Sabahat Gürbüz

Familien- und Kindschaftsrecht für die Soziale Arbeit


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Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich aus den folgenden Vorschriften.“

      Zerrüttungsprinzip

      Das früher herrschende Schuldprinzip hat der Gesetzgeber schon 1976 abgeschafft. Es gilt (nunmehr) das Zerrüttungsprinzip (Wellenhofer 2017).

       § 1565 BGB (Scheitern der Ehe)

      „(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

      (2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.“

      Wann eine Ehe zerrüttet und damit gescheitert ist, wird anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt (hierzu auch Dethloff 2015).

      Das Gesetz geht von vier Fallgruppen aus, die sich aus Abb. 4 ergeben und im Folgenden erläutert werden.

      Abb. 4: Fallgruppen der Scheidung

      einvernehmliche Trennung (1 Jahr)

      Das Scheitern der Ehe wird nach einjähriger Trennungszeit und Einvernehmlichkeit der Eheleute unwiderleglich vermutet. Die Definition des Begriffs Trennung ergibt sich aus § 1567 BGB:

      § 1567 BGB (Getrenntleben)

      „(1) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.

      (2) Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nicht.“

      Begriff der „Einvernehmlichkeit“

      „Einvernehmlichkeit“ der Scheidung bedeutet, dass eine beidseitige Beantragung der Scheidung oder eine entsprechende Zustimmung zur Scheidung vorliegt (aber keine Einvernehmlichkeit, wenn z. B. Sorgerecht bezüglich ehelicher Kinder streitig ist).

      Begriff der „Trennung“

      Die „Trennung“ im Sinne § 1567 BGB bedeutet das Ende der häuslichen Gemeinschaft sowie der Wille zur Trennung und Scheidung (Münder et al. 2013).

      Eine Trennung gemäß § 1567 BGB ist gegeben, wenn eine häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht: Trennung meint dabei insbesondere eine Trennung von „Tisch und Bett“.

      Entscheidung „Scheitern der Ehe bei Geisteskrankheit eines Ehegatten“ (BGH, Urteil vom 07.11.2001, XII ZR 247/00):

      Anmerkung der Autorin: Der Fall behandelt die Frage der häuslichen Gemeinschaft zwischen Parteien, die zu keinem Zeitpunkt zusammen gelebt haben. Der Ehemann bewohnt im selben Haus wie seine kranke Frau eine (Nachbar-)Wohnung und kümmert sich intensiv um die Ehefrau. Der Betreuer der Ehefrau stellt einen Scheidungsantrag.

      Aus den Gründen: „Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist das Ganze des ehelichen Verhältnisses, primär aber die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer von beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnstätte. Im Verhältnis zueinander ist die Lebensgemeinschaft der Ehegatten der umfassendere Begriff; die häusliche Gemeinschaft bezeichnet nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft.“

      Gemeinsame Wohnung

      Ein „Getrenntleben“ ist auch möglich, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben (Dethloff 2015).

      Berücksichtigung einer Versöhnung

      Die Annahme des Getrenntlebens innerhalb der ehelichen Wohnung setzt allerdings voraus, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und zwischen den Ehegatten keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen (BGH, Urteil vom 14.06.1978, IV ZR 164/77; OLG Köln, Beschluss vom 07.12.2012, 4 UF 182/12; Palandt 2017).

       Versöhnungsversuche unterbrechen die Trennungszeit. Bei der Berechnung werden allerdings Versöhnungsversuche (nach der Rechtsprechung) unter 3 Monaten nicht mitgerechnet: Wird also nach einer gewissen Zeit des Getrenntlebens ein Versuch gestartet, sich zu versöhnen, der dann allerdings innerhalb von 3 Monaten scheitert, wird bei der Bemessung der Zeit des Getrenntlebens auch die Zeit des Versöhnungsversuchs mit eingerechnet (Dethloff 2015).

      Entscheidung „Versöhnungsversuch“ (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.09.2009, Az.: 6 WF 98/09):

      Leitsatz: „Ein Zeitraum von drei Monaten stellt – vorbehaltlich besonderer Umstände – die Obergrenze dar, bis zu der noch ein „Zusammenleben über kürzere Zeit“ im Sinne des § 1567 Abs. 2 BGB – und damit ein den Lauf des Trennungsjahres nicht beeinflussender Versöhnungsversuch – angenommen werden kann.“

      Trennungswillen

      Eine „Trennung“ gemäß § 1567 BGB ist nur bei einem entsprechenden Trennungswillen (mindestens bei einem der Eheleute) anzunehmen. Voraussetzung ist danach der Wille zur Trennung und Scheidung, der tatrichterlich festgestellt werden muss.

      Einer Scheidung steht nicht entgegen, dass ein erkrankter Ehegatte im familiengerichtlichen Verfahren aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung keinen Scheidungswillen mehr fassen kann: Die Ehe kann dennoch geschieden werden, wenn die Eheleute seit mehr als einem Jahr getrennt leben, der Erkrankte im Zusammenhang mit der Trennung einen natürlichen Willen zur Scheidung und Trennung gefasst hat und er die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnt. Bei Vorliegen des freien Willens ist der Mensch geschäfts- und einwilligungsfähig. Der natürliche Wille ist – in Abgrenzung zum freien Willen – der Wille, der in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gefasst wird. Das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben (Art. 2 Abs. 1 GG) gebietet es aber nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit, auch den natürlichen Willen zu beachten.

      Entscheidung „Demenz“ (OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2013, 3 UF 43/13):

      Anmerkung der Autorin: Der an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte 60-jährige Antragsteller hatte im Frühjahr des Jahres 2011 die 20 Jahre jüngere Antragsgegnerin geheiratet. Ende des Jahres kam es nach ca. achtmonatigem ehelichen Zusammenleben zur Trennung der Eheleute. Bei einer im Frühjahr 2012 im Rahmen des Betreuungsverfahrens durchgeführten richterlichen Anhörung hat der Antragsteller trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen seinen Willen zur Trennung und Scheidung geäußert. Die für den Antragsteller bestellte Betreuerin reichte daher im Jahre 2012 einen Scheidungsantrag ein, dem die Ehefrau mit der Begründung, dass der Antragsteller an der Ehe festhalten wolle, entgegengetreten ist.

      Leitsätze: