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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin


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(1903, VII) im Vorwort zur ersten Auflage seiner „Einführung in das Studium der englischen Philologie“, dass er keinen „Kanon“ für das Studium habe aufstellen wollen, doch ist angesichts des hohen Stellenwerts der Realien für den Unterricht erstaunlich, dass diese lediglich in einem Teilkapitel auf drei Seiten abgehandelt werden (vgl. Viëtor, 1903, S. 97-100). Er nennt dort einige wenige Standardwerke zur englischen Geschichte, empfiehlt Wendts Realienbuch (vgl. Wendt, 1892) sowie den Baedeker Reiseführer und den jährlich erscheinenden Jahresrückblick „Hazell’s Annual“. Offenbar sah er keinen Platz für landeskundliche Einführungen im Studium, sondern stellte den Erwerb solchen Wissens in die Eigenverantwortung jedes Fremdsprachenlehrers:

      Eine eingehende Bekanntschaft mit den politischen und sozialen Verhältnissen des heutigen England ist für den Philologen wie für den Lehrer gleich unerlässlich. Hierzu wird vieles ein längerer, wohl ausgenutzter Aufenthalt im Lande beitragen. (Viëtor, 1903, S. 98)

      Waetzoldt wünscht sich im Gegensatz dazu eine stärkere Berücksichtigung dieses Gebiets bereits im Studium und vor allem in der Prüfungsordnung, die seiner Meinung lauten müsse:

      In der politischen wie in der Kulturgeschichte Frankreichs oder Englands und in der Landeskunde muß der Kandidat soweit orientiert sein, um die gebräuchlichen Schulschriftsteller auch sachlich erläutern und vorkommenden Falles gute Hilfsmittel mit Verständnis benutzen zu können. (Waetzoldt, 1892, S. 44)

      Auch die didaktische Ausbildung der Lehrer wurde – wenn auch weniger häufig – diskutiert. Schröer, der selbst einige Jahre als Lehrer an einer Oberrealschule in Wien tätig gewesen war, bevor er sich habilitierte und Professuren in englischer Philologie an verschiedenen deutschen Universitäten innehatte, weist darauf hin, „daß auch Pädagogik und Didaktik wissenschaftliche Disziplinen sind und nicht etwa Fertigkeiten, die ‚einzupauken‘ wären“ (Schröer, 1887, S. 11; Hervorhebung im Original).

      Durch die ganze Reformzeit zieht sich die Debatte um die Inhalte des Lehramtsstudiums. Das Spektrum reicht von denen, die eine gezielte Vorbereitung auf den späteren Beruf fordern, wozu auch Didaktik und Pädagogik neben moderner Literatur, Gegenwartssprache, Phonetik und Landeskunde gehören ebenso wie die Ernennung von Professoren, die selber Schulerfahrung als Fremdsprachenlehrer mitbringen (so etwa Wehrmann, 1914, S. 49), über viele Zwischenstadien bis zu jenen, die die gesamte Vorbereitung auf die Lehrertätigkeit in die Probezeit nach dem Studium, den dort stattfindenden Seminarbesuch und die Eigenverantwortung jedes Einzelnen verbannen möchten, um an der Universität die reine Wissenschaft, und zwar vor allem Sprachgeschichte und frühe Epochen in der Literaturgeschichte zu pflegen. Weitgehende Einigkeit bestand jedoch über die Forderung, getrennte Professuren für englische und romanische Philologie einzurichten und für das Lehramt die Kombination eines Sprachenfachs mit anderen Fächern zu ermöglichen (vgl. Viëtor, 1908).

      2.3 Studiengestaltung und Auslandsaufenthalt

      Neben den Inhalten des Studiums wurden, wenn auch in geringerem Umfang, die universitären Lehrformen und vor allem die unzureichende Ausstattung der Neuphilologie an den Universitäten kritisch kommentiert. So bemerkt Viëtor in einem Nachwort zu Max Walters Reformschrift (vgl. Walter, 1912), dass an der Universität Marburg für über zweihundert Studierende der englischen Philologie ein Professor und ein Lektor zur Verfügung stehen. Hier sei eine Reform dringend nötig (vgl. Viëtor, 1912, S. 26). Und Walter kommentiert diesen Zustand, der damals nicht nur für die Universität Marburg zutraf:

      Wie können ein professor und ein lektor für die ausbildung so vieler studierender sorgen! Zu dieser ausbildung gehören unbedingt seminarübungen, an denen jeder student teilzunehmen verpflichtet sein sollte! Solche übungen lassen sich aber nicht in massen vornehmen, sondern jeder kursus kann nur eine kleine zahl studierender umfassen. Wo bleibt also die gelegenheit zur gründlichen Durchbildung der einzelnen jungen leute! Wie sollen sie bei solchem massenbetriebe den aufgaben gerecht werden, die die schule an sie stellen muss! Dazu ist weiter zu bedenken, dass auch beim tüchtigsten dozenten eine einseitige vertretung seines faches nicht zu vermeiden ist. (Walter, 1912, VII)

      In seiner ausführlichen Besprechung von Walters (1912) Schrift in der Erstauflage, in der er sich Walters Plädoyer für stärker diskursive Lehrformate mit Nachdruck anschließt, schildert Klinghardt eine uns aus heutiger Sicht übertrieben scheinende Charakterisierung üblicher akademischer Lehre:

      Der professor sitzt auf dem katheder und liest mehr oder weniger frei aus seinem hefte vor. Der student sitzt unten vor ihm und schreibt – um nicht zu sagen „schmiert“ – mehr oder weniger sklavisch und mechanisch in sein heft ein; alle worte des professors, die er hier nicht schwarz auf weiss zu fixieren vermag, sind für ihn verloren. (Klinghardt, 1901/02, S. 32)

      Wenn der Student dann später anhand seiner Notizen den Stoff wiederholen wolle, könne er mit der wenig leserlichen Mitschrift nicht viel anfangen, und die Vorlesung habe letztendlich für ihn keinen Nutzen (ebd.). Walters Vorschläge blieben jedoch nicht unwidersprochen. In einer weiteren Rezension derselben Schrift beklagt der Verfasser, dass Walters Vorschläge, zu denen u. a. die Einrichtung einer universitätseigenen Druckerei zur Herstellung von Vorlesungsskripten für die Studierenden (vgl. Walter, 1912, S. 13) und die Gewährung von Auslandsstipendien zählen (vgl. ebd., S. 14), nichts weniger bedeuten „als eine vollständige umänderung des gesamten auf jahrhundertelanger überlieferung beruhenden unterrichtsbetriebes der deutschen universitäten“ (Stimmig, 1901/02, S. 36). Man mag sich fragen, was Stimmig von der Forderung Waetzoldts gehalten hätte, der bereits 1892 überlegte, ob Vorlesungen auch in französischer und englischer Sprache gehalten werden sollten (vgl. Waetzoldt, 1892, S. 33).

      Im Reformdiskurs gab es eigentlich nur ein Thema, bei dem die unterschiedlichen Positionen weniger hart aufeinanderprallten, nämlich das der Notwendigkeit eines Auslandsaufenthaltes für angehende oder bereits im Schuldienst befindliche Fremdsprachenlehrer. Auch wenn die Reformgegner mehr Wert auf die gründliche philologische Vorbildung der Französisch- und Englischlehrer legten als auf deren Sprachkönnen und Realienkenntnis, so erkannten doch auch sie den Wert der realen Begegnung mit Zielsprache und Zielkultur an. Schon 1887 forderte Schröer, der nicht zum Kern der Neusprachenreform zu zählen ist, dass jeder Schulamtskandidat der englischen Philologie nach England gehen solle und nicht nur besonders Auserwählte (vgl. Schröer, 1887, S. 36f.), wie Herrig und Viehoff schon 1848 angemahnt hatten (vgl. Herrig & Viehoff, 1848, S. 229; 231). Schröer schlägt vor, dass deutsche Lehrer an englischen Schulen unterrichten könnten, um ihren Auslandsaufenthalt zu finanzieren; damit bringt er eine Idee ein, die heute im Pädagogischen Austauschdienst (PAD) realisiert ist.

      Neben den offenkundigen Zielen, vor Ort die fremde Sprache vor allem in der mündlichen Kommunikation zu üben sowie Sitten und Gebräuche im anderen Land kennen zu lernen, sahen einige auch Aspekte der Völkerverständigung und Friedenssicherung gegeben: „Wir hoffen von ihnen [= den Neuphilologen] einen großen Einfluß auf die Stellung der Völker unter einander: Wir sehen in ihnen die mächtigste Friedensarmee“ (Schmeding, 1889, S. 94). Der Erste Weltkrieg hat diese Hoffnung 25 Jahre später zerbrechen lassen.

      Betrachtet man die Einrichtung von Ferienkursen für Lehrer im In- und Ausland, die in den Fachzeitschriften regelmäßig enthaltenen detaillierten Informationen über Beherbergungs- und Kontaktmöglichkeiten in Zielländern, die Gewährung von Reisestipendien in den Jahrzehnten zwischen 1880 und 1914 und die breite Palette an Berichten über Fremdsprachenunterricht und Fremdsprachenlehrerbildung in anderen Ländern, dann wird offenbar, dass in der Zeit der neusprachlichen Reform zum ersten Mal ein über die Ländergrenzen hinweg stattfindender Austausch zu diesen Fragen, ein Lernen vom Nachbarn und ein internationaler Diskurs zu Bildungs- und Ausbildungsfragen stattfand (dazu Klippel, 2020).

      2.4 Forschung

      Weder Reformgegner noch Reformer plädierten für eine Rückkehr zum alten Konzept des Sprachmeisters aus früheren Jahrhunderten, der allein kraft seiner eigenen muttersprachlichen oder erworbenen Sprachkompetenz lehrt. Vielmehr ist man sich darin einig, dass Französisch- und Englischlehrer an den höheren Schulen wissenschaftlich gebildet sein müssen. “Zum Lehrer eines Gymnasiums oder Realgymnasiums taugt nur, wer wissenschaftlich