Harald Jacobsen

Tatort Ostsee


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hier«, erklärte Olli so sachlich wie möglich.

      Schölzel nickte und machte sich Notizen. »Ja? Und weiter?«

      Olli griff sich an die Stirn, so, als ob er sich erinnern müsste. »Wir waren Bekannte. Ich habe ihr beim Training geholfen. Sarah wollte an den Deutschen Meisterschaften teilnehmen.«

      »Hatte jemand Streit mit den beiden? Ich meine mit Sarah Müller und möglicherweise auch mit Sandra Schmidt?« Schölzel sah ihm direkt in die Augen. »Kannten die beiden sich? Ist Ihnen da irgendetwas aufgefallen?«

      Olli schüttelte den Kopf. Soweit ich weiß, hatte Sarah nur Streit mit mir, dachte er.

      Der Beamte klappte das Notizbuch zu und lächelte. »Sie sind der Erste, der gar nicht wissen wollte, warum wir hier sind.«

      Ollis Schläfen pochten. Ihm musste jetzt sofort eine glaubhafte Erläuterung einfallen. »Tatsächlich?«, fragte er mit gespielter Verwunderung. »Dabei ist es doch wohl offensichtlich, dass Sie ein Verbrechen nicht ausschließen.«

      »Ja? Von Mord habe ich nichts gesagt!«

      »Nein, aber sonst würden Sie sicher nicht nach Zeugen suchen.«

      »Verstehe! Wenn Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bitte. Und außerdem hätte ich gerne eine Liste der Kursteilnehmer der letzten vier Wochen. Am besten jetzt gleich. Und vielen Dank für die Zusammenarbeit.«

      Olli nickte. »Ich bringe Ihnen gleich die Liste«, bot er an. »Die Unterlagen sind in der Hütte.« Er stand auf und ging langsam zur Küchentür. Am liebsten wäre er gerannt.

      »Diese Sarah war verdammt hübsch! Ist Ihnen das gar nicht aufgefallen?«, fragte Schölzel überraschend.

      Ollis Kopf war kurz davor zu zerspringen. Er durfte keinen Fehler machen. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele echte Schnuckelchen hier pro Saison auflaufen. Ich hab nicht den schlechtesten Job! Ich meine, bevor die Frauen ertrunken sind, war die Stimmung wirklich gut hier«, korrigierte er sich schnell. »Jetzt ist natürlich alles anders.«

      Der Kommissar nickte nachdenklich. Olli stieß erleichtert die Tür auf. So schlecht hatte er sich gar nicht geschlagen. Plötzlich begann sein Herz zu rasen. Würde Ben den Bullen erzählen, dass er Sarah geliebt hatte?

      Sophie saß mit den anderen Kursteilnehmern und den Fortgeschrittenen auf dem Deich in der Sonne. Sie waren alle befragt worden, doch niemand hatte der Polizei helfen können. Die Stimmung war gekippt. Am Morgen hatten sie noch gelacht und jetzt klopften selbst die Berliner keine frechen Sprüche mehr. Zecke baute einen Joint und von seinen Leuten war nur ab und zu ein ›echt superkrass‹ zu hören. Bienchen jammerte Bärchen die Ohren voll. Sie hatte Angst und wollte nach Hause. Bärchen machte ein brummiges Gesicht. Sophie hatte fast Mitleid mit dem riesigen Kerl. Es war abzusehen, dass Bienchen sich durchsetzen würde und die Abreise kurz bevorstand. Indie machte Yoga und erklärte nebenbei die Bedeutung von Karma. Sophie war kurz davor, sie zu bitten, das Esoterikgequatsche für sich zu behalten.

      »Da kommt Olli!«, rief Bärchen plötzlich und zeigte auf den kleinen Weg. Olli verschwand in der Hütte und kam ein paar Minuten später mit einer Handvoll Zetteln wieder heraus. Sophie nahm an, dass die Polizei die Teilnehmerlisten durchgehen wollte. Der Kitelehrer ging wieder zurück zum Bistro, ohne die Gruppe auf dem Deich überhaupt registriert zu haben. Merkwürdig, dachte Sophie, warum war Olli so abwesend? Sie hätte es normal gefunden, wenn er sich zumindest kurz nach seinen Schülern umgesehen hätte.

      »Will jemand?«, fragte Zecke und reichte den Joint herum. Bis auf seine Kumpel, Indie und Wolf lehnten alle dankend ab. Plötzlich verließ Ben mit den zwei Kripobeamten das Bistro. Sie gingen in Richtung Parkplatz. Sophie verspürte ein unangenehmes Kribbeln. Ob sie Ben verhaftet hatten? Warum? Sie musste wissen, was da vor sich ging. »Leute, ich muss kurz zu meinem Wagen, Pelles Trockenfutter ist im Kofferraum. Ich habe den armen Kerl in der Aufregung ganz vergessen!« Sie pfiff nach Pelle und ging mit ihm den Deich entlang. Da waren die drei. Sie gingen nicht zu dem dunkelblauen Polizeidienstwagen, sondern zu den Bussen und Wohnmobilen. Ben erklärte den Beamten irgendwas, doch sie waren viel zu weit weg. Sophie konnte kein Wort verstehen. Dieser Hartwig machte sich Notizen. Sein Kollege nickte Ben zu. Anscheinend war er nun entlassen, denn ohne ein weiteres Wort machte er sich auf den Weg zu einem klapprigen Ford Transit. Hartwig klopfte an die erste Wohnmobiltür.

      »Sie befragen alle. Jeden Camper. Und sie schreiben sich die Kennzeichen auf«, murmelte Sophie vor sich hin. Pelle sah sie irritiert an. »Hab nur mit mir selbst gesprochen. Komm, wir holen dir was zu essen.«

      Sie fütterte Pelle neben ihrem Wagen und beobachtete das Geschehen auf der Campingwiese. Die Polizisten klapperten der Reihe nach jeden Bus und jedes Wohnmobil ab. Sie hatten nicht viel Erfolg. Natürlich nicht, dachte Sophie, bei diesem Wetter waren alle auf dem Wasser. Pelle leckte die letzten Krümel aus der Schüssel und sein Frauchen beschloss, aktiv zu werden. Vielleicht würde sie von Ben mehr erfahren. Sie holte Pelles Lieblingsball. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Kripobeamten sie nicht sehen konnten, warf sie ihn in Richtung Transit. Ihr Hund stürmte bellend hinterher. Sophie folgte ihm. »Pelle, hierher!«, brüllte sie übertrieben laut. Ihr Plan ging auf. Die Schiebetür flog zur Seite und Ben kam raus. »Ist er abgehauen?«

      Sophie seufzte genervt. »Ja, er hat seine verrückten fünf Minuten. Hatte wohl Angst, dass ich ihm seinen Ball wegnehme, weil er ihn hier sowieso verbummelt.« Pelle kam angerannt und legte das Spielzeug vor ihre Füße. »Ja, ja, jetzt hast du ein schlechtes Gewissen, was?«, lachte sie.« Sie warf noch einmal. »Ist das nicht schrecklich?«, fragte sie dann ernst. Ben nickte. Sophie dachte schon, er würde nichts dazu sagen, als er doch noch antwortete.

      »Es ist unfassbar. Die Bullen scheinen zu glauben, dass hier einer herumrennt und nachts hübsche Frauen ertränkt.«

      »Aber genauso scheint es doch zu sein!«

      Ben schüttelte den Kopf. »Hier ist fast jeden Abend noch Party am Strand. Manchmal sitzen da noch Leute mit einer Kiste Bier. Selbst ein Irrer würde doch nicht so leichtsinnig sein und ein paar Meter weiter einen Mord begehen. Das Risiko, dass jemand noch einen Spaziergang macht, ist viel zu hoch.«

      »Wer sagt denn, dass er es hier in der Bucht getan haben muss?«

      Ben sah sie fragend an. »Und wie hat er sie dann wieder an den Strand gebracht? Mitten in der Nacht? Dazu hätte er einen Wagen gebraucht. Wenn hier nachts jemand mit dem Auto an den Strand fährt, fällt das doch auf. Außerdem gibt es keine Reifenspuren. Das ist doch ne fixe Idee!«

      »Ich glaub nicht, dass die Polizei wegen einer fixen Idee, wie du das nennst, hier so einen Aufwand betreiben würde!« Sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Hast du Sarah in der Nacht noch gesehen?«

      Ben sah sie erschrocken an. Sein Mund öffnete sich, doch er sagte nichts.

      Olli saß in seinem Wohnmobil und trank einen Cognac. Er musste sich beruhigen und der Cognac tat ihm gut, auch wenn er sich ärgerte, dass er schon wieder zur Flasche griff. Aber das war wirklich ein Notfall. Jemand hatte Sarah ermordet. Und er hatte den Bullen nicht die Wahrheit gesagt. Was, wenn sie herausbekämen, dass er mit ihr ein Verhältnis gehabt hatte. Vielleicht hatte Sarah verbreitet, dass sie Schluss machen wollte. Dann war er wirklich verdächtig und er hatte kein Alibi. Und er konnte sich nicht erinnern. Was sollte er zu seiner Verteidigung vorbringen? Dass er eigentlich ein netter Kerl war? Dass er Sarah an dem Abend zwar gehasst hatte und sich an nichts erinnern konnte, aber im Grunde halbwegs sicher war, dass er sie nicht unter Wasser gedrückt hatte? Zumindest hatte er nichts mit Sandra gehabt. Sie war nur eine nervige Schülerin. Er durfte jetzt nicht durchdrehen. Als Erstes sollte er Ben fragen, was er den Bullen erzählt hatte. Von seinen Schülern konnte niemand etwas über ihn und Sarah wissen. Sie waren alle erst angereist. Und die Fortgeschrittenen? Scheiße! Die hingen hier schon länger rum. Aber hatten sie was mitbekommen? Nein, Sarah und er hatten nie am Strand geknutscht. Olli verließ das Wohnmobil und hoffte, dass er keinem Schüler über den Weg laufen würde. Er wollte erst mit Ben sprechen, bevor er neugierige Fragen beantworten musste. Falls die Bullen fragen sollten, was