1. Die regelmäßige Behandlung von Erst- und Vorfragen erfolgt durch selbständige Anknüpfung nach der deutschen lex fori, also nach deutschem IPR. Es wird somit für die Erst- oder Vorfrage eigenständig das Statut ermittelt, welches auch maßgeblich wäre, wenn die Frage als Hauptfrage aufträte.
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2. Für die Vorfrage im deutschen IPR (Erstfrage) ist diese Methode zwingend – soweit nicht unmittelbar materielles deutsches Recht angewendet wird (Rn 504 ff). Da bei Anknüpfung der Hauptfrage nach dem deutschen IPR noch keine ausländische Rechtsordnung beteiligt ist, kann die Erstfrage nur aus Sicht des deutschen IPR behandelt werden.
Ein Italiener und eine Österreicherin haben auf einer Urlaubsreise in Jamaica geheiratet, hatten aber beide bereits vorher in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Wie bestimmt sich das Ehegüterstatut, wenn die formelle Wirksamkeit der Ehe fraglich ist? Das Güterstatut ist nach Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr 2 zu bestimmen, da die Ehegatten nie eine gemeinsame Staatsangehörigkeit hatten. Voraussetzung ist aber, dass es sich um „Ehegatten“ handelt. Dies wirft die Vorfrage der wirksamen Eheschließung auf, die selbständig nach Art. 11 (der in formeller Hinsicht bei Eheschließung im Ausland gilt) angeknüpft wird; es genügt jedenfalls alternativ die Wahrung des Rechts des ausländischen Eheschließungsortes.
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3. Dasselbe gilt für Vorfragen, die in einer materiellen Norm des deutschen Rechts (lex causae) auftreten. Auch hier gibt es keine ausländische beteiligte Rechtsordnung. Das gilt auch, wenn deutsches Recht kraft Rückverweisung Anwendung findet, selbst wenn das rückverweisende IPR die Vorfragenbehandlung anders sieht.
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4. Auch bei Auftreten der Vorfrage im Tatbestand einer ausländischen Norm (materiell oder IPR) ist grundsätzlich selbständig anzuknüpfen. Es wird also das Statut der Vorfrage gesondert nach dem deutschen IPR ermittelt. In diesem Fall führt die selbständige Vorfragenanknüpfung dazu, dass aus deutscher Sicht auf die Vorfrage möglicherweise ein anderes Recht angewendet wird, als aus Sicht der Rechtsordnung der Hauptfrage anzuwenden wäre.
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Die italienische Staatsangehörige M ist die Mutter des Kindes K. M hat ein Jahr vor der Geburt des K mit dem deutschen Staatsangehörigen V die Ehe geschlossen. Die Eheschließung erfolgte in Deutschland vor einem katholischen Priester, ohne dass eine standesamtliche Eheschließung vorlag. Die Mutter und das Kind haben gewöhnlichen Aufenthalt in Italien. Ist V Vater des K?
Da Art. 19 Abs. 1 S. 1 die Abstammung einheitlich anknüpft, spielt es für die Grundanknüpfung keine Rolle, ob die Mutter M (wirksam) verheiratet ist. Anwendbar ist das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, also italienisches Recht. Diese Gesamtverweisung führt in ein IPR, das zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung unterscheidet. Art. 33 Abs. 1 des italIPRG bestimmt den Status nach dem Heimatrecht des Kindes bei Geburt; da die Mutter Italienerin ist, hat das Kind jedenfalls diese Staatsangehörigkeit erworben, diese geht aus italienischer Sicht jeder anderen kollisionsrechtlich vor. Damit ist italienisches Recht anzuwenden. In Art. 231 codice civile („Der Ehemann ist der Vater eines während der Ehe empfangenen Kindes“) stellt sich die Vorfrage, ob zwischen M und V eine Ehe bestand. Diese Vorfrage knüpfen wir selbständig an; es kommt bei Eheschließung im Inland Art. 13 Abs. 3 S. 1 zur Anwendung, so dass die Ehe mangels Wahrung der deutschen Eheschließungsform unheilbar Nichtehe ist. Dieses Ergebnis nimmt keine Rücksicht darauf, ob aus italienischer Sicht die Ehe als wirksam und damit das Kind als ehelich angesehen wird.
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5. Die selbständige Anknüpfung fördert den internen Entscheidungseinklang. Ein vorgreifliches Rechtsverhältnis wird unabhängig davon, in welcher Hauptfrage es auftritt, vor deutschen Gerichten und Behörden immer gleich behandelt.[4] Da eine fallweise Beurteilung des Rechtsverhältnisses nach der jeweiligen lex causae zu Ungereimtheiten führt, die dem Rechtssuchenden nicht verständlich zu machen sind, ist die grundsätzliche Entscheidung für die selbständige Anknüpfung zustimmungswürdig.
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Andererseits gerät die selbständige Anknüpfung in Konflikt mit dem äußeren Entscheidungseinklang, denn die Vorfrage wird ohne Rücksicht auf die Sicht des Rechts der jeweiligen Hauptfrage entschieden. Dieser Effekt kann nicht ignoriert werden, denn der äußere Entscheidungseinklang ist ebenfalls ein Ziel, welches das deutsche IPR anstrebt. Die Technik des renvoi wird ja vor allem deshalb praktiziert, um zu einem äußeren Entscheidungseinklang zu gelangen.
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In der Abwägung zwischen beiden Zielen erscheint aber innere Entscheidungsharmonie vorzugswürdig. Dass deutsche Gerichte einen Fall gelegentlich anders entscheiden, als Gerichte eines anderen Staates dies täten, liegt in der Natur unterschiedlicher Rechtssysteme; es ist zwar misslich, wenn ein Paar in einem Staat als verheiratet, in einem anderen als unverheiratet gilt, also in einer „hinkenden Ehe“ lebt. Schlichtweg unbegreiflich ist ein solches Ergebnis jedoch auch für den Rechtssuchenden nicht.
III. Unselbständige Anknüpfung nach der lex causae
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1. Ausnahmsweise findet die Technik der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage Anwendung. Diese kommt nur für die Anknüpfung von Vorfragen im Tatbestand einer ausländischen materiellen Norm in Betracht. Die Erstfrage im deutschen IPR und die Vorfrage im ausländischen IPR können noch nicht nach einer lex causae beurteilt werden, da sie sich stellen, ehe eine lex causae ermittelt ist.
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2. Unselbständige Anknüpfung bedeutet die Beantwortung der Vorfrage nach dem Recht, welches die lex causae in ihrem IPR beruft. Es wird also – im Unterschied zur unmittelbaren Anwendung der lex causae – nicht deren materielles Recht auf die Vorfrage angewendet. Vielmehr wird die Vorfrage als eigenständig anzuknüpfende Frage, jedoch aus der Sicht eines Gerichts im Land der lex causae beurteilt. Meistens wird die unselbständige Anknüpfung zum äußeren Entscheidungseinklang führen.
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3. Eine unselbständige Anknüpfung findet nur ausnahmsweise statt, wenn der äußere Entscheidungseinklang in einem Bereich aus besonderen Gründen so wichtig wird, dass der innere Entscheidungseinklang zurücktreten muss. Das ist vor allem in einzelnen Personenstandsfragen der Fall, um für die Beteiligten unerträgliche Ergebnisse zu vermeiden.
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a) Im internationalen Namensrecht werden Vorfragen nach der Abstammung grundsätzlich unselbständig an das Namensstatut, also das Heimatrecht (Art. 10 Abs. 1) angeknüpft. Der Name hat Identifikations- und Ausweisfunktion; es ist sehr nachteilig, wenn jemand in Deutschland einen anderen Namen führt, als in seinem – vom Heimatstaat ausgestellten – Personalausweis vermerkt ist. Der Name hat eine Ordnungsfunktion: Zweck der Anknüpfung der Namensführung an das Personalstatut ist es, dass die Person auch aus deutscher Sicht den Namen führt, den sie nach ihrem Heimatrecht führt. Daher sind, soweit es um den Namen geht, familienrechtliche Vorgänge unselbständig anzuknüpfen und gleichfalls nach dem durch das Personalstatut berufenen Recht zu beurteilen.[5]
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b) Familienrechtliche Verhältnisse (Abstammung, Eheschließung) als Vorfragen des Staatsangehörigkeitserwerbs werden unselbständig angeknüpft, soweit nicht sogar unmittelbar das Familienrecht