nachhaltige Entwicklung wurde darin definiert als eine Entwicklung, die weltweit die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Lebenschancen zukünftiger Generationen zu gefährden. Das ist ein politischer Begriff, weil er die gegenwärtige Verteilungsgerechtigkeit umfasst, für die es keinen wissenschaftlichen Maßstab gibt. Konkrete Folgerungen aus der allgemeinen Definition sind u. a.: Abkehr vom quantitativen Wachstum; Nutzung regenerativer statt fossiler Energiequellen; Schutz der Trinkwasservorräte; Einschränkung des Individual- zugunsten des öffentlichen Verkehrs; Vermeidung von Nahrungsmittelverschwendung; Aufrechterhaltung der biologischen Vielfalt; Vermeidung von Überfischung und Verunreinigung von Flüssen und Meeren. Das alles wurde 2002 auf einer UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung in Johannesburg bekräftigt, wird aber bisher nur minimal umgesetzt, weil es dafür am notwendigen Wandel der Wertordnung, der Verhaltensmuster und anderer Sozialstrukturelemente in den einzelnen Gesellschaften fehlt. Im Grundgesetz steht seit 1994 in Art. 20a: »Der Staat schützt auch in Verantwortung für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsrechtlichen [97]Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung.«

      Literatur

      Barnett, Tony, 1988: Sociology and Development, London. – Behrendt, Richard F., 1965: Soziale Strategie für Entwicklungsländer, Frankfurt a. M. – Brand, Karl-Werner (Hg.), 1997: Nachhaltige Entwicklung für Deutschland. Eine Herausforderung an die Soziologie, Opladen. – Endruweit, Günter, 1986: Elite und Entwicklung, Frankfurt a. M. – Goetze, Dieter, 1976: Entwicklungssoziologie, München. – Grober, Ulrich, 2010: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit, München. – Harrison, David, 1991: The Sociology of Modernization and Development, London. – Kößler, Reinhart, 1998: Entwicklung, Münster. – Otto, Siegmar, 2007: Bedeutung und Verwendung der Begriffe Entwicklung und Nachhaltigkeit, Bremen. – Renn, Ortwin et al. 2007: Leitbild Nachhaltigkeit, Wiesbaden. – Seers, Dudley, 1977: The meaning of development; in: International Development Review 19, 2–7. – Statistisches Bundesamt (Hg.), 2008: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Indikatorenbericht 2008, Wiesbaden. – European Union (ed.), 2009: Sustainable Development in the European Union, Brussels. – Umweltbundesamt (Hg.), 2002: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Berlin.

       Günter Endruweit

      Der Entwicklungssoziologie (engl. sociology of development) geht es um die Analyse von Modernisierungsprozessen innerhalb der Moderne. Bis in die siebziger Jahre konnte die Frage, um was es bei Entwicklung geht und welches die Perspektive der Soziologie dabei sein könnte, relativ klar entlang zweier Paradigmen beantwortet werden: Auf der einen Seite wurde Entwicklung als nachholende Modernisierung und Überwindung traditioneller Relikte gesellschaftlicher Organisation in den Entwicklungsländern verstanden. Die »westliche« Moderne galt als Maßstab, mit der Annahme, dass früher oder später die Strukturen sich im Sinne einer universalisierten globalen Moderne angleichen. Auf der anderen Seite wurde genau diese Idee linearer Modernisierung in Frage gestellt. Demgegenüber wurde betont, dass Unterentwicklung nicht den Fortbestand von Traditionen oder vor-modernen Strukturen (feudale Formen des Großgrundbesitzes, Subsistenzproduktion usw.) bezeichnet, sondern selbst Teil der internationalen Entwicklung der Moderne ist. (Goetze 2002, 18 ff.)

      Ein Kennzeichen der Modernisierungsprozesse ist, dass sie zum einen auf einer gesellschaftlichen und kulturell-ideologischen Grundlage erfolgen, die sich von der generischen