Achim Bönninghaus

Schuldrecht Allgemeiner Teil II


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Arten der Pflichtverletzung

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      Der Begriff der „Pflichtverletzung“ wird in § 280 Abs. 1 genannt und löst im Rahmen eines Schuldverhältnisses nach dieser Vorschrift eine Schadensersatzhaftung aus, es sei denn, dass der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Nach dem zuvor Gesagten kommen dabei einerseits Verletzungen der Leistungspflichten und andererseits Verletzungen der Rücksichtspflichten in Betracht.

      1. Teil EinführungB. Arten der Pflichtverletzung › I. Verletzung von Leistungspflichten

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      Beispiel

      K erwirbt vom Händler V ein Fernsehgerät. Das Gerät funktioniert nicht. Ohne V zunächst aufzufordern, die Reparatur durchzuführen, lässt K das Gerät vom Nachbarn N, einem Fernsehtechniker, reparieren, der K dafür 50 € in Rechnung stellt. K möchte von V das Geld erstattet haben.

      Die Frage des Vertretenmüssens stellt sich also bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ nicht. Das Vertretenmüssen ist allerdings bei verschiedenen Anspruchsgrundlagen, insbesondere beim Schadensersatzanspruch aus § 280, als weitere Tatbestandsvoraussetzung zu prüfen (§ 280 Abs. 1 S. 2).

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      Eine erste Kategorie der Leistungspflichtverletzung können wir § 281 Abs. 1 S. 1 Var. 1 entnehmen. Dort beschreibt das Gesetz die Situation, dass der Schuldner „die fällige Leistung nicht erbringt“. Eine entsprechende Formulierung findet sich in § 323 Abs. 1. § 280 Abs. 2 und gibt dieser Pflichtverletzungskategorie einen besonderen Namen: „Verzögerung“ der (fälligen) Leistung. Das Auseinanderfallen des realen Leistungsstandes vom Sollprogramm liegt hier auf der Hand: Der Schuldner leistet nicht, obwohl er leisten muss.

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      In § 281 Abs. 1 S. 1 Var. 2 beschreibt das Gesetz die Situation, dass der Schuldner die fällige Leistung „nicht wie geschuldet“ erbringt. Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 323 Abs. 1, wo es heißt, dass der Schuldner die fällige Leistung „nicht vertragsgemäß“ erbringt.

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      Hinweis

      Die Tatsache, dass § 323 von einer „nicht vertragsgemäßen“ statt „nicht wie geschuldet erbrachten“ Leistung spricht, erklärt sich daraus, dass die §§ 280 ff. grundsätzlich auf jedes Schuldverhältnis anzuwenden sind, § 323 aber nur auf gegenseitige Verträge Anwendung findet (vgl. die Titelüberschrift vor § 320). Dies soll im Tatbestand zum Ausdruck kommen, weshalb der Gesetzgeber eine entsprechend abweichende Formulierung gewählt hat. Die „nicht vertragsgemäß“ erbrachte Leistung ist also eine „nicht wie geschuldet“ erbrachte Leistung.

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      Es kommt Ihnen möglicherweise eigenartig vor, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht und dass das Gesetz die damit logischerweise verbundene Nichtleistung trotzdem als Pflichtverletzung ansieht. Wie kann man eine Pflicht verletzen, die es wegen des Ausschlusses nach § 275 Abs. 1–3 nicht mehr gibt? Jedoch ist diese Merkwürdigkeit die klare Rechtsfolge des § 275 Abs. 4. Bei näherem Hinsehen löst sich die vermeintliche Ungereimtheit auch auf: Das Ergebnis entspricht dem objektiven und erfolgsbezogenen Begriff der Pflichtverletzung. Denn im Falle der Leistungsbefreiung nach § 275 entspricht der reale Leistungsstand nicht mehr dem ursprünglichen Sollprogramm.

      Beispiel

      V verkauft dem K einen gebrauchten, von K ausgesuchten Pkw. Vor Übergabe wird der Pkw zerstört. Da V von Anfang lediglich den von K ausgesuchten Pkw zu übereignen und zu übergeben hatte, ist mit der Zerstörung des Pkw diese Leistung gem. § 275 Abs. 1 unmöglich geworden. V ist daher nicht mehr zur Leistung verpflichtet. Die bei Vertragsschluss zunächst vereinbarte Leistungspflicht des V gem. § 433 Abs. 1 besteht nun real wegen § 275 Abs. 1 nicht mehr. Vertragliches Sollprogramm und realer Leistungsstand fallen daher auseinander. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei der Leistungsbefreiung von einer Pflichtverletzung zu sprechen.

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