Matthias Müller

Kommunalrecht Baden-Württemberg


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      Zu den Hoheitsrechten der Gemeinde zählt weiterhin die Satzungshoheit. Einfachgesetzlichen Niederschlag findet die Satzungshoheit beispielsweise in § 4 GemO, der den Gemeinden die Möglichkeit einräumt, in weisungsfreien Angelegenheiten Satzungen zu erlassen. Typische Regelungsbereiche kommunaler Satzungen sind die des Organisationsrechts (z.B. Hauptsatzung), des Baurechts (z.B. Bebauungspläne) sowie der Leistungsverwaltung (z.B. Benutzungsordnungen für öffentliche Einrichtungen).

      ff) Finanzhoheit/Steuer- und Abgabenhoheit

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      Das Grundgesetz enthält in Art. 106 Abs. 5, 5a, 6, 7 und 8 GG finanzverfassungsrechtliche Vorschriften, welche zusammen mit Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG als besondere Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltung die kommunale Finanzhoheit bilden. Zur Bewältigung der kommunalen Aufgaben gewährt die Finanzhoheit eine eigenverantwortliche Mittelbewirtschaftung im Rahmen der Haushaltswirtschaft (Erstellung eines Haushaltsplans, mit dem die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde festgelegt werden). Die damit verbundene Steuer- und Abgabenhoheit ermöglicht den Gemeinden im Rahmen des Steuerfindungsrechts, Finanzquellen auszuschöpfen, um einen wesentlichen Teil der kommunalen Aufgaben durch eigene Einnahmen bestreiten zu können.

      3. Teil Kommunale SelbstverwaltungsgarantieB. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG › II. Eingriffe

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      Eine Beschränkung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung ist bei allen belastenden, durch andere Hoheitsträger vorgenommenen Maßnahmen anzunehmen, wenn diese nicht völlig unerheblich sind, d.h. eine gewisse Intensität aufweisen. Eingriffe können also dann gegeben sein, wenn Landes- oder Bundesgesetze oder untergesetzliche Normen einen Regelungsgehalt haben, der (auch) die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft oder das Recht der Gemeinden auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung tangiert. Ein Eingriff in die Subjektsgarantie käme z.B. dann in Betracht, wenn eine Gemeinde aufgelöst oder in eine andere Einheit eingegliedert würde. Hingegen wäre ein Eingriff in den Komplex der Aufgabenzuordnung (Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft) dann möglich, wenn einer Gemeinde Aufgaben entzogen würden; ein Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit könnte in einer gesetzgeberischen Regulierung der Art und Weise der Aufgabenerledigung liegen.

      3. Teil Kommunale SelbstverwaltungsgarantieB. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG › III. Schranken

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      Ausweislich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden einem Gesetzesvorbehalt („… im Rahmen der Gesetze…“), mit Hilfe dessen sowohl Eingriffe in die Eigenverantwortlichkeit wie auch in die Allzuständigkeit zu rechtfertigen sind. Einschränkbar ist also grundsätzlich sowohl das „ob“ als auch das „wie“ der Aufgabenerledigung.

      Inhaltlich umfasst der Gesetzesvorbehalt formelle Gesetze, aber auch materielle Gesetze wie Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht oder staatliche Raumordnungsprogramme.

      Bezüglich der Einschränkbarkeit des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist danach zu unterscheiden, ob sich der Eingriff auf den Kernbereich oder den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung bezieht.

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      Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung ist unbeschränkbar (sog. Wesensgehaltstheorie). Schwierig ist indes, den Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu definieren. Nach h.M. lässt sich eine solche Definition nicht anhand einer klar umgrenzten Aufgabenzuordnung festmachen.

      JURIQ-Klausurtipp

      Bedenken Sie im Hinblick auf eine Klausur, dass ein Eingriff in den Kernbereich nicht zu rechtfertigen ist – Ihre Prüfung wäre also mit der Bejahung des Eingriffs beendet, ohne dass Sie Ihr Wissen zur Frage der Rechtfertigung ausbreiten könnten.

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      Kein absolutes Eingriffsverbot besteht hinsichtlich des Randbereichs der kommunalen Selbstverwaltung. Insoweit hat der Gesetzgeber eine gewisse Gestaltungsfreiheit, in diesen Bereich einzugreifen.

      Beispiel

      Als „typische“ Randbereichseingriffe kommen der Entzug einer kommunalen Aufgabe oder eine teilweise Beschränkung der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung in Betracht.

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      Die Möglichkeit des Gesetzgebers, in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie einzugreifen, ist jedoch nicht grenzenlos. Nach Ansicht des BVerfG ist der Entzug einer kommunalen Aufgabe nur bei Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig.

      Beispiel

      Beispielhaft sind solche Allgemeinwohlbelange dann anzunehmen, wenn die Aufgabenerledigung anders als durch eine Verlagerung auf einen anderen Verwaltungsträger nicht mehr sicherzustellen wäre.

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      Abstrakt betrachtet muss der Gesetzgeber bei der Prüfung, ob er einer Gemeinde eine Aufgabe entziehen darf, eine gerichtlich voll überprüfbare Güterabwägung vornehmen. Zu den abwägungsrelevanten Aspekten gehören etwa die Seuchenabwehr oder der Umweltschutz. Alleine eine Verwaltungsvereinfachung reicht für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs nicht aus.

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      Ähnliches gilt, wenn durch eine Aufgabenverlagerung eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung erreicht werden soll; auch dies ist i.d.R. kein hinreichender Rechtfertigungsgrund, es sei denn, dass nur so ein unverhältnismäßig hoher Kostenanstieg vermieden werden kann.

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      Ob die Übertragung neuer Aufgaben auf die Gemeinde und die damit einhergehende Mehrbelastung mit Kosten durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gerechtfertigt ist, beurteilt sich nach den gleichen Maßstäben wie beim Aufgabenentzug: auch hier müssen wesentliche Gemeinwohlbelange die Aufgabenzuweisung notwendig machen; teils sieht für diese Fälle bereits das Grundgesetz einen Ausgleich vor (Art. 106 Abs. 8 GG).

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      Die Beschränkung der Gemeinde in ihrer eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung ist