Grundlagen wirtschaftlicher Beziehungen in regionaler und globaler Perspektive. Weitere Informationen über seine Forschungsinteressen und Publikationen unter www.wirtschaftsgeographie.uni-hd.de.
Impressum
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© 2002/2018 Eugen Ulmer KG
Wollgrasweg 41, 70599 Stuttgart (Hohenheim)
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Internet: www.ulmer.de
Produktion: primustype Hurler GmbH | v1
ISBN 978-3-8252-8728-3 (Print)
ISBN 978-3-8463-8728-3 (E-Book)
Vorwort zur 4. Auflage
In der ersten Auflage der Wirtschaftsgeographie vor über 15 Jahren war es uns ein Anliegen, die thematische Begrenzung, ein oftmals deterministisches Verständnis von Raum und die geringe Interdisziplinarität in konventionellen Lehrbüchern zu überwinden und neue Strömungen in der Geographie und den Sozialwissenschaften aufzugreifen. Wir argumentierten mit der zweiten Transition als paradigmatischem Übergang für den integrativen und sozialwissenschaftlich anschlussfähigen Rahmen einer relationalen Wirtschaftsgeographie. Angeregt durch vielfältige fachliche Entwicklungen, aber auch durch kritische Fragen, Kommentare und Hinweise seitens unserer Kollegen und Studierenden, haben wir die Struktur dieses Buchs seit der ersten Auflage fortwährend angepasst und umfangreich erweitert. Seit der dritten Auflage haben sich aktuelle Strömungen wie z.B. institutionelle, evolutionäre, netzwerk- oder clustertheoretische Ansätze weiterentwickelt, ebenso wie sich förderpolitische Rahmenbedingungen und Instrumente auf bundesdeutscher und europäischer Ebene gewandelt haben. Wir haben diese Entwicklungen genutzt, um das Buch vollständig zu überarbeiten, Fehler zu korrigieren, Textteile traditioneller Ansätze und Debatten zu straffen und neuere Ansätze um jüngste Forschungsbeiträge zu aktualisieren. Angesichts des mittlerweile bemerkenswerten Umfangs des Buchs und der großen fachhistorischen Reichweite von Ansätzen länderkundlicher Wirtschaftsgeographie über die klassische Standortlehre bis hin zur Vielfalt gegenwärtiger mikro- und makroanalytischer Innovations- und Entwicklungstheorien danken wir Katrin Janzen, Regina Lenz, Anna Mateja Schmidt, Laura Suarsana, Michael Handke, Robert Panitz, Christian Wuttke und Marius Zipf herzlichst für die kritische Durchsicht des Manuskripts und für viele inhaltliche und redaktionelle Hinweise und Anregungen.
Trotz all der fachlichen Weiterentwicklungen und des anhaltenden technologischen und wirtschaftlichen Wandels einer globalen Wissensökonomie bleibt es das Ziel des Buchs, eine breite und grundlegende Einführung in zentrale Fragen der Wirtschaftsgeographie anzubieten: Warum und wie sind ökonomische Prozesse an verschiedenen Orten und Regionen unterschiedlich organisiert? Wie kommt es deshalb zu beobachtbaren und messbaren sozioökonomischen Differenzierungen in räumlicher Perspektive? Wie sind Unternehmen auf unterschiedliche Weise in lokale, regionale, nationale oder supranationale Entwicklungszusammenhänge eingebunden und wie prägen diese ihr Handeln? Damit verbunden ergeben sich für die wirtschaftsgeographische Forschung vielfältige Aufgaben, insbesondere das Erklären und Verstehen lokalisierter Ballungs- und Spezialisierungsprozesse, der Entstehung und Dynamik räumlicher Disparitäten, der wirtschaftlichen Interaktion über geographische Entfernung sowie der Folgen des technologischen und institutionellen Wandels für die wirtschaftliche Entwicklung.
Die fachliche Entwicklung der letzten Jahre weist aufgrund neuer Ansätze und einer Wiederbelebung und Weiterentwicklung quantitativer Methoden nicht nur auf das angestiegene – bislang jedoch vielfach noch ungenutzte – Potenzial disziplinübergreifender Forschung und Zusammenarbeit hin. Stattdessen besteht die Gefahr, dass eine mitunter zunehmende Bildung von Schulen, wie z.B. der evolutionären Wirtschaftsgeographie oder globaler Produktionsnetzwerke, auch neue Spaltungen innerhalb der Wirtschaftsgeographie hervorruft. In diesem Spannungsfeld sehen wir die relationale Wirtschaftsgeographie nicht als eine weitere Theorie, die mit anderen Strömungen konkurriert, sondern als eine Perspektive, die vielfältige gegenstandsbezogene Konzepte und Theorien innerhalb und außerhalb des Fachs zu verbinden sucht. Das bereits in der dritten Auflage bemängelte Auseinanderdriften des Fachs und die gegenseitige Ausgrenzung unterschiedlicher Methoden und Gedankengebäude betrachten wir nach wie vor mit Sorge.
Stattdessen schlagen wir mit der relationalen Wirtschaftsgeographie eine explizit inklusive Perspektive vor, die anschlussfähig für viele sozialwissenschaftliche Ansätze und fachtheoretische Konzepte ist. Sie ist keine geschlossene Theorie, sondern eine analytische Forschungsperspektive, die vielfältige und heterogene Forschungsansätze umfasst, zugleich aber sechs grundlegende Kriterien in ihren Untersuchungsdesigns zusammen bindet (Bathelt und Glückler 2017):
Relationalität. Erstens geht relationale Forschung davon aus, dass soziales Handeln und soziale Beziehungen zwischen Akteuren als Quelle wirtschaftlicher Phänomene und Entwicklungen zu betrachten sind. Wirtschaftliche Phänomene „haben“ keine sozialen Beziehungen, sondern werden durch diese konstituiert.
Kontextualität. Zweitens impliziert der Fokus auf soziale Interaktionen eine systematische Berücksichtigung des raum-zeitlichen Kontexts und der damit verbundenen vielfältigen situativen Bedingungen.
Kontingenz. Drittens gelten die Konsequenzen ökonomischen Handelns notwendigerweise als ergebnisoffen. Aufgrund der immanenten Kontextabhängigkeit interessiert insbesondere, unter welchen Bedingungen Handlungskonsequenzen von erwarteten Auswirkungen abweichen – warum z.B. die Unternehmen einer Region trotz scheinbar günstiger Wachstumsbedingungen stagnieren.
Prozessualität. Viertens richtet sich der Erklärungsanspruch weniger auf formale Kausalität, sondern auf die Rekonstruktion und Qualität der einem wirtschaftlichen Phänomen zugrundeliegenden Prozesse. In historischer Perspektive wird ökonomisches Handeln daher als pfadabhängig angenommen. Insofern präferiert der relationale Ansatz evolutionäre Konzepte gegenüber Erklärungen, die an Lebenszyklusansätzen angelehnt sind.
Räumliche Perspektive. Fünftens folgt ein relationales Forschungsdesign in der Wirtschaftsgeographie einer räumlichen Perspektive von Handeln (Bathelt und Glückler 2003), durch die ökonomische Prozesse in Raum und Zeit situiert und in ihren Beziehungen zwischen verschiedenen Maßstabsebenen untersucht werden können. Raum gilt weder als Container von Merkmalen noch als Kausalfaktor, sondern ermöglicht die Problematisierung ökonomischer Prozesse hinsichtlich ihrer Dichte und Diversität sowie ihrer räumlichen Entfernung und sozialen Disparitäten.
Übertragbarkeit der Erkenntnisse. Trotz der Betonung von Kontextualität, Kontingenz und Pfadabhängigkeit strebt ein relationales Forschungsdesign sechstens nicht allein nach einzelnen Tatsachenerklärungen, sondern nach abstrahierbaren Erkenntnissen, die auf andere Kontexte als Prinzipien übertragen werden können. Es ist deshalb wichtig zwischen den notwendigen und kontingenten Bedingungen eines Kontexts zu unterscheiden (Sayer 2000). Relationale Konzepte können somit als Theorien mittlerer Reichweite (Merton 1949) charakterisiert werden, die einerseits gegenstandsnah gewonnen werden (Authentizität), zugleich aber abstrakt genug sind, um transferierbare Theorien zu entwickeln (Strukturierung).
Dieses Lehrbuch fördert neben der Vermittlung des aktuellen Forschungsstands vor allem kritisches Denken und konzeptionelle Zusammenhänge in der Wirtschaftsgeographie. Es unterscheidet sich von traditionellen Lehrbüchern dadurch, dass es über die scheinbar neutrale Darstellung etablierter Theorien hinausgeht. Es ist keine Enzyklopädie, die ein statisches Gesamtbild der Disziplin zeichnet. Im Gegenteil: Wir führen eine kritische Debatte wirtschaftsgeographischen Denkens mit dem Ziel, Studierende und Fachinteressierte aufgrund der Darlegung von Begriffen, Konzepten und deren Implikationen zu einem kompetenten Verständnis von Wirtschaftsgeographie anzuregen.
Natürlich ist es unmöglich, sämtliche Diskussionsstränge und Anwendungsbereiche gleichermaßen einzubeziehen. Die Auswahl der dargestellten