Klaus Schwab

Stakeholder-Kapitalismus


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die Erkenntnisse seiner Organisation und warnte vor einem bevorstehenden Ende des Wachstums.

      Doch nachdem die Welt mehrere Rezessionen überstanden und einige Energiesparmaßnahmen wie die Sommerzeit und autofreie Sonntage eingeführt hatte, kehrte sie in den 1980er-Jahren schließlich auf den gewohnten Wachstumspfad zurück. Die Zeiten des 5- und 6-prozentigen BIP-Wachstums waren vorbei (zumindest im Westen), aber Wachstumsraten von 3 bis 4 Prozent waren dort keinesfalls ungewöhnlich. Andere Volkswirtschaften, darunter die asiatischen Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur), halfen, den Rückstand auszugleichen. Doch seit den 1980er-Jahren zeichnete sich ein grundlegender Perspektivenwechsel in der Frage ab, was das Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit ermöglicht hatte. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren glaubte man, dass der gestiegene wirtschaftliche Wohlstand etwas sei, zu dem jeder beigetragen habe, und dass er daher von allen geteilt werden müsse. Es war ein industrielles Fortschrittsmodell, das auf der Partnerschaft zwischen Firmeninhabern und ihren Arbeitskräften aufbaute. Im Gegensatz dazu basierte die Wachstumsphase der 1980er-Jahre mehr auf Marktfundamentalismus und Individualismus und weniger auf staatlichen Eingriffen oder dem Aufbau eines Gesellschaftsvertrages.

      DAS DAVOSER MANIFEST VON 1973

      1 Der Zweck des professionellen Managements liegt darin, Kunden, Aktionären, Arbeitern und Angestellten sowie der Gesellschaft zu dienen und die unterschiedlichen Interessen der Stakeholder in Einklang zu bringen.

      2 Das Management muss seine Kunden bedienen. Es muss die Bedürfnisse seiner Kunden erfüllen und ihnen den besten Wert bieten. Der Wettbewerb unter den Unternehmen ist der übliche und akzeptierte Weg, um sicherzustellen, dass die Kunden das beste Angebot erhalten. Das Ziel des Managements ist es, neue Ideen und technologischen Fortschritt in kommerzielle Produkte und Dienstleistungen zu übertragen.Das Management muss seinen Investoren eine Rendite bieten, die höher ist als die Rendite von Staatsanleihen. Diese höhere Rendite ist notwendig, um eine Risikoprämie in die Kapitalkosten zu integrieren. Die Geschäftsführung ist der Treuhänder der Aktionäre.Das Management hat seinen Mitarbeitern zu dienen, denn in einer freien Gesellschaft muss die Führung die Interessen der Geführten integrieren. Insbesondere muss das Management die Kontinuität der Mitarbeiter, die Verbesserung des Realeinkommens und die Humanisierung des Arbeitsplatzes sicherstellen.Das Management hat der Gesellschaft zu dienen. Es muss die Rolle eines Treuhänders des materiellen Universums für zukünftige Generationen übernehmen. Es muss die ihm zur Verfügung stehenden immateriellen und materiellen Ressourcen optimal nutzen. Es muss den Wissensstand im Bereich Management und Technologie kontinuierlich erweitern. Es muss gewährleisten, dass sein Unternehmen angemessene Steuern an die Gemeinschaft zahlt, damit diese ihre Ziele erfüllen kann. Das Management muss auch sein eigenes Wissen und seine Erfahrung der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.

      3 Das Management kann die oben genannten Ziele durch das Wirtschaftsunternehmen, für das es verantwortlich ist, erreichen. Aus diesem Grund ist es wichtig, das langfristige Bestehen des Unternehmens zu sichern. Ohne ausreichende Rentabilität kann die langfristige Existenz nicht gesichert werden. Somit ist die Rentabilität das notwendige Mittel, damit das Management seinen Kunden, Aktionären, Mitarbeitern und der Gesellschaft dienen kann.

      Diese Trends sind nicht isoliert entstanden. Im Laufe der 1980er-Jahre begannen die Volkswirtschaften Osteuropas zu kollabieren. Ihr Scheitern an diesem industriellen Wendepunkt zeigte, dass das staatlich gelenkte Wirtschaftsmodell der Sowjetunion weniger widerstandsfähig war als das marktwirtschaftliche, das der Westen propagierte. In China begann die Regierung des neuen Führers Deng Xiaoping 1979 ihre eigene Reform und Öffnung und führte schrittweise eine kapitalistische und marktwirtschaftliche Politik ein (siehe Kapitel 3).

      Auch in Davos haben wir den Wind der Veränderung gespürt. War das European Management Forum anfangs vor allem ein Treffpunkt für europäische und amerikanische Akademiker, Politiker und Unternehmer, so wurde es im Laufe der 1980er-Jahre global. In den 1980er-Jahren wurden Vertreter aus China, Indien, dem Nahen Osten und anderen Regionen aufgenommen und eine gemeinsame, globale Agenda aufgestellt. 1987 war eine Namensänderung notwendig geworden. Wir waren von nun an als Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum) bekannt. Das war passend für die Ära der Globalisierung, die folgen sollte.