Harald Jacobsen

Tatort Ostsee


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Ollis Freundin war ertrunken, als er ungefähr 14 war. Und nun, Jahre später, ist wieder eine Frau ertrunken, die was mit ihm hatte. Konnte das ein Zufall sein?

      »Das war doch super! Wie sieht es aus? Wollen wir es mal mit Brett versuchen?«

      Sophie war etwas mulmig zumute.

      »Na los. Ich würde das nicht vorschlagen, wenn ich nicht sicher wäre, dass du es packst.«

      Eine Viertelstunde später half Olli ihr, die Füße in die Schlaufen zu stecken. »Jetzt machst du es gleich genau wie beim Bodydragging. Zieh den Schirm nach unten und gleich wieder hoch. Und los gehts.«

      Sophie war unentschlossen und abgelenkt. Die Sache mit dem toten Teenager mogelte sich immer wieder in ihre Gedanken. Aber 14-Jährige brachten doch niemanden um! Sie zog den Drachen aggressiv nach unten. Teenager erschossen ihre Lehrer und die halbe Klasse, wenn sie durchdrehten, aber Mord? Sie wusste ja nicht mal, unter welchen Umständen das Mädchen ertrunken war. Der Wind packte ihren Schirm mit solcher Wucht, dass sie sich panisch an die Bar klammerte und durch die Luft flog.

      »Lass los! Sophie! Lass die verdammte Bar los!«

      Sophie lockerte den Griff. Mit großer Wucht klatschte sie aufs Wasser. Olli war sofort bei ihr. »Scheiße! Alles klar?«

      Er half ihr auf die Beine. Ihr Schirm lag flatternd auf der Wasseroberfläche. »Bist du verrückt? Du bist ja abgedüst, wie eine Rakete! Das war total leichtsinnig! Was war denn?«

      Sophie wischte sich das nasse Haar aus dem Gesicht. »Keine Ahnung, was los war! War wohl so eine Böe.«

      »Ne Böe? Quatsch! Warum hast du nicht losgelassen? Das ist hier zu gefährlich, um unkonzentriert riskante Manöver zu fahren! Kapiert? Es kann doch nicht so schwierig sein, die einfachsten Grundregeln zu begreifen!«

      Es machte sie sauer, dass er sie behandelte wie ein dummes kleines Mädchen. »Komm wieder runter!«, schnauzte sie zurück. »Ich bin kein Teenager mehr, den du zusammenstauchen kannst. Etwas mehr Respekt! Und ich ersauf auch nicht so schnell!«

      Seine Augen wurden schmal. »Aha, du bist schon groß!«, zischte er. »Dein Alter ist der Ostsee ziemlich egal. Und das Wasser hat auch keinen Respekt. Es kann dich umbringen!«

      Hanjo stand in der Gaststube am Tresen und wählte die Nummer des Hotel Ostseeblick.

      »Ostseeblick. Tees Hansen am Apparat.«

      »Moin, Tees. Ich bins, Hanjo.«

      »Mensch, Hanjo! Schön, dass du dich mal meldest.«

      »Tees, ich brauch dringend eine Aushilfe. Ich pack das hier sonst nicht. Hast du nicht noch jemanden?«

      »Du, hab ich tatsächlich! Eine junge Frau aus Burg. Sie sucht einen Ferienjob und hat bei uns angefragt. Wir haben aber genug Leute. Soll ich der mal deine Nummer geben?«

      »Unbedingt! Ich weiß nicht mehr ein noch aus.«

      »Schon gut. Warum kommst du nicht mal wieder auf ein Glas vorbei?«

      »Im Moment ist alles ein bisschen viel. Erst Freyas Tod und jetzt diese Sache mit den toten Mädchen.«

      »Ja, schlimm!«, gab Tees zu. »Ich sag dir, meine Frau traut sich abends kaum noch vor die Tür. Dabei …«

      »Du, ich glaub, da brennt was an! Bis denn.« Hanjo warf den Hörer auf die Gabel. Tees war ein feiner Mensch, aber Hanjo konnte jetzt keine Geschichte über Tees’ Frau ertragen. Sein Blick fiel wieder auf die Schlagzeile. Er war noch gar nicht dazu gekommen, den Artikel zu lesen. Hanjo griff gerade nach der Zeitung, als die Tür aufging und Sophie zur Tür reinkam. Er freute sich, die beiden zu sehen. »Na, ihr seid aber früh zurück.« Sophie sah irgendwie aufgewühlt aus, stellte er verwundert fest. »Wie war der Kurs?«

      Sophie setzte sich auf einen Barhocker und rollte genervt mit den Augen. »Ich bin durch die Luft geflogen und Olli hat gemeckert. Das ist heut nicht mein Tag. Ich sollte nach Hause fahren und mich in den Garten legen!«

      »Ach was! Nach dem Essen sieht alles schon wieder ganz anders aus! Kaffee?«

      Sie lächelte ihn an. »Du würdest mein Leben retten!«

      Hanjo schlurfte in die Küche und schenkte dann zwei Tassen ein. Als er zurückkam, war Sophie in die Zeitung vertieft. Hanjo deutete auf die Schlagzeile. »›Mord auf Fehmarn‹. Ich will das einfach nicht glauben!«

      »Das ist doch noch gar nicht offiziell. Bis jetzt ermittelt die Polizei noch. Weißt du, ich bin selbst bei der Presse und ich versichere dir, dass da immer alles etwas aufgebauscht wird.« Sophie zwinkerte ihm zu. »Schließlich will man Zeitungen verkaufen, oder?«

      Hanjo nickte nachdenklich. »Glaubst du, dass jemand Sarah umgebracht hat?«

      »Die Polizei schließt das wohl nicht aus. Und Fakt ist, dass zwei junge Frauen ertrunken sind. Ach, sag mal, hier ist doch vor vielen Jahren schon mal ein Mädchen ertrunken, oder?«

      Hanjo sah sie verwirrt an. »Hier ertrinkt immer mal jemand. Ein Fischer. Surfer. Es gab auch ein paar Kiteunfälle.«

      »Nein, ich rede von einem Mädchen. Fenja hieß sie, glaube ich.«

      »Das ist so lange her.« Hanjo schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. »Die Kleine ist rausgesurft, allein. Sie war sehr gut und niemand hat sich Sorgen gemacht. Und dann ist sie nicht zurückgekommen.« Er öffnete die Augen wieder. »Sie ist einfach verschwunden.«

      »Sie war eine Freundin von Olli, nicht?«

      Er nickte langsam. »Sie waren noch halbe Kinder!«

      »Schrecklich! Er muss doch total fertig gewesen sein?«

      Hanjo starrte ins Leere, als er antwortete. »Das hab ich mich oft gefragt. Kommt man jemals über so was weg? Der Tod ist so endgültig.« Er lächelte sie traurig an. »Mir hilft es, dass meine Frau in meinen Armen gestorben ist. Sie wirkte zufrieden, fast glücklich. Aber diese Ungewissheit? Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres.«

      Olli fühlte sich furchtbar. Sophie war wirklich wütend und zwar mit Recht. Er hätte sie nicht so anfahren dürfen. Er war regelrecht ausgerastet. »Mittagspause!«, brüllte er durch die Bucht. »Landet mal die Schirme!« Ungeduldig half er seinen Schülern an Land. Er musste Sophie sehen. Hoffentlich war sie noch zu Hanjo gegangen. Er musste sich unbedingt bei ihr entschuldigen. Sie musste einen riesigen Schrecken bekommen haben. Was war nur mit ihm los? Es würde ihn nicht wundern, wenn Sophie vom Kiten auf Fehmarn die Nase voll hatte. Sie brauchten gar keinen Mörder auf der Insel, um Touristen zu vergraulen, dachte er zynisch. Er schaffte das auch ganz leicht mit Worten. Olli zog seinen Anzug aus und sprang in seine Klamotten. »Ihr kommt klar?«, rief er fragend über den Strand. Alle nickten und schaufelten weiter Sand auf die Kites. »Wir sehen uns gleich! Ich geh vor und helfe Hanjo!«

      Olli stieß die Tür auf und betrat das Bistro. Sophie saß mit Hanjo am Tresen und trank Kaffee. Der braune Labrador kam angelaufen und leckte seine Hand.

      »Hallo, Olli!«, grüßte Hanjo. »Wir …«

      »Wir plaudern gerade ein bisschen«, brachte Sophie den Satz zu Ende. Sie sah ihn so kühl an, dass er schlucken musste. Hanjo verkrümelte sich zum Glück in die Küche.

      »Sophie, es tut mir leid!« Sie zog skeptisch die linke Augenbraue hoch. Er würde sich ins Zeug legen müssen. »Ich habe wirklich total übertrieben und ich hätte dich nicht so bescheuert anschnauzen dürfen. Aber …«

      »Ja?«

      »Du bist durch die Luft geflogen. Ich dachte, du brichst dir alle Knochen.«

      »Willst du mir gerade erzählen, dass du in tiefster Sorge überreagiert hast?«

      »Ja!«

      »Du solltest mal versuchen, dein Temperament zu zügeln!«

      Jetzt kam er sich vor wie ein kleiner Junge.

      »Nicht,