Roland Wenzlhuemer

Mobilität und Kommunikation in der Moderne


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Geertz, S. 9

      [31] Landwehr, S. 8.

      [32] Daniel, Kulturgeschichte, S. 13.

      [33] Ebd., S. 8f.

      [34] Schivelbusch.

      [35] Bayly, S. 451‒487.

      [36] Rosa.

      [37] Rieger.

      [38] Bellmann.

      [39] Herren-Oesch, Rüesch u. Sibille.

      5. Globalgeschichtliche Perspektiven

      Die Geschichtswissenschaft beschäftigt sich zentral mit dem Menschen als sozialem Wesen, das sich in den verschiedensten Formen von Gemeinschaften organisiert. Solche sozialen Gebilde gehen aus den Verbindungen bzw. aus den Austauschprozessen hervor, die Menschen untereinander unterhalten. Diese Verbindungen zwischen Individuen und Gruppen sowie ihre Entwicklung durch die Zeit sind Grundbeobachtungselemente einer Geschichtswissenschaft, die das Denken und Handeln historischer Akteure erklären und verstehen will. Allerdings ist dieses Interesse an sozialen Verbindungen für jede Wissenschaft vom Menschen so grundlegend, dass es kaum einmal explizit gemacht wird. Die Verbindungen, die Menschen bewusst und unbewusst zueinander unterhalten, können ganz unterschiedlicher Natur sein – emotional oder pragmatisch, freiwillig oder erzwungen, bereichernd oder belastend. Und sie können unterschiedlichste Distanzen überbrücken. Angeregt auch durch die Globalisierungserfahrungen, die viele Menschen seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert in ganz intensiver Form machen, interessieren sich die Geistes- und Sozialwissenschaften mittlerweile zunehmend für Verbindungen, die sich über weite Entfernungen erstrecken und dabei räumliche, nationale oder kulturelle Grenzen überwinden. In der Geschichtswissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten der Forschungsbereich der Globalgeschichte entwickelt, der sich spezifisch mit solchen globalen oder transregionalen Verbindungen und ihrer Rolle in der Geschichte auseinandersetzt.

      Transregionale Verbindungen sind somit die Grundbeobachtungselemente der Globalgeschichte. Dass die Mobilität von Menschen, Waren und Informationen in diesem Zusammenhang ganz entscheidend ist, bedarf kaum einer weiteren Erklärung. Transport- und Kommunikationsmittel sind die Träger globaler Verbindungen. Sie etablieren und unterhalten globale Konnektivität. Das Studium von Transport- und Kommunikationstechnologien, ihrer Entwicklung und ihrer Nutzung spielt daher für die Globalgeschichte eine grundlegende, kaum zu hintergehende Rolle. Das Interesse der Globalgeschichte beschränkt sich dabei nicht auf Mobilitätspraktiken von potentiell weltumspannendem Charakter wie zum Beispiel der Dampfschifffahrt oder der Telegrafie. Sie blickt genauso auf Verkehrs- und Kommunikationsmittel, die in regionalen oder nationalen Kontexten zur Anwendung kamen, insgesamt aber in größere Mobilitätszusammenhänge und globale logistische Ketten eingebettet waren. Die Eisenbahngeschichte hält diesbezüglich besonders viele anschauliche Beispiele bereit, wie etwa in Kapitel III.1 zu sehen sein wird.

      Die globalhistorische Beschäftigung mit Mobilität und ihren Trägermedien ist dabei von einem Verständnis globaler Verbindungen geprägt, das zunehmend analytischer und differenzierter wird. Lange wurden auch in der Globalgeschichte Verbindungen hauptsächlich von ihren Enden her gedacht. Untersuchungen fokussierten auf die Menschen, Orte oder Dinge, die in Verbindung miteinander standen oder in Verbindung gebracht wurden. Dort suchte man nach den Effekten von Kontakt und Austausch und studierte selbige als Faktoren menschlichen Denken und Handelns. Der Schwerpunkt solcher Arbeiten lag hauptsächlich auf dem Verbundenen, nicht auf der Verbindung selbst. Verbindungen wurden oft als quasi neutrale Zwischenglieder gesehen. Zudem war die globalgeschichtliche Forschung lange vor allem auf den Nachweis einer Verbindung zwischen Gegenständen konzentriert, die man bisher als nicht verbunden wahrgenommen hatte. Das hieß in der Praxis häufig, dass globale Verbindungen binär gedacht wurden, als existent oder nicht existent. Mittlerweile hat sich der Blick der Globalgeschichte auf ihre hauptsächlichen Untersuchungseinheiten aber verfeinert. Aktuelle Studien nehmen globale Verbindungen als eigenständige historische Phänomene ernst, die einen eigenen Raum und eine eigene Zeit aufweisen. Sie sind bemüht, Verbindungen als Mediatoren zu betrachten, die selbst einen prägenden Einfluss auf die jeweiligen Austauschprozesse und damit auf das Verbundene haben. Außerdem hat die globalhistorische Forschung erkannt, dass ein binäres Verständnis von Verbindungen der Komplexität historischer Sachverhalte nicht gerecht werden kann. Verbindungen treten immer im Plural auf und verhalten sich zueinander. Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren und deren Gemeinschaften basieren immer auf einem ganzen Bündel verschiedener Verbindungsformen.

      Die Globalgeschichte fragt daher nicht bloß, welche Transport- und Kommunikationssysteme globale Vernetzung ermöglichen, sondern sie interessiert sich für die verschiedenen Formen von Mobilität, die sich daraus ergeben. Die Art und Weise, wie Verbindungen als Mediatoren wirken, speist sich zu einem großen Teil aus den Mobilitätsformen, die diese Verbindungen stützen. Dampfschiffpassagen können hier als Beispiel dienen. Im späten 19. Jahrhundert dauerte eine Atlantiküberfahrt auf einem Dampfer zwischen sieben und zehn Tage. Zwischen Europa und Asien war man mehrere Wochen unterwegs, nach Australien gerne zwei Monate und mehr. Während dieser Zeit lebten Passagier und Crew auf dem engen Raum des Schiffes zusammen und waren in ein besonderes soziales Gewebe eingebunden. Die Schiffspassage war für viele ein entsprechend prägendes, einschneidendes Erlebnis, das ihre Sicht auf Abfahrts- und Ankunftsort veränderte. Der Schiffsverbindung fiel damit die Qualität eines Mediators zu. In abgeänderter Form lässt sich das für jede mediatisierte Verbindung festhalten. Ähnlich ist es hinsichtlich der Pluralität von Verbindungen, die sich ebenfalls in unterschiedlichen Mobilitäten widerspiegelt. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, kann man sagen, dass eine Dampfschiffpassage ihren besonderen Charakter erst in der Zusammenschau mit anderen Formen von Transport und Kommunikation bekommt. Sie war eingebettet in ein Ensemble von Segelschiffüberfahrten, weltweiten Telegrafenkabeln oder auch der Unmöglichkeit anderer Verbindungen, die Wasserflächen nicht überqueren können. Die Dampferpassage hat eine bestimmte Rolle in diesen vielfältigen Verbindungsbündeln. Die Globalgeschichte will auch dieser spezifischen Bedeutung in der Pluralität