Roland Wenzlhuemer

Mobilität und Kommunikation in der Moderne


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im 19. Jahrhundert auf weiten Überfahrten Kohle nachladen mussten? Wie wirkt sich der Umstand, dass lange Zeit nur Textinhalte per Telegraf übermittelt werden konnten, auf die Kommunikationspraxis aus? Welche Inhalte wurden so privilegiert, welche mussten mit anderen Medien übermittelt werden? Kurz, welche Rolle spielen eigentlich die technischen Grundlagen von Mobilität und Kommunikation in der Vergangenheit? Diese und ähnliche Fragen interessieren die Technikgeschichte.

      Die Technikgeschichte beschäftigt sich im Kern mit technologischem Wandel und dessen Wechselwirkung mit der Gesellschaft. Das heißt, sie fragt zum einen also danach, wie zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Bedingungen neue Technologien geplant, entwickelt und angewendet wurden, welche gesellschaftlichen Vorbedingungen dafür nötig waren. Sie will in dieser Hinsicht die Genese von Technologien verstehen und erklären. Zweitens geht die Technikgeschichte aber natürlich auch der gesellschaftlichen Bedeutung von Technologien nach und fragt nach den Auswirkungen neuer Entwicklungen. Das Verhältnis von Technik und Gesellschaft wird demnach in beide Richtungen untersucht. Das prinzipielle Verständnis dieses Verhältnisses hat sich dabei im Laufe der Zeit aber grundlegend gewandelt. Viele technikhistorische Arbeiten interessierten sich lange Zeit vornehmlich für die Geschichte einzelner Erfinder bzw. deren Erfindungen und blieben historiografisch an diesen haften. Ein solcher Ansatz vernachlässigt entweder das genannte Verhältnis zwischen Technik und Gesellschaft zugunsten einer ausgeprägten Konzentration auf biografische oder im engeren Sinne technische Details. Oder aber es liegt ein stark vereinfachtes, oft monokausales Verständnis dieses Verhältnisses vor. Typische Beispiele dafür wären etwa ein diffusionistisches Verbreitungsmodell von Technik oder ein explizit oder implizit formulierter Technikdeterminismus. Unter ersterem versteht man die Idee, dass sich bessere oder effizientere Technik mehr oder minder automatisch ausbreitet, Anwendung findet und in diesem Zusammenhang ältere Techniken überschreibt oder verdrängt. Diese Idee ist häufig Teil eines breiteren Technikdeterminismus, der davon ausgeht, dass technische Entwicklungen soziale und kulturelle Veränderungen verursachen und technischen Wandel so zu einer zentralen gesellschaftlichen Triebfeder macht.

      Die Technikgeschichte hat sich schon immer auch mit Verkehr, Transport und Kommunikation beschäftigt. Schließlich handelt es sich dabei in der Regel um technisch vermittelte Prozesse (selbst Fußgänger nutzen in den allermeisten Fällen Schuhe oder angelegte Wege). Technische Artefakte spielen demnach eine zentrale Rolle im Bereich der Mobilität. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Fragen nach der Wechselwirkung zwischen Transport- bzw. Kommunikationstechnologien und ihren Trägergesellschaften in der Technikgeschichte seit langem fest etabliert sind und damit auch das Erkenntnisinteresse der Verkehrs- und Transportgeschichte entscheidend geprägt haben. Auch wenn die heutige Mobilitätsgeschichte über diesen technikhistorischen Ansatz inzwischen weit hinausgeht und beispielsweise Erfahrungen, Praktiken oder Möglichkeiten von Mobilität ebenso in den Blick nimmt, so bleibt die Frage nach der Rolle der Technologie selbst praktisch immer präsent. Die soziale und kulturelle Praxis von Mobilität bezieht sich eben auch entscheidend