Thomas Rauscher

Internationales Privatrecht


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floridianischen Rechts auf die dortige Immobilie führt. Während Art. 3a Abs. 2 –praxistauglich – den schlichten Durchsetzungswillen des Belegenheitsstaates genügen lässt, verlangt Art. 30 eine Sonderbehandlung aus „wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Erwägungen“, was bei präziser Anwendung legislatorische Motivsuche im fremden Recht erfordert und bei der im Common Law traditionellen Kollisionsnorm, die auf einem sachenrechtlichen Vorverständnis des Eigentumsübergang an Immobilien beruht, nicht leicht begründbar erscheint. Hingegen sind Höfeordnungen, aber auch gezielte kollisionsrechtliche Restriktivnormen wie § 25 Abs. 2 RAG aF erkennbar wirtschaftlich motiviert.

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      In der Praxis erfordert Art. 3a Abs. 2 vor allem bei im Ausland belegenen Grundstücken erhebliche Vorsicht. Anders als im Fall der Gesamtverweisung wird ein deutsches Gericht nicht zwangsläufig zur Anwendbarkeit des fremden IPR im betreffenden Fall geleitet. Hier kann in einem vermeintlich rein deutschrechtlichen Güterrechtsfall (Art. 3a Abs. 2) oder Erbfalls (Art. 30 EU-ErbVO) die Zusammensetzung des Vermögens das anwendbare Recht bestimmen. In Erbscheinsverfahren, wo der Bestand des Nachlasses nicht Entscheidungsgegenstand ist und dem Gericht nur aus dem eingereichten Nachlassverzeichnis bekannt wird, bedarf es einer besonderen Aufmerksamkeit, zumal seit in Inkrafttreten des FamFG nicht nur Eigenrechtserbscheine mangels eines Antrags nach § 352c FamFG nicht gegenständlich auf das Inland begrenzt sind (Rn 2310).

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      Nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages stellte sich bei zahlreichen Erbscheinen, die (bundes-)deutsche Nachlassgerichte als Eigenrechtserbscheine (also unbeschränkt, § 2369 aF BGB) in Anwendung des BGB-Erbrechts nach deutschen Erblassern mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik erteilt hatten, heraus, dass DDR-Grundstücke zum Nachlass gehörten, welche im Erbscheinsverfahren als wertlos nicht erwähnt worden waren. Diese Erbscheine sind unrichtig; auf in der DDR belegene Grundstücke kam innerdeutsch entsprechend Art. 3 Abs. 3 aF das Recht der DDR zur Anwendung, weil § 25 Abs. 2 RAG diese Anwendung beanspruchte.

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      Rechtsfolge des Art. 3a Abs. 2 ist die Anwendung der Sonderregeln des Belegenheitsrechts. Dies folgt zwar nicht aus dem Wortlaut; die Lücke im Gesamtstatut, die das Einzelstatut schlägt, wird aber vom deutschen IPR nur deshalb beachtet, damit das Einzelstatut sich durchsetzen kann. Das jeweilige Vermögen (Nachlass, Vermögen der Ehegatten) wird durch die Beachtung des Einzelstatuts geteilt. Handelt es sich um materielle Sondervorschriften, so finden diese auf den betroffenen Teil Anwendung; im Übrigen gilt das Gesamtstatut.

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      Bei kollisionsrechtlicher Sonderanknüpfung ergeben sich wie im Fall des gespaltenen renvoi unterschiedliche Vermögensmassen, die jeweils einheitlich nach der sie beherrschenden Rechtsordnung beurteilt werden.

      Literatur:

      Ludwig Zur Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 3 EGBGB im Internationalen Ehegüterrecht bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs nach deutschem Recht, DNotZ 2000, 663.

      Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 6 Korrektur der Verweisung › B. Anpassung (Angleichung)

B. Anpassung (Angleichung)

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      Anpassung bedeutet die Korrektur von widersprüchlichen Ergebnissen, die durch das Aufeinandertreffen von Rechtsordnungen hervorgerufen werden, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Die kollisionsrechtliche Qualifikation zerlegt einen Lebenssachverhalt in einzelne Rechtsfragen, die aufgrund der Anknüpfungs- und Verweisungsregeln unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstehen können.

      In einer Ehe zwischen einer Deutschen und einem Österreicher ist Erbstatut nach dem zuerst verstorbenen Ehemann österreichisches Recht (Art. 25 Abs. 1 aF; ebenso bei Heimatrechtswahl Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO); Ehegüterstatut der Erblasserehe ist aber deutsches Recht, wenn die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit hatten und seit der Eheschließung in Deutschland gelebt haben (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr 2).

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      Jede Rechtsordnung versucht zwar, in sich abgestimmt zu sein. Im Verhältnis zu jeder denkbaren ausländischen Rechtsordnung kann eine solche Abstimmung hingegen nicht bestehen.

      Eine häufige Quelle solcher Widersprüche ist § 1371 Abs. 1 BGB. Der Zugewinnausgleich von Todes wegen, der schon aus Sicht des deutschen Kollisionsrechts schwer qualifizierbar ist (Rn 477, 485), trifft, folgt man mit dem BGH der güterrechtlichen Qualifikation, nicht selten auf ein fremdes Erbstatut. Gibt dieses dem überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu Abkömmlingen eine deutlich höhere Erbquote als das deutsche Erbrecht (§ 1931 Abs. 1 BGB: ein Viertel), auf das § 1371 Abs. 1 BGB abgestimmt ist, so wird die formale Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB unbillig (zB Erhöhung einer Erbquote von ½ um ein weiteres Viertel) oder unmöglich (wenn der Ehegatte bereits nach dem Erbstatut mehr als ¾ erhält).

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      Ursache von Anpassungsbedarf sind also nicht Mängel der einzelnen beteiligten Rechtsordnungen, sondern die technische Auflösung des Sachverhalts („analytische Methode des IPR“) durch die kollisionsrechtliche Anknüpfung. Dabei kann es zu drei Typen von Normwidersprüchen kommen:

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      1. Normenmangel liegt vor, wenn für ein Rechtsproblem keines der beteiligten Statuten eine Lösung enthält.

      Romanische Rechtsordnungen gestalten die Nachlassbeteiligung des überlebenden Ehegatten traditionell schwach aus. Die erbrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten wurde zunächst verbreitet nur als lebzeitiger Nießbrauch an einem Nachlassteil ausgestaltet. So erbte zB der Ehegatte nach niederländischem Recht bis zum Inkrafttreten des 2. Buches des Nieuw Burgerlijk Wetboek (1982) nicht neben Abkömmlingen. Daneben besteht aber regelmäßig als gesetzlicher Güterstand eine Errungenschaftsgemeinschaft, die dem überlebenden Ehegatten einen hälftigen Anteil sichert. Trifft eine solche Rechtsordnung als Erbstatut auf ein Ehegüterstatut mit Gütertrennung, so erhält der überlebende Ehegatte bei formaler Kombination beider Normausschnitte nichts oder sehr viel weniger als nach jeder beteiligten Rechtsordnung für sich genommen.

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      Normenmangel führt dazu, dass Problemlösungen, die innerhalb jeder der beteiligten Rechtsordnungen in einer oder der anderen Einordnung im Ergebnis existieren, in der Kombination beider Rechtsordnungen fehlen, weil sie jeweils dem „falschen“ (nicht anzuwendenden) Teil der Rechtsordnung angehören. Normenmangel kann auch graduell auftreten, muss also nicht in der gänzlichen Nichtgewährung eines Anspruchs bestehen.