und sich dann an seine Frau gekuschelt. Doch er war viel zu unruhig, um an Schlaf denken zu können. Vielleicht gab es sogar zwei Opfer. Irgendwo da draußen lief ein Mörder frei herum. Und dem wäre fast ein perfekter Mord gelungen.
Tina schlich leise über den Flur. Sie sah, dass Sophie noch Licht brennen hatte. Leise klopfte sie an.
»Komm rein!«
»Du schläfst ja noch gar nicht.«
Sophie schlug die Decke zur Seite und klopfte auf die Matratze. Tina kuschelte sich neben ihre Freundin.
»Der Vormittag war toll! Stell dir vor, ich bin durch die Luft geflogen. In der Mittagspause kamen dann die Kollegen von Stefan. Sie haben alle befragt, in der Hoffnung noch einen Zeugen zu finden oder mehr über diese Sarah zu erfahren. Damit ist der zweite Teil des Kurses ins Wasser gefallen.«
»Und? Hatten sie Erfolg?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Da musst du deinen Mann schon direkt fragen. Mir sagt doch keiner was.«
Tina ärgerte sich, dass sie gefragt hatte. Sie wollte auf keinen Fall eine neue Diskussion. »Was habt ihr denn dann alle noch so lange gemacht?«
»Wir haben am Strand ein paar Bier gezischt. Der Kurs wird jedenfalls morgen nachgeholt.«
»Und ich hatte Angst, dass du dich hier langweilen würdest.«
»Ich langweile mich ganz bestimmt nicht! Da sind zum einen die Morde und landschaftlich ist es hier wirklich schön. Nicht ganz so wie Phuket oder Ibiza, aber eben anders schön. Und schnuckelige Typen findet man hier auch. Da ist dieser Ben. Der ist richtig lecker. Er haust in einem Bus. Stell dir das mal vor. Von dem würde ich mich gerne über Felix hinwegtrösten lassen.«
»Ben? Der Hippie, der sich in Thailand das Hirn weich gekifft hat? Willst du dich jetzt in ein Abenteuer stürzen?«, fragte sie entsetzt.
»Wer weiß?«, grinste Sophie. »Außerdem ermittle ich doch! Miss Marple ist doch auch keiner Gefahr aus dem Weg gegangen und sie hatte am Ende immer einen Verehrer, der sie heiraten wollte.«
»Sie ist aber auch ein paarmal fast draufgegangen!«
»Woher weißt du eigentlich, dass er in Thailand war?«
»Mensch, Miss Marple, jetzt streng deine grauen Zellen mal an. Das ist Fehmarn. Nicht New York, London, Tokio. Wenn einer, der hier aufgewachsen ist, für ein paar Jahre auswandert, dann weiß das jedes Schaf!« Tina grinste. »Du bist scharf auf einen obdachlosen Spinner.«
»Tina, hör auf! Das habe ich doch gar nicht gesagt. Ach, es ist doch nur so, dass ich Ben sehr attraktiv finde. Darüber bin ich fast erleichtert. Ich hatte schon Angst, dass ich nach der Geschichte mit Felix zu so einer Männerhasserin werde. Keine Sorge, ich stürze mich bestimmt nicht sofort in die nächste Affäre. Der andere, dieser Olli, ist übrigens auch ganz schnuckelig.«
»Der ist jedenfalls nicht zu beneiden. Dein cooler Kitelehrer muss in den Wintermonaten die Kühe seiner Eltern hüten.«
»Was?«
»Im Ernst! Seine Eltern haben hier einen riesigen Hof und Sohnemann weiß nicht, was er will! Den Hof eigentlich nicht, aber außer ein paar abgebrochenen Semestern hat er nichts auf der Vita. Dabei war er ganz gut in der Schule. Ob er will oder nicht, er wird als reicher Bauer enden.« Sophie sah sie verblüfft an. »Ich war mit Olli in einer Klasse!«, erklärte Tina.
»Wozu mach ich eigentlich einen Kitekurs und riskier meine Knochen, um ein bisschen Zugang zu der Szene zu bekommen, wenn die beste Informantin hier sitzt?«
Tina lachte. »Sagtest du nicht, dein Interesse am Kitesport hätte rein gar nichts mit den Morden zu tun?«
»Ja, das sagte ich zu Stefan!«
»Stoppen kann dich sowieso niemand und wer die Frauen umgebracht hat, weiß ich nicht. Das musst du schon selbst herausfinden.« Und pass bloß auf dich auf, dass du nicht die Nächste bist, beendete Tina gedanklich den Satz.
»Das mach ich auch.«
»Ich sollte ins Bett gehen. Die Nacht hält noch ein paar Unterbrechungen für mich bereit.«
Tina schlich in ihr Schlafzimmer. Sie kuschelte sich in ihr Bett und knipste die Nachttischlampe aus. Ben, dachte sie, was war denn noch mit Ben? Es wollte ihr nicht einfallen. Sie war zu müde und außerdem war Sophie schon ein großes Mädchen. Zumindest würde Ben sie von diesem schrecklichen Felix ablenken. Dass dieser Samstagabendguru eine ganze Nation verarschte, unglaublich! Arme Sophie! Auch wenn ihr Mann bestimmt nicht sehr glamourös war und oft schrecklich überarbeitet und mies gelaunt, wusste sie, dass sie nie einen anderen haben wollte. Dass Sophie sich ausgerechnet Ben aussuchen musste? Der Typ war doch schon immer irgendwie anders gewesen. Aber wahrscheinlich war Ben tatsächlich weniger gestört als ihr alter Klassenkamerad Olli. Plötzlich war sie wieder hellwach. Da war doch damals dieses Mädchen in ihrer Klasse. Ja, Fenja! Sie war ertrunken.
20
Montag
Tina erwachte, als Finn leise wimmerte. Sie sah auf den Wecker. Halb acht! Der Kleine hatte fast sieben Stunden durchgeschlafen. Sie blickte zur Seite. Auf Stefans Kopfkissen lag ein Zettel. Mal wieder. Sie konnte sich denken was draufstehen würde. Leise trat sie an die Wiege und nahm Finn vorsichtig auf den Arm. »Ist ja gut, mein Liebling. Pst. Sonst wecken wir die anderen auf.« Tina setzte sich wieder ins Bett und griff sich die Notiz: ›Musste früh los. Liebe dich!‹
»Armer Papa,« flüsterte sie ihrem Baby zu. »Der ist auf Verbrecherjagd.« Was war denn jetzt schon wieder so wichtig, dass es nicht mal bis nach dem Frühstück warten konnte. »Weißt du, was wir zwei jetzt machen? Wir kochen Mama einen schönen Kaffee und gehen in den Garten. Na, was hältst du davon?«
10 Minuten später waren sie auf der Terrasse und wurden von Pelle stürmisch begrüßt. Tina beruhigte den aufgeregten Hund, wickelte Finn in eine Decke und legte ihn in die Babyschale. Der Kleine schaute mit großen Augen auf einen kleinen Hampelmann, der vor ihm baumelte. Tina nippte an ihrem Milchkaffee, als von oben lautes Geschrei zu hören war. Paul! Tina schnappte Finn und stürmte nach oben. Ihr Sohn saß heulend im Bett. »Mama! Ich bin ein Wauwau!«
Sie nahm ihn in den Arm. Antonia stürzte ebenfalls ins Zimmer. »Ist was Schlimmes passiert?«
Tina atmete tief durch und legte ihrer Tochter die Hand auf den Arm. »Paul hat nur schlecht geträumt. Aber du kannst mir einen großen Gefallen tun. Pelle ist im Garten. Lauf runter und sorg dafür, dass er nicht hochkommt. Er ist furchtbar dreckig.« Antonia klatschte begeistert in die Hände und stürmte los. »Paulchen, du hast nur schlecht geträumt. Du bist noch immer mein netter kleiner Junge. Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?«
Paul schluchzte etwas ruhiger. »Weil, ich hab Hunnefutter geetten.«
Tina grinste. Wenn er müde war, fiel er immer in diese süße Babysprache zurück. »Jetzt guck doch mal auf deine Händchen. Sind das Hundepfoten oder Pauls Hände?«
Ihr Sohn betrachtete sie ein paar Sekunden. Dann strahlte er. »Pauls!«
Antonia stürmte mit Pelle ins Zimmer. Der Hund begann freudig zu bellen. »Ich konnte ihn nicht festhalten, Mama!«
»Pst. Aus! Wir gehen jetzt alle nach unten. Und zwar möglichst leise!« Das wars dann wohl mit dem ruhigen Morgen, stellte Tina lächelnd fest. Zusammen gingen sie nach unten, um das Frühstück vorzubereiten. Tina hatte den schreienden Finn auf dem Arm und versuchte, die Großen daran zu hindern sich die Köpfe einzuschlagen, als Sophie in die Küche kam. »Morgen! Gut geschlafen?«, fragte Tina nebenbei.
»Wie ein Baby! Muss an diesem Astrid-Lindgren-Gedächtniszimmer liegen. Ich fühl mich wie ein kleines Mädchen, das einen aufregenden Sommer in Schweden verbringt.«
Tina musste lachen. »Siehst du, so glücklich war meine Kindheit.«
»Allerdings hat mich heute Nacht wohl ein LKW überrollt. Mir tut alles weh. Ich schwöre, ich hatte noch nie so einen brutalen