Thomas Rauscher

Internationales Privatrecht


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von ausdrücklichen Übergangsbestimmungen begleitet werden.

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      Im deutschen Recht finden sich Übergangsbestimmungen bei kleineren Gesetzesänderungen häufig nur in einem der letzten Artikel des jeweiligen Reformgesetzes. Bei größeren Reformen werden wieder (vgl Art. 64 ff zum Inkrafttreten des BGB 1900) zunehmend intertemporale Bestimmungen im EGBGB, nun in Art. 219 ff aufgenommen (Art. 220 zum Inkrafttreten der Neuregelung des IPR 1986; Art. 230 ff zum Inkrafttreten des BGB im Beitrittsgebiet).

      Teil I IPR: Grundlagen§ 1 Einführung und Abgrenzung › C. Geschichte des IPR

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      1. In den Stadtstaaten Griechenlands war die Rechtsanwendung zunächst auf das jeweilige Gemeinwesen beschränkt. Zwischen Griechen verschiedener Städte fehlte es am Bedürfnis nach IPR, da die Privatrechte sehr ähnlich waren. Da Fremde regelmäßig einen minderen Status einnahmen oder gar rechtlos waren, ergab sich kein Bedarf, auf sie ein anderes Recht anzuwenden. In heutigem Verständnis folgt daraus das einfache kollisionsrechtliche Prinzip der Anwendung der lex fori: Das Gericht wendet auf einen Fall, den es zu entscheiden hat, sein Recht an.

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      2. Erst fortschreitende Beziehungen von Rechtsträgern, also Bürgern dieser Stadtstaaten, zu fremden Ländern ließen das Bedürfnis entstehen, das am Ort geltende Recht von der Person des Beteiligten zu trennen. Hieraus entstand der Gedanke, dass die Person ihr eigenes Recht mit sich trage, der sich allerdings nur dort durchsetzen kann, wo ein Gericht bereit ist, diesem Personalitätsprinzip zu folgen. Dies führte zur Schaffung eigener griechischer Gerichte in den griechischen Kolonien, deren Zuständigkeit personal auf Griechen beschränkt war. Materiell-rechtlich war man dort bestrebt, gemeinsame Grundsätze griechischen Rechts zwischen Bürgern verschiedener griechischer Städte anzuwenden. Das – als barbarisch verstandene – örtliche Recht war den einheimischen Gerichten vorbehalten – eine Haltung, die übrigens Jahrhunderte später auch die britische Kolonialpolitik prägte.

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      3. Im römischen Recht tritt erstmals der Gedanke einer Anwendung verschiedener Rechtsordnungen auf Bürger und Fremde auf. Das auf Fremde und auf Rechtsbeziehungen von Römern mit Fremden anwendbare ius gentium (lat. Recht der Völker) war freilich eine Sammlung von Rechtsgrundsätzen des römischen Rechts, welche die Römer für Gemeingut aller Völker hielten.

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      1. Die Völkerwanderung führte auf der Alpensüdseite zur Gründung von unabhängigen Staaten auf dem Gebiet des römischen Reiches durch germanische Eroberer, in denen auf Untertanen römischer Herkunft anderes Recht (römisches bzw am römischen Recht orientiertes) angewendet wurde als auf die Germanen. Diese hatten wiederum unterschiedliche Rechtsordnungen aus ihren Ursprungsstämmen mitgebracht. Die dadurch entstehenden Kollisionen wurden nach dem Personalitätsprinzip (vgl Rn 20) gelöst; jeder konnte in allen Rechtssachen beanspruchen, nach seinem angeborenen (Heimat-) Recht behandelt zu werden. Welches Recht dies war, wurde durch eine in Urkunden oder zu Prozessbeginn abgegebene professio iuris (lat. Bekenntnis des Rechts) durch den Betroffenen bestimmt, was eine nahezu freie Rechtswahl bedeuten konnte.

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      Das warf Probleme auf, wenn Personen verschiedener Stammeszuordnung in dasselbe Rechtsgeschäft verwickelt waren. Dies galt schon für Vertragsschlüsse, insbesondere aber in familienrechtlichen Beziehungen. In römischer Zeit prägt sich hierbei ein Mannesvorrang aus: Ein Römer, der eine Germanin heiratet, macht sie zur Römerin, so dass römisches Recht anwendbar ist. Andererseits zeigen sich bereits gewisse Zugeständnisse hinsichtlich der Form eines Rechtsgeschäfts. Eheschließung zwischen Angehörigen verschiedener Stämme wird alternativ nach dem Recht eines der beiden Stämme beurteilt.

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      2. Mit zunehmender Vermischung der Bevölkerung war dieses hohe Maß an Personalität im Kollisionsrecht (das weit über den Rahmen des Personalstatuts hinausging) nicht mehr zu verwirklichen; es wurde ersetzt durch den Grundsatz der Territorialität des Rechts. Nur Personen, die sich zumindest seit (einem) Jahr und (einem) Tag in einem Territorium aufhielten, waren der dortigen Rechtsprechung und dem dortigen Recht unterworfen. Teilweise entstanden in einigen germanischen Städten Gastgerichte für Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung von Fremden.

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      1. Die hierdurch bewirkte enge Verknüpfung von gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem Recht musste zu Konflikten führen angesichts zunehmender wirtschaftlicher Verflechtung und der großen Zahl von Stadtstaaten mit jeweils unterschiedlichen Gesetzen (lat. statuta). Anders als im modernen IPR wurde jedoch nicht die Frage gestellt, welchen Staates Recht einen Sachverhalt beherrscht. Es wurde danach unterschieden, welche statuta eines bestimmten Staates geeignet waren, auch auf Personen Anwendung zu finden, die nicht Untertanen dieses Staates waren.

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      2. Die nach diesem Ansatz benannte Statutenlehre entwickelte sich zwischen dem 12. und dem frühen 19. Jahrhundert in unterschiedlich orientierten theoretischen Ansätzen.

      a) Die Glossatoren, also die Interpreten des Corpus Iuris folgerten aus Codex 1,1,1 des Codex Iustiniani – wonach alle Völker, welche der römischen Herrschaft unterstehen, der katholischen Religion und ihrem Recht angehören sollen – den Grundsatz, dass nur die Untertanen dem Recht des jeweiligen Staates unterstehen. Nicht-Untertanen wurden durch diese Regeln davor bewahrt, nach der lex fori behandelt zu werden. Die lex fori galt für den Prozess, die lex rei sitae (lat. Recht der belegenen Sache) für Sachen; personenbezogene Gesetze galten nur für die Bürger der jeweiligen Stadt.

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      b) Den langfristig am deutlichsten