Christine Nöstlinger

Pudding Pauli deckt auf


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zwei Jahren schaue ich zu, wie die Fliegenleichen über meinem Kopf mehr und mehr werden. Daher versuchte ich zu berechnen, wie hoch der Belag bei meiner Matura sein wird!“

      „Dazu dürfte dein mathematischer Grips nicht reichen“, sagte der Buntspecht grinsend, drehte sich zur Tafel und machte sich daran, den Mantel eines gleichseitigen Prismas zu zeichnen.

      „Lob fordert eines Schülers Leistung ungemein!“, rief der Pauli dem Buntspecht-Rücken zu und die Belegschaft der 3a kicherte. Der Buntspecht ließ von der Tafel ab und sagte: „Pistulka, komm raus und konstruiere weiter, damit ich eine Chance erhalte, dich zu loben!“

      Der Pauli erhob sich seufzend, latschte im Schneckentempo zur Tafel und nahm Zirkel, Dreieck und Kreide vom Buntspecht in Empfang. Bis zum Ende der Mathestunde, die auch den Unterricht für diesen Tag beendete, fummelte er an der Tafel herum.

      So ein Dummbauchi, dass er den Mantel eines Prismas nicht hinkriegen würde, ist der Pauli nun auch wieder nicht! Es lag am Tafelzirkel. Der war viel zu locker im Gelenk. Das Teil, in dem die Kreide steckt, flutschte immer weg, wenn der Pauli eine Strecke abschlagen wollte.

      Ins Rasseln der Schulglocke hinein sagte der Buntspecht dann:

      „Pistulka, du hast dich redlich um das Prisma bemüht. Reicht dir das als Lob?“

      „Es wird mir den Tagesrest ungemein versüßen.“ Der Pauli lächelte den Buntspecht freundlich an, legte Zirkel, Dreieck und Kreide auf den Lehrertisch, wischte sich am Hosenboden die Finger vom Kreidestaub sauber, wieselte zu seinem Pult und sagte zur Rosi:

      „Beeil dich, Süße, ich hungere gewaltig!“

      „Was gibt es denn heute zu futtern, Pudding?“, erkundigte sich die Rosi, als sie neben Pauli herjappelte, eine Stunde früher als sonst am Freitag, weil Religion ausgefallen war.

      „Grenadiermarsch und Gurkensalat!“, sagte der Pauli. Und fügte, bevor die Rosi zum Motzen ansetzen konnte, hinzu:

      „Sei froh, dass es überhaupt etwas gibt. Unser Kostgeld-Topf war schon gestern völlig leer!“

      Jeden Montag legen die Rosi und der Pauli Geld in einen alten Steingut-Topf. So viel, wie ihre Mamas früher für das Mittagessen im Hort bezahlt haben, und dazu noch Geld für die Pausenbrote. Und der Pauli holt sich jeden Morgen Geld aus dem Topf, um nach der Schule die Zutaten für das Mittagessen und für die morgige Pausen-Nahrung zu kaufen. Aber er kommt nur selten mit dem Geld bis zum Freitag aus. Oft müssen die beiden Mamas ein bisschen Geld nachschießen, manchmal gleicht er das Manko auch mit seinem Taschengeld aus. Ohne dass es die Rosi weiß. Er ist, was Taschengeld angeht, viel besser dran als sie, denn er kassiert dreifach. Von seiner Mama, von seinem geschiedenen Papa und von seiner Oma. Und zwar von allen dreien nicht knausrig. Doch der Freitag ist eben trotzdem meistens ein „Restl-Tag“.

      Die Rosi ist nicht besonders heikel. Aber Grenadiermarsch mag sie nicht, und Gurkensalat hasst sie.

      „Den Gurkensalat kannst dir schenken“, maulte sie also.

      „Esse ich bloß drei Bissen von dem Zeug, muss ich den ganzen Tag lang rülpsen!“

      „Das ist rein psychosomatisch!“, erklärte der Pauli und sperrte das Haustor auf.

      „Psycho-so-ma-was?“ Die Rosi rannte hinter dem Pauli die Treppe rauf.

      „Deine heikle Seele rülpst, weil sie ein dummes Vorurteil gegen Gurkensalat hat“, erklärte ihr der Pauli und öffnete die Wohnungstür.

      „Meiner Seele sind Gurken blunzen“, protestierte die Rosi.

      „Mein Magen hat was gegen sie! Und zwar kein Vorurteil, sondern ein Urteil!“

      Der Pauli schubste die Rosi ins Vorzimmer rein. „Okay, okay, du alte Raunzen“, sagte er. „Bekommst du halt einen lieben, kleinen Paradeissalat!“

      Die Rosi marschierte schnurstracks in die Küche, setzte sich zum Küchentisch, holte ihr Geometrie-Heft aus der Schultasche und wollte sich dranmachen, die Hausübung zu zeichnen.

      „Lohnt sich echt nicht, dass du damit anfängst“, sagte der Pauli.

      „In spätestens fünfzehn Minuten habe ich das Essen fertig! Ich habe nämlich heute in der Früh schon alles vorbereitet.“ Er zeigte auf eine Pfanne auf dem Herd. „Sogar die Zwiebel hab ich schon goldgelb geröstet. Und du könntest die Paradeiser für den Salat schneiden!“

      „Du röstest in aller Herrgottsfrühe Zwiebel?“ Die Rosi konnte es nicht fassen! „Kein Wunder, dass du dann immer erst beim Läuten in die Klasse keuchst!“

      Der Pauli händigte der Rosi vier dicke Paradeiser aus. Die Rosi nahm sie etwas unwillig entgegen und dachte: Bin neugierig, was ich diesmal falsch mache! Sie hilft dem Pauli beim Kochen nicht gern. Egal, was sie tut, immer hat er etwas auszusetzen. Außerdem muss sie ihm auch gar nicht helfen. Denn die Rosi und der Pauli haben seit über einem Jahr ein Abkommen. Er kocht das Mittagessen für sie und versorgt sie mit Pausenbroten, sie macht ihm dafür die Mathe-Hausübungen. Ihre Mamas haben von diesem Abkommen natürlich keine Ahnung. Die glauben, dass die beiden gemeinsam kochen und gemeinsam die Hausübung erledigen.

      Der Pauli schaltete die Platte unter der Pfanne ein und holte eine Schüssel voll gekochter Fleckerln, vermischt mit Scheiben gekochter Erdäpfel, aus dem Eisschrank. „Das war heute ein Sonderfall. Über uns ist gerade wer Neuer eingezogen und dieser Irre hat schon ab halb sieben Löcher gebohrt. Da hätte nur ein Stocktauber weiterschlafen können.“

      Die Rosi hatte sich nicht geirrt. „Mach doch die Scheiben nicht gar so dick!“, rügte sie der Pauli. „Und schneide den Stängelansatz gefälligst raus! Den kann man doch nicht essen!“

      Die Rosi warf das Messer auf den Tisch. „Dann mach es doch selber!“, rief sie vergrämt. „Kochen ist schließlich deine Arbeit, nicht meine!“

      In der Pfanne auf dem Herd fing es leise zu brutzeln an. Der Pauli nahm einen Kochlöffel, rührte im Brutzelnden und murmelte: „Ang’rührte Leberwurst!“

      „Die Köche, die im Fernsehen kochen“, sagte die Rosi, „die rühren nie um! Die heben die Pfanne hoch und schupfen, was drin ist!“

      Der Pauli warf der Rosi einen grantigen Blick zu. Wäre er ehrlich gewesen, hätte er sagen müssen, dass er das schon oft probiert, aber leider nie geschafft hat. Doch der Pauli ist keiner, der gern zugibt, dass er etwas nicht kann. Also sagte er: „Das geht mit dieser Pfanne nicht!“

      Die Rosi wollte ihn fragen, warum das mit dieser Pfanne nicht gehen sollte, doch da klingelte es an der Wohnungstür. Der Pauli drückte der Rosi den Kochlöffel in die Hand, sagte „Rühr weiter!“ und lief ins Vorzimmer.

      Die Rosi legte den Kochlöffel weg, packte den Pfannenstiel mit beiden Händen, hob die Pfanne hoch, versuchte nachzumachen, was die Köche im Fernsehen tun, und schaute entsetzt auf die hellbraunen Zwiebelfäden, die rund um die Pfanne auf die Ceranplatte rieselten.

      „Shit!“, murmelte sie, stellte die Pfanne, in der nur noch ein paar Zwiebelfäden im heißen Schmalz schwammen, auf den Herd zurück, schaufelte mit dem Kochlöffel hurtig Zwiebelfäden in die Pfanne zurück und wischte die fettig gewordene Ceranplatte mit einem feuchten Lappen halbwegs sauber.

      Kaum hatte sie es geschafft, kam der Pauli in die Küche zurück, und hinter ihm die alte Frau Mader, die Nachbarin vom Pauli. Die Frau Mader hatte rot geweinte Augen.

      „Ist denn Ihr Karli noch immer nicht gefunden worden?“, fragte die Rosi voll Mitgefühl.

      Der Karli ist der Dackel der Frau Mader. Vorgestern zu Mittag hatte die Frau Mader seine Leine an dem Hundehaken vor der Trafik festgemacht, weil sich der böse Hund der Trafikantin mit dem Karli nicht verträgt, und als sie aus der Trafik rausgekommen war, war der Karli samt der Leine spurlos verschwunden gewesen. Die Frau Mader schüttelte