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Entscheidung „Untreue zwei Tage nach der Eheschließung“ (OLG München, Beschluss vom 28.07.2010, Az. 33 WF 1104/10):
Anmerkung der Autorin: Keine unzumutbare Härte nach Ansicht des Gerichts bei Ehebruch zwei Tage nach der Eheschließung mit der Freundin der Braut.
Aus den Gründen: „Nicht jede Aufnahme einer außerehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Dritten begründet die Unzumutbarkeit für den anderen Ehegatten, das Trennungsjahr abzuwarten. Damit wird nicht der Treuebruch selbst bagatellisiert, sondern der gesetzgeberischen Wertung Rechnung getragen, die eben das Vorliegen einer unzumutbaren Härte verlangt. Deshalb müssen weitere Umstände wie etwa die Darstellung in der Öffentlichkeit oder ein ehebrecherisches Verhältnis in der früheren Ehewohnung hinzutreten, die es für den anderen Ehegatten geradezu als entwürdigendes Unrecht erscheinen lassen, wenn man ihn noch länger am Eheband festhalten wollte.
Daraus folgt, dass die Art und Weise sowie die Begleitumstände des Treubruchs die Annahme eines Härtegrundes rechtfertigen können. Als Grund für die Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres hat die Rechtsprechung beispielsweise anerkannt den Geschlechtsverkehr mit der vorehelichen Tochter der Frau; mit Familienangehörigen oder der Schwägerin; den Ehebruch, der auch für Dritte in einer kleinen Gemeinde offensichtlich ist; wenn der Ehebruchspartner in die eheliche Wohnung aufgenommen wird oder zur Verletzung der Treuepflicht weitere demütigende Umstände hinzukommen, etwa die Aufforderung zum Geschlechtsverkehr zu dritt nach Entdeckung des ehebrecherischen Verhältnisses oder auch einmaliger Geschlechtsverkehr mit einem bis dahin unbekannten Mann, den die Ehefrau ebenso wie die hierdurch begründete Schwangerschaft trotz entsprechenden Aids-Risikos dem Ehemann zunächst verschweigt. Nach alldem ist festzustellen, dass hier zwar ein ehelicher Treubruch vorliegt, der sich dadurch hervorhebt, dass er bereits wenige Tage nach der Eheschließung offenkundig geworden ist und zudem mit einer engen Freundin der Antragstellerin. Es müssen vielmehr besonders erschwerende Begleitumstände hinzutreten, so dass das Verhalten des anderen Ehegatten für den verlassenen Ehegatten besonders erniedrigend oder peinlich wäre.“
■ Einmalige körperliche Misshandlung im Affekt aufgrund eines Streits rechtfertigt keine sofortige Scheidung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27.02.2001, 17 UF 411/00)
3.3 Die Schutzklauseln des § 1568 BGB
Für alle Scheidungstatbestände (Fallgruppen) sind zusätzlich die Schutzklauseln nach § 1568 BGB zu beachten (Johannsen/Henrich 2015).
§ 1568 BGB (Härteklausel)
„Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.“
3.3.1 Kinderschutzklausel (§ 1568 S. 1, 1. Alt. BGB)
Ehe im Interesse der Kinder
Die Ehe ist trotz Scheiterns nur dann zu scheiden, sofern und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise nicht notwendig ist. Dies kann auch der Fall sein, wenn die Scheidung für den anderen Ehegatten eine schwere Härte darstellen würde, die sich auf das Kind auswirkt (z. B. Miterleben müssen des beim Ehegatten ausgelösten ungewöhnlich starken Leidensdrucks; hier Prüfung von Amts wegen § 127 Abs. 3 FamFG).
3.3.2 Ehegattenschutzklausel (§ 1568 S. 1, 2. Alt. BGB)
Scheidung als schwere Härte
Die Ehe soll zudem nicht geschieden werden, wenn und solange die Scheidung aufgrund außergewöhnlicher Umstände für den Antragsgegner eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint, z. B. bei einer psychischen Ausnahmesituation, Gefahr von Kurzschlussreaktionen bis hin zu der Gefahr einer Tötung oder Suizids.
Entscheidung „Depression durch Trennungskonflikt“ (OLG Brandenburg, Urteil vom 06.11.2008, 9 UF 50/08):
Anmerkung der Autorin: Der Antragsgegner litt „an einer schweren Depression durch Trennungskonflikt“. Es wurde „eine schwere depressive Episode, ausgelöst durch die Trennung von der Ehefrau vor dem Hintergrund einer akzentuierten Persönlichkeit mit Neigung zur cholerischen, rechthaberischen Verhalten“ bei ihm diagnostiziert, der sich an den Wunsch nach Rückkehr der Ehefrau geklammert habe.
Aus den Gründen: „Nach § 1568 2. Alternative BGB soll die Ehe trotz ihres Scheiterns nicht geschieden werden, wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Die Vorschrift will aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Scheidung zur Unzeit verhindern, weshalb an die Feststellung der schweren Härte ein strenger Maßstab anzulegen ist, der nur bei außergewöhnlichen Tatsachen vorliegen kann. Die Härtefallklausel bietet also schon im Ansatz nur einen zeitlich begrenzten Ehebestandsschutz und greift nicht ein, wenn es geeignete andere Maßnahmen zur Milderung oder Beseitigung der Härte gibt als allein den Ausschluss der Scheidung; die Verweigerung der Scheidung muss mithin das einzige Mittel sein, um den Ehegatten vor einer für ihn durch die Scheidung sonst entstehenden unerträglichen Lage zu bewahren. Härten, die mit Trennung und Scheidung üblicherweise einhergehen, können niemals die Anwendung des § 1568 BGB rechtfertigen (OLG Hamm FamRZ 1989, 1188/1189; erkennender Senat, FamRZ 2007, 1888, 1889).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Annahme eines Härtefalles nach § 1568 BGB im Streitfall nicht gerechtfertigt.“
Entscheidung „Suiziddrohung eines psychisch Kranken“ (OLG Schleswig, Urteil vom 21.12.2005, 15 UF 85/05):
Aus den Gründen: „Bei Suiziddrohung eines psychisch Kranken, der in der Steuerung seiner seelischen Reaktionen erheblich beeinträchtigt ist, darf die Ehe nicht geschieden werden, bis die ausreichende medizinische Betreuung des Kranken gesichert ist.“
4 Aufhebung einer Ehe (§§ 1313–1320 BGB)
Gründe
Die Aufhebungstatbestände der Ehe sind in den §§ 1313–1320 BGB abschließend geregelt. Sie spielen in der Praxis allerdings eine absolut untergeordnete Rolle. Die Aufhebungstatbestände im Gesetz sind:
■ fehlende Ehemündigkeit nach § 1303 BGB (§ 1314 BGB): Nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.07.2017 (vgl. BGBl. I S. 2429) ist das Alter der Ehemündigkeit im Eheschließungsrecht von 16 Jahren auf 18 Jahre heraufgesetzt worden. Bisher konnte das Familiengericht Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, vom Alterserfordernis der Ehemündigkeit befreien.
Eine Ehe ist durch richterliche Entscheidung aufzuheben, wenn ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Von einer Aufhebung kann nur in besonderen Härtefällen sowie dann abgesehen werden, wenn der minderjährige Ehegatte zwischenzeitlich volljährig geworden ist und die Ehe bestätigt.
Diese Regelung soll auch für nach ausländischem Recht