lebhaft sei, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Es müssen Gewinnchancen vorliegen und es muß den Unternehmern möglich sein, Verfügungsmacht über genügend große Mittel zu erlangen, um ihre Pläne zur Durchführung zu bringen, (weil) ihre Fähigkeit, ihre Projekte zu Bedingungen, die ihnen vorteilhaft erscheinen, zur Durchführung zu bringen, fast ganz von dem Verhalten des Bank- und Geldwesens abhängt.“
Diese Hypothese stimmt mit den Überlegungen von SchumpeterSchumpeter – dem zweiten überragenden Ökonomen des 20. Jahrhunderts – überein. Schumpeter erläutert in seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ (1911, 1926 zweite überarbeitete Auflage), dass – ausgehend von einer vollbeschäftigten Wirtschaft – zusätzliche InvestitionenInvestitionen nur möglich sind, wenn der investierende UnternehmerUnternehmer Ressourcen aus ihrer bisherigen Verwendung abziehen bzw. abwerben kann. Zu diesem Zweck nimmt der typische Unternehmer einen Kredit auf oder gibt Aktien aus und kann mit den so erhaltenen Geldmitteln die benötigten Ressourcen an sich ziehen, indem er einen etwas höheren als den bestehenden Preis bzw. Lohn zahlt. Das GleichgewichtGleichgewicht wird damit gestört, und es beginnt ein expansiver dynamischer Prozess, der bei Schumpeter irgendwann zu einem neuen Gleichgewicht führt.
Was aber geschieht bei Keynes (1930)? Es liegt nahe zu vermuten, dass von den höheren Einkommen, die im Zuge des expansiven Prozesses entstehen, ein Teil gespart wird, sodass die zusätzlichen InvestitionenInvestitionen mit der Zeit durch höhere ErsparnisseErsparnisse ausgeglichen werden. Soweit hatte sich Keynes aber 1930 noch nicht von der impliziten Annahme der VollbeschäftigungVollbeschäftigung und der dadurch vorgegebenen gesamtwirtschaftlichen Ersparnis gelöst.
In welchem Ausmaß der Zusammenhang von Ersparnis und Einkommen von ihm wie von anderen Ökonomen jener Zeit unbeachtet und unverstanden blieb, zeigt Keynes’ BananenparabelBananenparabel, mit der er veranschaulichen wollte, welche Wirkungen eine plötzliche Zunahme der Spartätigkeit hat.
In dieser BananenparabelBananenparabel betrachtet Keynes eine geschlossene Volkswirtschaft, in der nur Bananen konsumiert werden. Die Wirtschaft ist in der Ausgangslage im GleichgewichtGleichgewicht, indem die produzierten Bananen alle konsumiert werden. InvestitionenInvestitionen und ErsparnisseErsparnisse stimmen überein, solange die Ersparnisse (der Nichtkonsum) derjenigen, die Bananen produzieren, verwendet werden, um die Arbeitskräfte zu versorgen, die die Plantagen erweitern oder ertragsreicher machen.
Keynes untersucht nun: Was passiert, wenn die Arbeiter plötzlich auf Grund einer Sparkampagne beschließen, mehr zu sparen, d.h. weniger Bananen zu essen? Daraufhin setze – selbst bei flexiblen Preisen und Löhnen – ein kontraktiver Prozess ein. Dieser nimmt, meint Keynes, erst ein Ende, wenn entweder
1 die Bananenproduktion ganz zum Erliegen kommt und die Bevölkerung verhungert, oder
2 die Sparkampagne abgeblasen wird bzw. wegen der zunehmenden Verarmung im Sande verläuft, oder
3 die InvestitionenInvestitionen irgendwie stimuliert werden.
Während die Lösungen (b) und (c) plausibel sind, gilt für die Lösung (a) das Gegenteil: Sie klingt aus heutiger Sicht absurd. Sie kann nur auftreten, wenn die ErsparnisseErsparnisse unabhängig vom Einkommen sind. Trifft man dagegen – wie es Keynes dann in seiner „Allgemeinen Theorie“ von 1936 tut – die realistische Annahme, dass die Spartätigkeit vor allem vom Einkommen abhängt, kann der Fall (a) gar nicht eintreten, weil mit schrumpfenden Einkommen die Ersparnisse auch zurückgehen. Der Abwärtsprozess kommt daher bereits zum Halt, wenn die ursprüngliche kampagnenbedingte Zunahme der Ersparnisse durch deren einkommensbedingte Abnahme wieder kompensiert wird.
Kasten 7: Die BananenparabelBananenparabel in grafischer Darstellung
Es seien Y das Einkommen, S die ErsparnisseErsparnisse und I die InvestitionenInvestitionen (ohne ungeplante Vorratsinvestitionen)
BananenparabelBananenparabel (Keynes 1930)
Bis zur Sparkampagne stimmen I und S0 überein. Angebot und Nachfrage sind einander gleich. Wenn die Kampagne einsetzt, steigt die Ersparnis auf S1. Es gibt (falls nicht die Lösungen b oder c greifen) kein GleichgewichtGleichgewicht mehr, egal wie tief Y sinkt.
Sparparadox (Keynes 1936)
Der Unterschied zwischen BananenparabelBananenparabel und Keynes’ späterer Analyse wird in Kasten 7 graphisch veranschaulicht.
Angesichts all dieser Widersprüche und Unklarheiten verwundert es nicht, dass Keynes mit seinem Werk unzufrieden war, und kurz darauf begann – unterstützt und angetrieben von einer Gruppe jüngerer Ökonomen – die Argumentation seines Werks kritisch zu hinterfragen und vor allem das Problem der UnterbeschäftigungUnterbeschäftigung in den Mittelpunkt zu rücken, dessen Brisanz durch die 1929 ausbrechende WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise offen zu Tage getreten war.
Bei einkommensabhängiger Ersparnis besteht in der Ausgangssituation gesamtwirtschaftliches GleichgewichtGleichgewicht nur bei Y0. Nach der Sparkampagne spart die Bevölkerung bei jedem Einkommen einen höheren Betrag und schränkt entsprechend ihren Konsum ein; jetzt gilt die Sparkurve S1. Daraufhin sinkt das Einkommen, aber nur solange, bis die Gesamtersparnis wieder auf die Höhe der InvestitionenInvestitionen zurückgeht. Die Situation hat sich also auch in dieser Betrachtung verschlechtert: Die Ersparnis ist nicht höher als zuvor, Einkommen und Produktion aber sind zurückgegangen. Die von den einzelnen Sparern erhoffte Verbesserung ihrer Vermögenslage durch mehr SparenSparen tritt wegen der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ein.
Der Schock der Weltwirtschaftskrise und die Reaktion von Keynes
DWeltwirtschaftskriseie WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise stieß von 1929 bis 1933 fast alle Industriestaaten in eine tiefe wirtschaftliche DepressionDepression. Sie hatte auch politisch verheerende Auswirkungen, insbesondere in Deutschland. Bei den Ökonomen waren die Reaktionen unterschiedlich: Die meisten hielten an der herrschenden Vorstellung fest, wonach auch diese Krise durch Selbstheilungskräfte des Marktes zügig überwunden werde. Keynes dagegen kämpfte verstärkt für aktives staatliches Handeln gegen die Krise. Zugleich erkannte er die Notwendigkeit, eine völlig neue theoretische Grundlage für seine wirtschaftspolitischen Empfehlungen zu erarbeiten.
Zum Ausmaß der Weltwirtschaftskrise
WeltwirtschaftskriseNeben und nächst den beiden Weltkriegen bildete die WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise die dritte Katastrophe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie brachte das Ende der kurzen Prosperitätsphase, derer sich die meisten Völker der Welt in den Jahren 1924–1929 erfreuen konnten, nachdem man die schlimmsten Folgen des 1. Weltkriegs (1914–1918) überwunden zu haben glaubte. Ihren Anfang nahm die Weltwirtschaftskrise in den USAUSA.
In den USAUSA war die vorangehende Prosperitätsphase begleitet von steigenden Aktienkursen, die immer mehr Leute veranlasste, mit Aktien zu spekulieren, wofür sie vielfach Kredite aufnahmen. Viele Haushalte fühlten sich durch den ständig steigenden Wert ihrer Aktienbestände reicher und gaben ihr Einkommen sorglos für Konsumgüter aus oder kauften diese auf Kredit. Die damals herrschende euphorische Stimmung ist bei Galbraith (1963) gut nachzulesen.
Diese Phase weitverbreiteter Aufwärtsentwicklung endete abrupt mit dem Platzen der AktienkursblaseAktienkursblase an der New Yorker Börse im Oktober 1929, vor allem am 24. und 29. Oktober (schwarzer Donnerstag und schwarzer Dienstag). Durch die drastisch sinkenden Kurse (um ca. 40 % im Laufe von 30 Tagen) schmolzen die gegebenen Sicherheiten dahin, die BankenBanken forderten die gewährten Kredite zurück, die Aktienbesitzer mussten ihre Aktien verkaufen (da sie andere Sicherheiten nicht bieten konnten). Dadurch sanken die Kurse weiter und die Lage verschärfte sich immer mehr. Da große Teile ihrer Forderungen nicht mehr einzutreiben waren, mussten viele Banken Konkurs anmelden. Eine detaillierte und dramatische