target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_159df3e4-b926-5f70-ae38-a72cb156308d">22 »Pioneers in China«,1993, ZF Heritage, zf.com/mobile/en/company/heritage_zf/heritage.html.
23 23 Eurofound, »Pacts for Employment and Competitiveness: Ravensburger AG«, Thorsten Schulten, Hartmut Seifert und Stefan Zagelmeyer, April 2015, .
24 24 BIP-Wachstum, jährlich (%), 1961–2019, The World Bank, https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.KD.ZG.
25 25 International Monetary Fund, New Data on Global Debt, https://blogs.imf.org/2019/01/02/new-data-on-global-debt/.
26 26 Gross debt position, Fiscal Monitor, April 2020, International Monetary Fund, https://www.imf.org/external/datamapper/datasets/FM.
27 27 Global Footprint Network, https://www.footprintnetwork.org/2019/06/26/press-release-june-2019-earth-overshoot-day/.
2 Der Kuznets-Fluch: Die Probleme der Weltwirtschaft heute
Vielleicht hätte niemand das Puzzle der Weltwirtschaft besser zusammensetzen können als Simon Kuznets, ein russischstämmiger1 amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, der 1985 starb.
Es mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, dass ein Mann, der Mitte der 1980er-Jahre verstorben ist, für die heutigen globalen wirtschaftlichen Herausforderungen so wichtig ist, aber ich glaube, dass die Probleme, mit denen wir heute konfrontiert sind, vielleicht nicht so groß geworden wären, wenn wir die Lehren dieses Wirtschaftswissenschaftlers und Nobelpreisträgers besser beherzigt hätten.
In der Tat mahnte Kuznets schon vor mehr als 80 Jahren, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein schlechtes Instrument für die Wirtschaftspolitik sei. Ironischerweise hatte er einige Jahre zuvor mitgeholfen, das Konzept des BIP auf den Weg zu bringen, und seinen Teil dazu beigetragen, dass es zum heiligen Gral der wirtschaftlichen Entwicklung wurde. Er wies auch darauf hin, dass seine eigene Kuznets-Kurve, die zeigte, dass die Einkommensungleichheit mit der Entwicklung einer Volkswirtschaft sank, auf »fragilen Daten« basierte,2 d. h. Daten aus einer relativ kurzen Periode des westlichen Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit, das in den 1950er-Jahren stattfand. Sollte sich der Zeitraum seiner Studie als Anomalie herausstellen, wäre die Theorie dieser Kurve widerlegt. Auch der Ableger der Kurve, die sogenannte Umwelt-Kuznets-Kurve, der zufolge die von den Ländern produzierten Umweltschäden ab einem bestimmten Entwicklungsstand ebenfalls abnehmen würden, fand bei Kuznets keine Zustimmung.
Heute leben wir mit den Folgen dessen, dass wir in unseren Analysen nicht strenger oder in unseren Überzeugungen zu dogmatisch waren. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist zu einem alles verschlingenden Ziel geworden, und gleichzeitig ist es ins Stocken geraten. Unsere Volkswirtschaften waren noch nie so entwickelt, doch die Ungleichheit war selten so groß. Und statt einen Rückgang der Umweltverschmutzung zu sehen, wie man vielleicht gehofft hatte, befinden wir uns mitten in einer globalen Umweltkrise.
Dass wir mit dieser Unzahl von Wirtschaftskrisen konfrontiert sind, ist vielleicht der Kuznets-Fluch. Es ist das ultimative »Ich hab’s euch doch gesagt« eines oft missverstandenen Ökonomen und die Grundlage für das Gefühl des Verrats, das Menschen gegenüber ihren Führungspersonen haben. Aber bevor wir tiefer in diesen Fluch einsteigen, wollen wir untersuchen, wer genau Simon Kuznets war, und herausfinden, warum man sich an ihn erinnert.
Die ursprüngliche Kuznets-Kurve: Das BIP als Maß für den Fortschritt
Simon Smith Kuznets wurde 1901 in Pinsk, einer Stadt im damaligen Russischen Reich, als Sohn jüdischer Eltern geboren.3 Schon in der Schule zeigte er eine Begabung für Mathematik und studierte an der Universität von Charkiw (heutige Ukraine) Wirtschaftswissenschaften und Statistik. Doch trotz seiner vielversprechenden Studienerfolge sollte er nach Erreichen des Erwachsenenalters nicht in seinem Geburtsland bleiben. 1922 gewann die Rote Armee von Wladimir Lenin einen jahrelangen Bürgerkrieg in Russland. Als die Sowjetunion im Entstehen begriffen war, emigrierte Kuznets, wie Tausende andere, in die Vereinigten Staaten. Dort promovierte er zunächst in Wirtschaftswissenschaften an der Columbia University und ging dann zum National Bureau of Economic Research (NBER), einem angesehenen ökonomischen Think Tank. Hier begann er seine glanzvolle Karriere.
Sein Timing war tadellos. In den Jahrzehnten nach seiner Ankunft wuchsen die USA zur führenden Weltwirtschaft heran. Kuznets half dem Land, diese neue Position sinnvoll zu nutzen. Er leistete Pionierarbeit für Schlüsselkonzepte, die bis heute die Wirtschaftswissenschaft und -politik dominieren, wie das Volkseinkommen (ein Vorläufer des BIP) und das jährliche Wirtschaftswachstum, und wurde auf diesem Weg zu einem der prominentesten Ökonomen der Welt.
Die Wirtschaftsentwicklung der Vereinigten Staaten verlief in jenen Jahren turbulent. In den 1920er-Jahren befand sich das Land in einem wirtschaftlichen Hoch; es kam schwungvoll aus dem Ersten Weltkrieg. Die USA traten als politische und wirtschaftliche Macht auf und stellten sich neben ein bereits geschwächtes Britisches Empire. Großbritannien hatte die Welt während der ersten industriellen Revolution dominiert und beherrschte bis 1914 ein Drittel der Welt. Amerika wurde stattdessen zum Vorreiter der Zweiten Industriellen Revolution, die nach dem Ersten Weltkrieg erst richtig in Schwung kam. US-Hersteller brachten Waren wie das Auto und das Radio auf den riesigen Binnenmarkt des Landes und verkauften sie an eine Öffentlichkeit, die nach modernen Gütern hungerte. Auch dank des Freihandels und der kapitalistischen Prinzipien kam es zu einer positiven Spirale aus Investitionen, Innovationen, Produktion, Konsum und Handel, und so wurde Amerika zum reichsten Land der Welt, gemessen am Pro-Kopf-BIP.
Doch das berauschende Erlebnis der »Roaring Twenties« schlug in die verhängnisvolle Große Depression um. 1929 geriet die boomende Wirtschaft außer Kontrolle. Die Ungleichheit war enorm: Eine Handvoll Einzelpersonen, wie John D. Rockefeller, kontrollierte riesige Mengen an Reichtum und wirtschaftlichen Vermögenswerten, während viele Arbeiter eine äußerst prekäre Existenz führten, oft immer noch abhängig von Gelegenheitsjobs und landwirtschaftlichen Ernten. Darüber hinaus bedeutete ein ständig steigender Aktienmarkt, der nicht durch eine vergleichbare Entwicklung in der Realwirtschaft gestützt wurde, dass die Finanzspekulation einen fieberhaften Höhepunkt erreichte. Ende Oktober 1929 kam es zu einem kolossalen Zusammenbruch des Aktienmarktes, der eine Kettenreaktion auf der ganzen Welt in Gang setzte. Die Menschen kamen ihren Verpflichtungen nicht nach, die Kreditmärkte trockneten aus, die Arbeitslosigkeit schnellte in die Höhe, die Verbraucher stellten ihre Ausgaben ein, der Protektionismus nahm zu und die Welt stürzte in eine Krise, von der sie sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg erholen sollte.
Als sich die US-Politiker mit der Frage beschäftigten, wie sie die Krise im eigenen Land eindämmen und beenden könnten, fehlte ihnen die Antwort auf eine grundlegende Frage: Wie schlimm ist die Situation wirklich? Und können wir erkennen, ob unsere politischen Antworten funktionieren werden? Wirtschaftliche Messgrößen waren rar, und das BIP – das Maß, mit dem wir heute unsere Wirtschaft bewerten – war noch nicht erfunden.