Mike Wienbracke

Allgemeines Verwaltungsrecht


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      2. Fehlender Rechtsgrund

      Fraglich jedoch ist, ob dieser – laut Bearbeitervermerk ordnungsgemäß zustande gekommene (vgl. §§ 57 f. VwVfG NRW) – öffentlich-rechtliche Vertrag letztlich auch als causa für die zwischen E und S erfolgte Vermögensverschiebung in Betracht kommt. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Vertrag wirksam, d.h. nicht nichtig (und nicht bloß rechtswidrig), ist.

      Die Gründe, aus denen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig sein kann, sind in § 59 VwVfG NRW abschließend aufgezählt. Die Spezialvorschriften des BauGB sind laut Bearbeitervermerk ebenso wenig zu prüfen wie § 59 Abs. 1 VwVfG NRW.

      Hier könnte der Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW einschlägig sein. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Vorschrift vorliegend überhaupt anwendbar ist. Das ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur in Bezug auf subordinationsrechtliche Verträge i.S.v. § 54 S. 2 VwVfG NRW der Fall. Hierunter sind solche öffentlich-rechtlichen Verträge zu verstehen, die die Verwaltung mit demjenigen schließt, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde, d.h. zu dem sie in einem Über-/Unterordnungsverhältnis steht. Ausschlaggebend hierfür ist nach h.M. allerdings nicht etwa, ob bei konkreter Betrachtungsweise eine Verwaltungsaktbefugnis besteht, sondern ob der Gegenstand der vertraglichen Regelung bei abstrakter Sichtweise so oder so ähnlich auch einer Regelung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Vertragspartner zugänglich wäre.

      Vorliegend hat E deshalb mit S den Vertrag geschlossen, damit S den Bebauungsplan entsprechend den Bedürfnissen des E anpasst. Die hierfür erforderliche Planänderung ist typisch hoheitlicher Natur i.S. eines Über-/Unterordnungsverhältnisses. Entsprechendes gilt für das Verhältnis von E und S hinsichtlich der dadurch letztlich angestrebten Bebaubarkeit. Also liegt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S.v. § 54 S. 2 VwVfG NRW vor und § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW ist anwendbar.

      Danach ist der öffentlich-rechtliche Vertrag nichtig, wenn sich die Behörde eine nach § 56 VwVfG NRW unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.

      a) Austauschvertrag

      § 56 VwVfG NRW regelt den Austauschvertrag. Gemäß Absatz 1 dieser Vorschrift kann unter den dort genannten Voraussetzungen der auch hier vorliegende subordinationsrechtliche Vertrag i.S.v. § 54 S. 2 VwVfG NRW geschlossen werden, in dem sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet.

      Am Vorliegen eines vom Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW erfassten Austauschvertrags i.S.v. § 56 VwVfG NRW könnten hier deshalb Zweifel bestehen, weil im hiesigen Vertrag nur eine (Gegen-)Leistung des E schriftlich vereinbart wurde, nicht hingegen auch eine Leistung der S. In Anbetracht des von § 56 VwVfG NRW verfolgten Schutzzwecks ist allerdings anerkannt, dass die Leistungspflicht der Verwaltung im Vertragstext nicht ausdrücklich erwähnt sein muss, sofern sie von den Parteien wenigstens stillschweigend vorausgesetzt wird (hinkender Austauschvertrag). Hier hat sich E ersichtlich nur deshalb zur Zahlung der 50 000 € gegenüber S verpflichtet, damit diese die Festsetzungen des Bebauungsplans zu seinen Gunsten ändert. Eine stillschweigende Leistungspflicht der Verwaltung liegt daher ungeachtet der gewählten Vertragsformulierung vor. Also handelt es sich bei dem zwischen E und S geschlossenen Vertrag um einen Austauschvertrag i.S.v. § 56 VwVfG NRW.

      b) Koppelungsverbot

      Damit bleibt zu prüfen, ob sich S in diesem Vertrag eine i.S.v. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW nach § 56 VwVfG NRW unzulässige Gegenleistung hat versprechen lassen (Koppelungsverbot).

      § 56 VwVfG NRW verlangt u.a., dass die Gegenleistung des Vertragspartners der Verwaltung „für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird“. Vorliegend haben E und S allerdings vereinbart, dass die Leistung des E, d.h. die Zahlung der 50 000 €, „zur freien Verfügung“ von S erfolgt. Eine hinreichend konkrete Zweckbestimmung ist im Vertrag gerade nicht enthalten und kann aufgrund der sonstigen Begleitumstände (nicht auszuschließende Verwendung des Geldes zum Erwerb von PCs anstelle der Begleichung der Folgekosten des Bauvorhabens) auch diesen nicht entnommen werden.

      II. Ergebnis

      Also verstößt der zwischen E und S geschlossene Vertrag gegen § 56 VwVfG NRW und ist daher gem. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW nichtig. Damit bildet er keine taugliche Rechtsgrundlage für die von S auf Kosten des E erlangte Vermögensverschiebung in Gestalt der 50 000 €, so dass E diese von S auf Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurückverlangen kann. Ein etwaiger Ausschluss des mithin bestehenden Rückzahlungsanspruchs ist laut Bearbeitervermerk nicht zu prüfen.

      Das Verwaltungsgericht wird der Klage des E demnach in der Sache stattgeben.

      Anmerkungen

       [1]

      Differenzierter Remmert, Jura 2007, 736 (737).

       [2]

      Zum gesamten Folgenden siehe Barczak JuS 2018, 238 ff.; Detterbeck Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 425 ff.; Erbguth/Guckelberger Allgemeines Verwaltungsrecht § 12; Ipsen Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 308 ff.; Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 9; Peine/Siegel Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 271 ff.; Ruffert in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 21.

       [3]

      Hierzu vgl. auch Wienbracke Einführung in die Grundrechte Rn. 364 m.w.N.

       [4]

      Zur Bindungs-, Tatbestands- und Feststellungwirkung des Verwaltungsakts siehe Rn. 289 ff. Zur verwaltungsverfahrensrechtlichen (Erschließung der Anwendbarkeit der §§ 9 ff. VwVfG) und -prozessualen Funktion (Steuerung der Art und Weise des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes) siehe Schoch Jura 2010, 670 (671).

       [5]

      Schübel-Pfister JuS 2012, 420 (424).

       [6]

      Mayer Deutsches Verwaltungsrecht Band I 1. Auflage 1895 S. 95.

       [7]

      BVerwG NJW 2012, 2901 (2902). Vgl. auch Rn. 42 und Rn. 55.

       [8]

      Siehe etwa BVerwG NVwZ 2012, 506 (507); Kahl Jura 2001, 505 (506) m.w.N.

       [9]

      Siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 129. Zum Ganzen siehe auch Bickenbach JA 2015, 481 (484 ff.). Sofern nicht ausdrücklich anders angegeben, erfolgt die hiesige Darstellung auf Grundlage des VwVfG des Bundes.

       [10]

      Hierzu siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 528 ff.

       [11]

      Hierzu siehe BVerwG NVwZ 2012, 506; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2017, 132329; VGH Mannheim VBlBW 2017,