es auf ihrem Stuhl nicht länger ausgehalten hätte. Sophie folgte dem Beamten und nahm auf einem Hocker Platz. Pelle leckte ein heruntergefallenes Ei von den Bodenfliesen.
»Ich bin Oberkommissar Ingo Schölzel«, ließ der Kripobeamte sie mit ernstem Gesichtsausdruck wissen. »Wer sind Sie bitte?«
»Sophie Sturm. Ich habe die Leiche gestern gefunden.«
»Ach, Sie sind das.« Sophie gefiel der spöttische Gesichtsausdruck nicht.
»Ich bin am Freitag erst angereist. Ich kannte hier niemanden, außer meiner Freundin Tina Sperber natürlich.«
»Dann können Sie mir nichts zu Sarah Müller sagen?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Auch nicht zu der ersten Verunglückten. Aber wenn mir die Frage erlaubt ist, wegen eines Unfalls würde man doch nicht so einen Aufwand betreiben, oder? Ich meine die Zeugenbefragung.«
Der Beamte nickte. »Zumindest in einem der Fälle müssen wir wohl von einem Verbrechen ausgehen.«
Stefan saß mit einer kleinen Plastikschaufel in der Hand am Strand und baute mit seinen Kindern eine gigantische Sandburg. Der ganze Stress und die schrecklichen Bilder in seinem Kopf lösten sich langsam. Paul klopfte mit seinen Händchen den Sand fest und Antonia verzierte alles mit kleinen Steinen, die sie vorher liebevoll zusammengesammelt hatte. Die Sonne brannte ihm auf den Rücken und außer dem Geplapper seiner Kinder und dem seichten Plätschern der Wellen war nichts zu hören. Stefan schloss die Augen und versuchte, den Moment festzuhalten. Seine Familie war wirklich seine Zuflucht. Er hatte mehr, als er sich je erträumt hatte. Drei gesunde Kinder, eine wunderbare Frau und ein traumhaftes Haus. So war sein Leben perfekt. Das Schreien seiner Tochter brachte ihn zurück in die Wirklichkeit.
»Nein! Paul!« Antonia sah ihn entsetzt an. »Guck mal Papa, jetzt hat er mit seinem Fuß den Turm der Prinzessin kaputt gemacht.«
Paul sah sich schuldbewusst den Schaden an und war kurz davor in Tränen auszubrechen. Stefan stupste ihn sanft und lächelte. »Sie schimpft schon wie Mama, was? Wir Männer sollten besser zusammenhalten und den Turm schnell wieder aufbauen.«
Paul nickte zustimmend und machte sich sofort ans Werk.
»Wieso hältst du zu ihm?« Seine Tochter sah ihn misstrauisch an.
Stefan bemühte sich, ernst zu bleiben. Er vergewisserte sich, dass sein Sohn beschäftigt war, und beugte sich zu ihr. »Süße, er ist doch noch klein«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wir Großen wissen doch, dass er ab und zu noch etwas ungeschickt ist, oder? Hey! Sei nicht so hart zu ihm. Du warst doch auch mal klein.«
Antonia hatte ihm aufmerksam zugehört. Sie seufzte und nickte dann. »Aber ich war nie so ungeschickt! Oder?«
Zum Glück erwartete sie von ihm keine Antwort. Sie war schon wieder dabei, das Sandbauwerk mit Steinchen zu dekorieren. Schmunzelnd sah er zu. Antonia war eine kleine Schönheit. Sie hatte zum Glück die Gene ihrer Mutter. Sein Sohn war ein gesunder kleiner Frechdachs, der zwischendurch versuchte, seiner schlauen großen Schwester eins auszuwischen. Aber so oft die beiden sich auch zankten, genauso heftig hielten sie zusammen. Dann bildeten sie eine harte Front, die Eiscreme oder Haustiere forderte. Das mit den Haustieren hatten Tina und Stefan bisher erfolgreich verhindern können. Doch Stefan machte sich keine Illusionen. Früher oder später würden sie wohl doch den großen Wunsch erfüllen müssen. Die Kinder brauchten einen Hund. Aber frühestens, wenn Finn nicht mehr über den Boden krabbeln würde. Er blickte über die Schulter. Seine Frau und der Kleine lagen auf einer Decke unter einem Sonnenschirm. Finn schlief und Tina blätterte in einer Zeitschrift. Sie sah umwerfend aus. Sie hatte höchstens noch vier Kilo mehr auf den Rippen, doch ihn störte das nicht. Im Gegenteil. Eigentlich mochte er die leichten Rundungen noch mehr als ihre gertenschlanke Figur. In ein paar Monaten würden sie ihr Schlafzimmer wieder für sich haben. Vielleicht sollte er schwimmen gehen. Das Wasser müsste kalt genug sein, um ihn von diesem Gedanken abzulenken.
»Ihh! Papa! Paul pinkelt in den Sand und alles läuft in die Sandburg!«
Schlagartig war er wieder in der Realität. »Antonia, geh mal zur Mama und frag sie, wann wir endlich ein Stück Kuchen haben dürfen. Ich kümmere mich hier um Paul und den Wasserschaden.« Seine Tochter grummelte und rannte dann los. »Paulchen, warum hast du denn nicht Bescheid gesagt?«, fragte er liebevoll.
Die erste Träne kullerte über seine Wange. »Vagetten.«
»Das kann doch mal passieren. Komm, wir gehen zur Mama, und die hat bestimmt was Feines zu essen in ihrem großen Korb.«
Paul nickte und kreischte dann glücklich auf, als Stefan ihn hochhob und herumwirbelte, bevor er ihn zu Tina trug. Sie war bereits dabei, den Marmorkuchen zu zerschneiden.
»Na, Jungs? Habt ihr Hunger?«
Gemeinsam machten sie sich über den Kuchen her. Der Pinkelskandal war längst vergessen. Stefan nutzte den Augenblick und küsste seine Frau. »Du bist die Schönste! Ich liebe dich, dich und unsere wundervolle Bande. Was meinst du? Wann haben wir unser Schlafzimmer wieder für uns?«
Tina grinste ihn an und flüsterte: »Und was machen wir dann im Schlafzimmer?«
Stefan wollte gerade antworten, als sein Diensthandy klingelte. Genervt griff er das Telefon und sprang auf. »Ich hoffe, es ist sehr wichtig!«, schimpfte er in den Hörer, während er in die Dünen stapfte.
»Stefan? Tut mir leid, wenn ich störe, aber …«
»Robert! Nein du störst kein bisschen. Ich verbringe den ersten Nachmittag seit Wochen mit meiner Familie am Strand.«
Am anderen Ende der Leitung war ein Schlucken zu hören. »Ich wollte auch lieber golfen, aber Franck hat mich angerufen. Der hat vor dir anscheinend auch mehr Angst als vor seinen gruseligen Leichen. Sollte dir mal zu denken geben. Jedenfalls geht es um die Fehmarntote.«
Stefan blieb abrupt stehen. Diese Leiche ging ihm gehörig auf die Nerven. »Ja?« Er versuchte, nicht mehr so aggressiv zu klingen.
»Sie ist in keinem See ertrunken.« Robert machte eine Pause und atmete tief durch. »Die Sache wird immer verrückter. Diese Sarah ist in stinknormalem Leitungswasser ersoffen.«
»Leitungswasser?«
»Ja, das Laborergebnis ist eindeutig. Ich erklär dir die Einzelheiten, wenn du in einer anderen Stimmung bist.«
Stefan setzte sich kraftlos in den warmen Sand. »Weißt du eigentlich, was du da gerade gesagt hast?« Stefan hatte das Gefühl, selbst zu ertrinken. Leitungswasser! Schlimmer hätte es gar nicht kommen können. »Verdammt, Robert! Jetzt haben wir unendlich viele mögliche Tatorte.«
Olli konnte nicht mehr still sitzen. Die Polizei hatte nun fast alle befragt. Alle, bis auf ihn und Ben. Olli war vollkommen durcheinander. Seine Hände zitterten. Diese Befragung machte ihm Angst. Er würde nie und nimmer einen vernünftigen Satz herausbringen. In ihm wuchs die Panik. Im Moment war der Dicke in der Küche. Die Tür öffnete sich. Bärchen verließ schweigend das Bistro. Olli sah zur Küchentür. Er wäre viel lieber im Wartezimmer eines Zahnarztes gewesen.
»Würden Sie jetzt bitte kommen!« Schölzel zeigte auf ihn.
Olli schluckte und trat in die Küche. Es fiel ihm unendlich schwer, sich möglichst gelassen auf den angewiesenen Küchenstuhl zu setzen.
»Wer sind Sie?«
»Oliver Konrad.«
»Sie sind das!«, stellte Schölzel fest. »Sie sind hier Surf-lehrer, richtig?«
»In den Sommermonaten, ja. Sonst helfe ich meinen Eltern auf dem Hof.«
»Dann kommen Sie von hier?«
Olli nickte und beschloss, ein bisschen selbstbewusster aufzutreten. »Ja! Da leben, wo andere Ferien machen. Wie gesagt, nicht, dass ich immer Urlaub habe, bestimmt nicht.«
»Kannten Sie Sarah Müller?«
Olli hatte das Gefühl, einen trockenen Schwamm im Mund zu haben. Statt zu antworten,