Grund seiner Bekanntschaft mit verschiedenen Größen der BankenBanken- und Börsenwelt wurde er 1919 Mitglied des „Board“ einer Lebensversicherung (National Mutual Life Insurance CompanyNational Mutual Life Insurance Company), 1921 dessen Vorsitzender. 1924 wird er zusätzlich Vorsitzender des Independent Investment TrustIndependent Investment Trust. Er managte erfolgreich deren Finanzanlagen, wobei er sehr häufig auf kurzfristige Wechselkursänderungen spekulierte. Auf Grund seines Interesse und seines Geschicks beim Finanzmanagement und bei Börsengeschäften wurde ihm bald die Verantwortung für die Finanzen des King‘s CollegeKing‘s College übertragen.
Eine weitere Einnahmequelle waren die vielen Aufsätze, die er in Zeitschriften und (Wochen-)Zeitungen gegen gutes Honorar veröffentlichte (im Jahre 1923 nicht weniger als 51 Aufsätze).
Ein streitbarer Politökonom (Vom 1. Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise)
Berater und Repräsentant des Schatzamtes
AWeltwirtschaftskriseuch für Keynes brachte der 1. Weltkrieg einschneidende Änderungen. Seine fundierten Kenntnisse der internationalen Finanz- und Währungsprobleme veranlassten das britische SchatzamtSchatzamt (die „TreasuryTreasury“), ihn als Berater einzustellen; binnen kurzem war er für die Finanzierung der Kriegsausgaben Großbritanniens und seiner Verbündeten zuständig und steuerte die Verhandlungen über DarlehenDarlehen der USAUSA an GroßbritannienGroßbritannien einerseits und von Großbritannien an die mit ihm verbündeten Staaten auf dem Kontinent andererseits. Sein Überblick und sein Argumentations- und Verhandlungsgeschick ließen ihn rasch zu einer einflussreichen Person im Schatzamt werden.
Keynes schrieb zahlreiche Memoranden und persönliche Briefe, die den Band. 16 seiner „Collected Writings“ (1971ff.) füllen, die lange nach seinem Tod von der „Royal Economic SocietyRoyal Economic Society“ herausgegeben wurden (zur Zitierweise siehe S. 181f).
So war es folgerichtig, dass Keynes nach dem Ende des Krieges in der britischen Delegation als Vertreter des Schatzamtes an der Pariser Friedenskonferenz teilnahm und zum offiziellen Repräsentanten des britischen Empires im „Supreme Economic Council“ bestimmt wurde. Er befasste sich nicht nur mit der Frage der Reparationszahlungen Deutschlands und seiner Verbündeten, sondern auch mit dem Problem, wie mit den Forderungen und Verbindlichkeiten umzugehen sei, die durch die KriegsfinanzierungKriegsfinanzierung zwischen den Allierten entstanden waren.
Keynes kämpfte für einen Friedensschluss, in dem die ReparationenReparationen, die insbesondere DeutschlandDeutschland zu zahlen hatte, auf eine Größenordnung beschränkt wurden, die Deutschland zu leisten in der Lage wäre, ohne dass seine Wirtschaft darunter zusammenbricht.
Nachdem er sich nicht durchsetzen konnte, schied er nach fünf Monaten harter Arbeit am 5. Juni 1919 aus der britischen Delegation aus.
Kasten 3: Wichtige Schriften von Keynes bis 1929
Indian Currency and Finance (1913). CW, Vol. 1
Treatise on Probability (1921). CW, Vol. 8
The Economic Consequences of the Peace (1919). CW, Vol.2Deutsch: Die Wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages (1920)
A Revision of the Treaty (1922). CW, Vol. 3Deutsch: Revision des Friedensvertrages (1924)
A Tract on Monetary Reform (1923). CW, Vol. 4Deutsch: Ein Traktat über Währungsform (1924)
Does Employment Need a Drastic Remedy? (1924). CW, Vol. 19,1.
The Economic Consequences of Mr. ChurchillChurchill (1925). CW, Vol. 9Deutsch: Die wirtschaftlichen Folgen von Mr. Churchill (Keynes, 1956)
Am I a Liberal? (1925). CW, Vol. 9Deutsch: Bin ich ein liberaler? In: Reuter, Norbert (2007) sowie in: John Maynard Keynes Ausgewählte Abhandlungen (1956)
Can Lloyd George Do it? (1929). CW, Vol. 9
Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages
Voller Zorn über die Uneinsichtigkeit und teilweise Borniertheit der Siegermächte schrieb Keynes in den vier Monaten nach seinem Ausscheiden das Buch „Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrags“ (1919/1920).
Keynes verband seine Analyse mit einer ziemlich drastischen Kritik an den führenden Vertretern der damaligen Siegermächte, insbesondere an Georges ClemenceauClemenceau und an dem US-amerikanischen Präsidenten Woodrow WilsonWilson Das Buch hatte einen immensen Erfolg und machte Keynes mit einem Schlag weltweit berühmt. Schon im Laufe des Jahres 1920 wurde es in 10 Sprachen übersetzt (darunter ins Russische und ins Chinesische); bis 1922 wurden insgesamt 140.000 Exemplare verkauft. Keynes machte sich zugleich bei vielen politisch Verantwortlichen sehr unbeliebt, besonders in FrankreichFrankreich und den USAUSA.
Die deutsche Übersetzung ist eine um ca. ein Viertel gekürzte Fassung. Sie erschien 1920 mit dem Titel „Die wirtschaftlichen Folgen des Friedenvertrags“ im Verlag Duncker & Humblot. 2006 ist sie unter dem Titel „Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles“ mit einer neuen längeren Einleitung vom Verlag Berenberg (Berlin) erneut veröffentlicht worden.
Die grundsätzliche Einstellung von Keynes zum Friedensvertrag wird aus folgender Passage deutlich: „Durch krankhafte Täuschung und rücksichtsloses Selbstbewußtsein getrieben, stürzte das deutsche Volk die Fundamente, auf denen wir alle lebten und bauten. Aber die Wortführer des französischen und des britischen Volkes haben das Wagnis unternommen, den Umsturz zu vollenden, den DeutschlandDeutschland begann, durch einen Frieden, dessen Verwirklichung das empfindliche, verwickelte, durch den Krieg bereits erschütterte und zerrissene System, auf Grund dessen allein die europäischen Völker arbeiten und leben können, noch weiter zerstören muß, statt es wiederherzustellen.“ (1919/2006, S. 39)
Zur Fundierung seiner Kritik versucht Keynes unter Heranziehung aller Informationen über die Produktion wichtiger Rohstoffe (insbesondere Kohle) und Produkte sowie über den Außenhandel abzuschätzen, welche ReparationsleistungenReparationsleistungen DeutschlandDeutschland maximal erbringen kann. Er unterstreicht, dass Deutschland auf Dauer nur Reparationsleistungen erbringen kann, wenn es entsprechende Überschüsse in der Leistungsbilanz erwirtschaftet, wenn ihm das Ausland mithin genügend hohe Exporte ermöglicht, indem es seine Märkte für deutsche Waren öffnet. Auf solche Überlegungen nimmt der Friedensvertrag von Versailles keine Rücksicht. Stattdessen legten es seine Vorschriften darauf an, Deutschlands Wirtschaft am Boden zu halten – was auch die Prosperität der europäischen Siegermächte beeinträchtigen und die Quelle von Hungersnot und politischer Unruhe sein werde.
Drei Jahre später veröffentlicht Keynes einen Folgeband (Revision of the Treaty, 1922). In diesem Band, von Keynes selbst als Folgeband zu den „Economic Consequences of the Peace“ bezeichnet, konzentriert sich Keynes auf die Entwicklung der Reparationsfrage in den zwei Jahren nach dem Friedensvertrag von Versailles, dessen Bestimmungen er 1919 so heftig kritisiert hatte. Keynes berichtet, dass die ungeklärte Reparationsfrage nach wie vor die politische und ökonomische Situation in Europa belaste, zumal es für DeutschlandDeutschland unmöglich sei, die ursprünglich geforderten Zahlungen zu leisten. Er macht weitreichende Vorschläge, die zu einer drastischen Reduktion der Reparationsforderungen geführt hätten, verbunden mit einem Verzicht der USAUSA und Großbritanniens auf Rückzahlung ihrer im Krieg gewährten Kredite an ihre Verbündeten (USA vor allem an GroßbritannienGroßbritannien, dieses wiederum vor allem an FrankreichFrankreich). Erfolg hatten diese Vorschläge leider nicht.
Daher äußerte sich Keynes weiterhin zur Reparationsfrage und insbesondere zu der Frage, wie und mit welchen Konsequenzen die in deutscher Währung an die Reparationsagenten der Siegermächte geleisteten Zahlungen in Devisen transferiert werden können. Seine Auseinandersetzung mit Bertil Ohlin ist in Band. 11 der Collected Writings nachzulesen und seine sonstigen Artikel, Memoranden und Briefe dazu füllen den Band. 18.
Erst 1931 in der WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise, als es ökonomisch und vor allem politisch zu spät war, wird auf der Konferenz von Lausanne ein Ende der Reparationszahlungen vereinbart.
Keynes